Bochum. . Der neue Trainer des VfL Bochum sorgt für steigendes Interesse an dem abstiegsbedrohten Zweitligisten. Und er greift durch: Er sortiert Profis aus und befördert ein Talent. Alexander Iashvili, Nikoloz Gelashvili und Michael Ortega haben wohl keine Zukunft mehr beim VfL. Der 18-jährige Jan Gyamerah fährt mit nach Cottbus.

Fast könnte man meinen, der lang ersehnte Einzug des Frühlings habe vor allem etwas mit ihm zu tun. Peter Neururer weist Väterchen Frost in seine Grenzen und sorgt für ein angenehmeres Klima, was wäre das für eine schöne Überschrift. Aber so weit reicht der lange Arm des reaktivierten Fußball-Lehrers dann doch nicht. Erreicht hat er allerdings in den paar Tagen bei seiner alten Liebe das, was man irgendwie erwarten durfte: Steigendes Interesse am Schicksal des VfL Bochum, öffentlich bekundete Zuneigung, schlicht Hoffnung. Und das ist nicht wenig angesichts der Trauerstimmung, die vor seiner Bestellung zum „Retter“ rund um den Zweitligisten geherrscht hat.

Bei seiner Präsentation Anfang dieser Woche hat Peter Neururer zwar von der „schwierigsten Aufgabe“ in seiner Karriere gesprochen, verkrampft wirkt er jedoch überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die kommunikative Offenheit, die ihn stets ausgezeichnet hat, erklimmt derzeit neue Höhen, gleitet aber bislang nicht ab in Großmäuligkeit. Neururer will viel, verspricht aber nichts. Nur gelegentlich reißt ihn das unstillbare Verlangen nach Zuspitzung und Übertreibung fort. Dann sagt er Sätze wie diesen: „Diskussionen sehen so aus, dass ich was sage und die anderen nicken.“

Es gibt wieder Bockwurst beim VfL

Okay, er hat via Boulevard angekündigt, sich im Erfolgsfall die Haare blau färben zu lassen, auch gab es bei der Pressekonferenz vor dem Spiel am Sonntag in Cottbus das frugale Siegesmahl von einst. Damals, als Neururer den VfL Bochum in den Uefa-Cup führte, blieb den Beteiligten die Bockwurst samt Kartoffelsalat irgendwann im Halse stecken, so oft wurde sie aufgetischt. Dass er sich nun auch noch Gedanken über die passende Kleidung macht, die, sollte der VfL den Umschwung schaffen und einen positiven Trend erwischen, natürlich nicht gewechselt werden darf, gehört ebenso zu den medial wirksamen und deshalb sorgfältig gepflegten Schrullen eines Mannes, der es stets verstanden hat, für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Daneben aber musste sich Neururer im Schnelldurchgang ein genaueres Bild über die Leistungsfähigkeit der Mannschaft machen, die er vor dem Absturz in die Dritte Liga bewahren soll. Schließlich war er zwar in den letzten Jahren Dauergast im Bochumer Stadion, aber eben nur ein Gast, ein Beobachter.

Nun ist er wieder mittendrin und muss entscheiden, mit wem er den nicht einfachen Kampf gegen den Abstieg aufnehmen will: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Aus der „situativen Einschätzung einzelner Spieler“ vom vergangenen Montag ist vier Tage später ein schon relatives klares Bild geworden – mit Gewinnern und Verlierern.

Iashvili spielt - gegen RWO in der Regionalliga

Was für Alexander Iashvili praktisch das Karriere-Ende bedeutet. 35 ist der Georgier inzwischen, hat 436 Erst- und Zweitliga-spiele in Deutschland bestritten und soll am morgigen Samstag, so Neururers Plan, gegen RW Oberhausen spielen – für die U23 des VfL Bochum. Es wäre auf seine alten Tage das Regionalliga-Debüt des ehemaligen georgischen Nationalspielers, dessen Landsmann Nikoloz Gelashvili, vor 15 Monaten als künftige feste Offensiv-Größe nach Bochum geholt, dieses bittere Schicksal schon früher ereilt hat.

