Bochum. Zwei Stunden redeten sich die Spieler des VfL Bochum am Montag vor dem Training vermutlich die Köpfe heiß: bei einer von Trainer Marcel Koller einberufenen, überdurchschnittlich langen Mannschaftssitzung.

Es war exakt 11.48 Uhr, als Vahid Hashemian als erster Spieler die Kabine verließ und sich zum Trainingsplatz aufraffte. Hineingegangen war der Stürmer des VfL um 9.45 Uhr! Eine lange „Mannschaftssitzung” vor dem Training war angesagt gestern Morgen, hinter verschlossenen Türen. Doch allein die Dauer verriet es ja: Es ging zur Sache. Eine Krisensitzung mit Trainer und Spielern (ohne Vorstand) kann man diesen Meinungsaustausch also durchaus nennen, auf „Einladung” von Marcel Koller, der auf seiner Suche nach Erklärungen für die kraftlosen drei Halbzeiten – eine gegen Gladbach, zwei gegen Schalke – Klartext hören wollte.

Was konkret da alles auf den Tisch kam, sollte natürlich „im Kreise der Familie” bleiben, wie Innenverteidiger Anthar Yahia später lächelnd meinte. Man wird sehen, ob sich wirklich jeder daran hält – und erst Recht, ob die Aussprache schon nach dem zweiten Spieltag etwas gebracht hat. Am Sonntag, im Heimspiel gegen Hertha BSC (15.30 Uhr).

Zu lustlos waren sie aufgetreten beim 0:3 am Sonntagabend auf Schalke, zu harmlos, als dass es irgendeiner wagte, die Leistung schönzureden. Immerhin: Selbstkritisch waren sie, die Bochumer Profis. „Wir haben Scheiße gespielt, zum Vergessen”, sagte etwa Anthar Yahia gestern Mittag, nach dem Auslaufen.

Und der Innenverteidiger, der nach den Auswechslungen von Marcel Maltritz und Christoph Dabrowski als dritter Bochumer die Kapitänsbinde getragen hatte, erklärte einen Tenor der Sitzung so: „Wenn man 3:0 auf die Fresse kriegt, muss man wieder aufstehen.” Ähnlich äußerte sich Marc Pfertzel. „Es ist wichtig, dass man sich als Mannschaft die Wahrheit sagt, was geht und was nicht geht.” Also? Pfertzel winkt ab.

Körperloses Spiel

Was jedenfalls überhaupt nicht ging, war das körperlose Spiel der Bochumer in der ersten Halbzeit. Um nur ein Beispiel zu nennen: Christian Fuchs spielt an der linken Außenbahn einen Pass zu Mimoun Azaouagh, der weit in der Schalker Hälfte rumsteht. Der Mittelfeldspieler dreht sich gedankenverloren weg vom Ball, Schalkes Zambrano sagt Danke und schickt den schnellen Farfan auf dem Flügel. Fuchs rennt hinterher, stören kann er ihn nicht mehr. Farfan passt in die Strafraum-Mitte. Fuchs rennt weiter hinterher. Rakitic ist schneller am Ball als Maltritz, und Westermann verwandelt zum 2:0.

Statt richtig aggressiv zur Sache zu gehen, wirkten die Bochumer völlig ausgepumpt, leer. Und da versuchte Trainer Marcel Koller die Mannschaft mit Worten zu packen, die man von ihm in dieser Diktion nicht gewohnt ist: „Jeder muss sich selbst an den Zipfel fassen”, sagte er zur Frage, warum sein VfL denn wieder so mutlos gespielt habe, und schob nach: „Da muss man mal die Eier in die Hand nehmen und ein Mann sein auf dem Platz.”

Der Trainer war stinksauer

Der Trainer war stinksauer – wohl wissend, dass der Druck auf ihn selbst mit jeder weiteren schlechten Halbzeit wächst. Zweimal hatte er der gleichen Startelf und dem gleichen taktischen Konzept vertraut, in drei Halbzeiten ging das in die Hose.

VfL-Sportvorstand Thomas Ernst hat ja Recht, wenn er die sechs Gegentore in 180 Minuten nicht allein auf Schwächen der Abwehr schieben will. „Das ist nicht nur ein Problem der Defensive.” Genau das ist das Schlimmste an dem ganzen Dilemma: Es hakt nicht punktuell, es hakt fast überall.