St. Leonhard. Bundestrainer Joachim Löw hat die Entscheidung darüber, wer nicht mit zur WM darf, vertagt. Denkbar ist, dass er neben drei Torhütern für jeden anderen Posten einen Bewährten und je eine Ersatzkraft wählt. Gute Chancen könnte auch Mönchengladbachs Christoph Kramer haben.

Vor seinem Heimspiel hat der Marathon-Mann noch einmal demonstriert, dass er in einer Saison nicht nur mehr Kilometer hinter sich bringen kann als all seine Bundesliga-Kollegen. Christoph Kramer attackiert auch schnell, er geht schnell drauf auf den Gegner. Am Freitag, beim letzten Training der Nationalmannschaft auf Südtiroler Rasen, handelte es sich beim Gegner allerdings nur um einen künstlichen Sparringspartner, von Co-Coach Hansi Flick kraftvoll ins Geläuf getreten. Dass Kramer strauchelte, lieferte dann eine kleinen Beleg dafür, dass er seine Defizite einzuschätzen weiß. Wenn er den Herkules-Körper des Kollegen Jerome Boateng betrachte, hatte der 23-Jährige erklärt, sehe er mehr Muskelmasse als beim Blick in den Spiegel.

Weil die WM trotz der Teilnahme eines gewissen Cristiano Ronaldo kein Wettbewerb der Bodybuilder sein wird, hat der Gladbacher Borusse Kramer aber trotzdem “eine gute Chance”, daran teilzunehmen. “Gute Chance”, so hat es Joachim Löw vor Tagen formuliert. Am späten Sonntag, nach der vorletzten Testpartie gegen Kamerun in Mönchengladbach (20.30 Uhr, live in unserem Ticker), wird der Bundestrainer festlegen, welche drei von den 26 Spielern, die mit im Camp waren, die Reise gen Südamerika nicht antreten dürfen. Meldeschluss: zweiter Juni, 24 Uhr.

Lahm und Neuer angeschlagen - Dortmunds Weidenfeller gegen Kamerun im Tor

Die Begegnung mit den von Volker Finke trainierten Afrikanern soll “letzte Erkenntnisse” vermitteln. Angekündigt hat Löw, dass er sein Sechser-Wechsel-Kontigent ausschöpfen will. Im Fall von Manuel Neuer, der an der Schulter lädiert ist, geht er davon aus, dass “er am Freitag im Tor stehen wird”, beim letzten Probierkick gegen Armenien. Gegen Kamerun übernimmt Roman Weidenfeller. Im Fall des am Sprunggelenk verletzten Philipp Lahm sieht er “fast keine Probleme mehr”. Antreten kann der Kapitän jedoch noch nicht.

Es gab Aufregung um Lahm. Lauftraining abgebrochen. Ans Sprunggelenk gefasst! Das Nervenkostüm des Bundestrainers blieb aber spannungsfrei. Gelassen betonte er vor allem den Geist von St. Leonhard: “Was den Teamgeist betrifft, kann ich nur sagen: Der ist hervorragend. Aus Vereinsinteressen sind nationale geworden.”

Und für drei Unglückliche werden es nun eben schneller wieder Vereinsinteressen werden. Kramer, der überraschend mit einem B-Ensemble gegen Polen sein erstes Länderspiel absolvierte, gilt nun ebenso überraschend als feste Größe für die B- wie Back-up-Rolle im Mittelfeld. Es herrscht einfach Unsicherheit. Wird Bastian Schweinsteiger wettkampftauglich sein? Wird Sami Khedira “mal eine Pause benötigen beim Turnier” (Löw)? Wird Lahm fit? Und wenn er fit wird, braucht die Mannschaft ihn dann in der Zentrale oder können Schweinsteiger und Khedira dort die Pöstchen übernehmen?

Ein Bewährter und eine Ersatzkraft

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All diese Spieler genießen das Vertrauen des Bundestrainers, für sie macht er auf die Tore, auch dann, wenn sie sich wie Neuer beim Durchgehen an die Schulter fassen und dem Schmerz nachspüren... Es läuft also darauf hinaus, dass Löw die daheim lässt, die besonders jung sind und nach simpler Fußballmathematik überflüssig scheinen. Drei Keeper - auf jedem anderen Pöstchen ein Bewährter und dahinter je eine Ersatzkraft. Bedeutet unter dem Strich: Urlaub für: Shkodran Mustafi, Matthias Ginter, Kevin Volland - oder doch Erik Durm?

Letzterer zweifelt noch daran, dass simple Mathematik zu richtigen Ergebnissen führt und er auch mit an Bord darf, wenn sein Dortmunder Linksverteidiger-Kamerad Marcel Schmelzer nach Knieblessur in Gladbach den Härtetest bestehen sollte: “Ich weiß doch nicht, ob der Bundestrainer alle Positionen doppelt besetzt…”