Auch für Michael Ortega, ausgeliehen immerhin von Bayer Leverkusen, schließt sich in Bochum gerade die Tür. Der junge Kolumbianer, der im Training nicht den Eindruck vermittelt, auch nur ansatzweise zu wissen worum es momentan überhaupt geht, war im vergangenen Sommer der letzte der zu vielen Fehlschüsse des Bochumer Planerduos Jens Todt und Andreas Bergmann. Iashvili, Gelashvili und Ortega aussortiert, von Sören Bertram und Florian Brügmann gar nicht zu reden – Neururer macht damit indirekt deutlich, was er von der komplett missglückten Transferpolitik des VfL hält.

Jan Gyamerah fährt mit nach Cottbus

Andersherum geht es allerdings auch, denn neben dem Ausnahmetalent Leon Goretzka fährt ein zweiter 18-Jähriger mit nach Cottbus, obwohl er zurzeit im Abi-Stress steckt. DFB-Auswahlspieler Jan Gyamerah, so Neururer, habe sich im Training „großartig präsentiert“, sei „vielseitig“ und eine „große Hoffnung“. Außerdem, fügt der 57-Jährige an, „müssen wir bei aller Brisanz auch noch den Blick für die Talente haben“.

Die dürften dem VfL jedoch nur dann die Treue halten, wenn der noch etwas zu bieten hat. Über das die nationalen Grenzen sprengende Interesse an Goretzka wurde bereits genug berichtet, Gyamerah und andere Bochumer Nachwuchskräfte hätten indes ebenfalls keine Mühe, erstklassige Abnehmer zu finden.

Das soll, muss und will Peter Neururer verhindern. Und den ersten Schritt in die richtige Richtung will er mit der Mannschaft, mit deren „Laufbereitschaft und Engagement“ er „nicht gerechnet“ hat, am Sonntag in Cottbus tun. Man sei, sagt er, auf alles vorbereitet – „nur die Atmosphäre im Stadion der Freundschaft können wir in unserer Kabine der Freundschaft nicht herstellen“.

