St. Leonhard. . Erst Kevin Großkreutz in der Hotellobby, dann Joachim Löw beim Druck auf das Gaspedal - Auch wenn sich die Verantwortlichen im Trainingslager des DFB gelassen geben nach den Verfehlungen einiger ihrer Protagonisten, steht fest: Die Marke Nationalmannschaft hat gelitten.
Wenn der Fußball nicht auch noch eine Rolle spielen würde, müsste der Tross des Deutschen Fußball-Bundes die strapaziöse Reise nach Brasilien gar nicht mehr antreten. Die Planungsweltmeisterschaft ist schon gewonnen. Dienstagfrüh berichteten diverse Medien, dass Bundestrainer Joachim Löw bereits im März seinen Führerschein für sechs Monate abgegeben habe. Dienstagmittag erschien Nico Rosberg im Südtiroler Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft. Perfektes Zeitmanagement. Der Sportchef als Raser und 18-Punkte-Sammler ausgemacht. Und ein Gast, der gerade als Sieger des Grand Prix in Monte Carlo mit Champagner duschte und sich in der laufenden Saison anschickt, seinen Mercedes-Boliden in wilder Fahrt zum Titel in der Formel 1 zu steuern.
Dass der in Monaco lebende Rosberg sehr breit lächelnd erklärte, im deutschen Norden habe er nichts auf dem Konto, wird den gewieften Organisator, Teammanager und Sponsorenbetreuer Oliver Bierhoff aber etwas betrübt haben. “Ich habe noch nie im Leben einen Punkt in Flensburg bekommen”, verkündete der 28-Jährige mit der Lizenz zum Austoben auf für den für öffentlichen Verkehr gesperrten Strecken. Bierhoff versuchte sich im Gegenzug daran, allzu rasantes Fahrverhalten und allzu sorgloses Handynutzen ohne Freisprechanlage in Sündenfälle zu verwandeln, vor denen das ganze deutsche Volk nicht gefeit ist. “Sowas passiert”, sagte er und scherzte, nicht ohne nebenbei den tieferen Sinn eines Werbeauftrittes zu erfüllen: “Wir werden mit unserem Generalsponsor Mercedes darüber sprechen, dass man dem Jogi nur noch Autos gibt, die tempolimitiert sind.”
Löw schon vor acht Jahren als Raser entlarvt
Der Jogi. Schon vor acht Jahren war ihm für vier Wochen der Führerschein genommen worden, weil er auf der A 3 die Geschwindigkeitsgrenzlinie von 100 Stundenkilometern nicht im Schritttempo übertreten hatte: 131. Und es ist nicht so, dass er, der Herr Bundestrainer, nicht um seine Probleme mit dem Bleifuß weiß. Vor drei Jahren bekannte er im Interview mit “Die Welt”: “Ich habe leider zu viele Punkte in Flensburg.” Den Lappenverlust von 2006 führte er noch darauf zurück, dass ihn der damalige Chef Jürgen Klinsmann wegen eines Termins “angetrieben” habe. Jetzt steht der Ex-Co-Trainer in der Hierarchie jedoch an der Spitze. Niemand in Sicht, der Druck ausüben könnte, der sich direkt aufs Gaspedal überträgt.
Joachim Löw brettert und telefoniert also als vom freien Willen bestimmter Bürger. Und weil er ein besonderer Bürger ist, wird er auch auf besondere Weise beobachtet. “Ich weiß, dass ich mich zügeln muss”, gestand er deshalb kleinlaut und gelobte: “Ich habe meine Lektion gelernt.” Dass kein Alkohol beim Entzug im Spiel war, hob dann Bierhoff hervor. Schon vor ein paar Tagen war die gern als unbefleckt verkaufte Marke Nationalmannschaft ja von einem Gelbschleier überzogen worden. Der betrunkene Spieler Kevin Großkreutz hatte in seiner Rolle als Angestellter von Borussia Dortmund nach dem gegen Bayern München verlorenen Pokal-Finale unter anderem in einem Hotel uriniert. Allerdings nicht ins Becken auf seinem Zimmer. Von Löw war Großkreutz daraufhin gerügt und mit einer ersten Abmahnung versehen worden, die den Reiseantritt Richtung Brasilien zumindest ein kleines bisschen ungewisser erscheinen lässt.
Bierhoff: "Wir sind auch Menschen"
Nun musste Bierhoff für den Mann auf die Kanzel, dessen Image ansonsten makelloser ist, als es die Pflegeprodukte, für die er sein global gern betrachtetes Gesicht hergab, jemals einem Körper garantieren können. Wo bleibt die Moral? Hat Bundestrainer Joachim Löw als Vorbild versagt? Der Teammanager bemühte sich um Generalisierung, arbeitete das Allzumenschliche bei allen Menschen heraus und offenbarte sich auch selbst als anfällig für Verfehlungen: “Wir wollen natürlich Vorbild sein”, sagte er: “Aber wir sind auch Menschen.”
Nico Rosberg hatte die ganze Zeit über weiterhin oft sehr breit gelächelt. Perfektes Zeitmanagement. Aber seine Sorgen sind doch eher anderer Natur. In seinem Mercedes-Team gibt es mit Lewis Hamilton jemanden, der ihm nicht wohgesonnen ist und immer noch schneller rasen will als er selbst. Und Flensburg kann diesen Brite kaum bremsen.