Neururer trainiert den VfL Bochum

Hallo, da bin ich: Die Spieler des VfL Bochum bekamen ihren neuen Trainer am erstmals zu Gesicht. Lediglich Marcel Maltritz hatte schon unter Neururer gearbeitet.
Hallo, da bin ich: Die Spieler des VfL Bochum bekamen ihren neuen Trainer am erstmals zu Gesicht. Lediglich Marcel Maltritz hatte schon unter Neururer gearbeitet. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Erste Anweisung von Neururer: Warmlaufen.
Erste Anweisung von Neururer: Warmlaufen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Leidenschaft, Disziplin und Verantwortung forderte Neururer bei seiner Vorstellung am Montag vom Kader ein. Der 57-Jährige beobachtete genau, wer sich daran hält.
Leidenschaft, Disziplin und Verantwortung forderte Neururer bei seiner Vorstellung am Montag vom Kader ein. Der 57-Jährige beobachtete genau, wer sich daran hält. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Heerwagen, Maltritz, Luthe, Chaftar und Aydin - Untergangsstimmung sieht anders aus.
Heerwagen, Maltritz, Luthe, Chaftar und Aydin - Untergangsstimmung sieht anders aus. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Mit Thomas Reis (links) und Driusz Wosz im Team will Neururer den VfL ans rettende Ufer führen.
Mit Thomas Reis (links) und Driusz Wosz im Team will Neururer den VfL ans rettende Ufer führen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Dariusz Wosz kennt das Neururer-Training: Auch der Ex-Nationalspieler spielte noch unter dem neuen VfL-Coach.
Dariusz Wosz kennt das Neururer-Training: Auch der Ex-Nationalspieler spielte noch unter dem neuen VfL-Coach. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
2003 führte Neururer den VfL in den UEFA-Cup. Er scheint also zu wissen, worauf man beim Training an der Castroper Straße achten muss.
2003 führte Neururer den VfL in den UEFA-Cup. Er scheint also zu wissen, worauf man beim Training an der Castroper Straße achten muss. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Michael Ortega sprintet vor den Augen seines neuen Trainers.
Michael Ortega sprintet vor den Augen seines neuen Trainers. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Sieht man also demnächst die VfL-Spieler an den Gegnern vorbeilaufen wie an Slalomstangen?
Sieht man also demnächst die VfL-Spieler an den Gegnern vorbeilaufen wie an Slalomstangen? © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Reges Treiben am Trainingsgelände neben dem Rewirpower-Stadion. So viele Schaulustige verirrten sich lange nicht mehr zu einer Übungseinheit des VfL.
Reges Treiben am Trainingsgelände neben dem Rewirpower-Stadion. So viele Schaulustige verirrten sich lange nicht mehr zu einer Übungseinheit des VfL. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Für große Worte ist Neururer bekannt. Aber er kann auch Gesten.
Für große Worte ist Neururer bekannt. Aber er kann auch Gesten. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Yusuke Tasaka (links) läuft vorne weg. Der Japaner ist am Sonntag in Cottbus nach abgesessener Gelbsperre wieder dabei.
Yusuke Tasaka (links) läuft vorne weg. Der Japaner ist am Sonntag in Cottbus nach abgesessener Gelbsperre wieder dabei. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Ein echter Neururer hat auch mal Zeit für ein Späßchen.
Ein echter Neururer hat auch mal Zeit für ein Späßchen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Ob die Gesundheit mitspielen würde im Abstiegskampf, wurde Neururer bei seiner Vorstellung gefragt.
Ob die Gesundheit mitspielen würde im Abstiegskampf, wurde Neururer bei seiner Vorstellung gefragt. "Ich denke, dass alle Spieler gesund bleiben", war seine Antwort. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Die Spieler laufen, Neururer hat Spaß.
Die Spieler laufen, Neururer hat Spaß. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Neururer, Wosz, Tasaka.
Neururer, Wosz, Tasaka. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Ein hat Neururer schon erreicht: Der VfL bekommt wieder mehr Aufmerksamkeit. Das war auch schon bei der Vorstellung des neuen Trainers zu sehen.
Ein hat Neururer schon erreicht: Der VfL bekommt wieder mehr Aufmerksamkeit. Das war auch schon bei der Vorstellung des neuen Trainers zu sehen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Erst nach einer Weile kamen auch das runde Leder ins Spiel.
Erst nach einer Weile kamen auch das runde Leder ins Spiel. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Da konnte auch Neururer selbst nicht die Füße still halten.
Da konnte auch Neururer selbst nicht die Füße still halten. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Am Freitagmorgen bereits reist der VfL-Tross nach Cottbus, wo am Sonntag die Partie gegen den FC Energie stattfindet. Einen trainingsfreien Tag gibt's vorher nicht mehr.
Am Freitagmorgen bereits reist der VfL-Tross nach Cottbus, wo am Sonntag die Partie gegen den FC Energie stattfindet. Einen trainingsfreien Tag gibt's vorher nicht mehr. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
"Wer sich hier nicht als Einheit fühlt, wird dazu gemacht", hatte Neururer am Montag gesagt. Im Team mit Wosz funktionierte schon mal alles perfekt. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Zunächst ist die des Vertrags von Neururer auf die nächsten sechs Spiele begrenzt.
Zunächst ist die des Vertrags von Neururer auf die nächsten sechs Spiele begrenzt. "Die Spieler sollen nicht denken, der Trainer ruht sich auf einem Dreijahresvertrag." © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Gut gedehnt ging's zurück in die Kabine.
Gut gedehnt ging's zurück in die Kabine. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Und von Neururer gab's ein Lächeln zum Abschluss.
Und von Neururer gab's ein Lächeln zum Abschluss. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
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