Bochum. Der Frust bei den Bochums Fans ist groß. Etliche machen Schindzielorz und Villis verantwortlich. Nicht alle Vorwürfe sind haltbar. Ein Kommentar.

Den Schwung mitnehmen wollte der VfL Bochum nach dem 3:0-Befreiungssieg gegen Frankfurt. Doch spätestens nach 20 Minuten in Stuttgart war klar: Die altbekannten Probleme sind auf der Reise in die Schwaben-Metropole nicht über Bord geworfen worden.

Dem neuen Trainer Thomas Letsch ist hier kein Vorwurf zu machen. Startelf und Formation erschienen schlüssig, die Wechsel auch. Letsch reagierte auf das 1:3 mit dem Torjäger der Vorbereitung, mit Silvere Ganvoula. Nach dem 1:4 stabilisierte er mit Patrick Osterhage wieder ein Stück weit die Defensive, um einem noch höheren Debakel davonzukommen.

Positive Einordnung des 1:4 von Letsch überrascht nur auf den ersten Blick

Seine äußerst positive Einordnung der ernüchternden Pleite beim bis dato sieglosen, von Krisen und Trainersuche geschüttelten VfB, der bis zum Spiel gegen Aufbaugegner Bochum im Schnitt ein Tor erzielt hatte, verwunderte da – zumindest auf den ersten Blick.

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Letsch wurde von Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian geholt als Nachfolger von Thomas Reis als ein Trainer, der von der Qualität des Kaders überzeugt sein müsse und dies intern wie extern kommuniziere, wie es hieß. Das tat Letsch nun. Intern in der Kabine richtete er die Spieler auf. Extern sah er viel Gutes und zeigte sich überzeugt vom Klassenerhalt.

Eine Kapitulation wäre ja auch ein fatales Signal nach zehn Spielen und erst drei unter seiner Verantwortung. Tatsächlich könnte Bochum mit einem Sieg gegen Union Berlin bei Niederlagen von Schalke bei Hertha BSC und Stuttgart in Dortmund ja wieder nah dran sein am Ziel.

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Im Pokal kann sich Bochum keine Niederlage leisten beim Drittligisten Elversberg

Dienstag geht es erst einmal im Pokal zum SV Elversberg. Ein Aus wäre mit dominanten Phasen nicht schönzureden. Der Unmut der Fans stiege weiter. Bisher beschränkt er sich nach außen hin auf die in Krisenzeiten üblichen Kommentare in den sozialen Medien. Im Stadion herrscht weiterhin volle Unterstützung fürs Team. Ein großartiges Zeichen. Aber wie lange noch?

Ein Aufbäumen nach einem 0:2 in Stuttgart ist dann doch viel zu wenig, um Liga und fortwährende Unterstützung halten zu können. Warum, muss man ja umgekehrt fragen, verschlief Bochum die Anfangsphase?

Die vielen alten Probleme des VfL Bochum

Die Auswärtsschwäche bleibt ein großes Problem von vielen. Die Fehlerketten vor der Flut an Gegentoren auch. Die individuellen Fehler. Das Tempodefizit in der Defensive. Die Schwächen beim letzten Pass und im Abschluss. Silas traf doppelt. Hofmann, Stöger, Holtmann trafen nicht. Auch eine Frage der Qualität.

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Dabei sind es aktuell auch die Leistungsträger der Vorsaison, die außer Form sind, von Manuel Riemann über Danilo Soares und Cristian Gamboa bis zu Anthony Losilla. Den Willen darf man gerade diesen ehrgeizigen Bochumern mit Sicherheit nicht absprechen. Bisher aber reicht es nicht für die Bundesliga.

Neuzugänge stechen in Summe nicht - die Rolle von Schindzielorz

Sieht man von Jordi Osei-Tutu ab, eingewechselt in der letzten Minute, kamen in Stuttgart mit dem als Abwehrchef geholten, bisher enttäuschenden Ivan Ordets, mit den offensiv vorzeigbaren Kevin Stöger und Philipp Förster sowie dem stets bemühten, in der Box aber ungefährlichen Stoßstürmer Philipp Hofmann nur vier der elf Neuzugänge zum Einsatz. Der Verlust der ehemaligen Leistungsträger konnte nicht kompensiert werden. Letztlich geht das federführend auf die Kappe von Sebastian Schindzielorz, der den Kader verantwortlich zusammengestellt hat.

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Hätte man ihn daran hindern müssen, wie es die Ultras in einem offenen Brief forderten in Richtung des von ihnen kritisierten Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis? Vielleicht wäre es schlauer gewesen, weil ja klar war, dass Schindzielorz die Saison gar nicht zu Ende bringt beim VfL Bochum nach seiner im Mai verkündeten Kündigung zum Jahresende. Hätte Patrick Fabian, der Neuling, adhoc einen stärkeren Kader zusammenstellen können? Eine müßige Spekulation.

Schindzielorz: Herzblut diesmal ohne glückliche Hand

Die indirekte Unterstellung nicht nur der Ultras, Schindzielorz habe nicht mehr mit vollem Herzblut gehandelt, muss man zurückweisen, dafür gibt es keine Belege. Womöglich hatte er in Summe diesmal keine glückliche Hand. Insbesondere der Transfer des nicht austrainierten Lys Mousset wirft viele Fragen auf. Aber gehandelt hat er sicherlich nach seinem besten Wissen und Gewissen für den VfL Bochum wie in den erfolgreichen Jahren zuvor auch.

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Finanziell hatte er wie gehabt wenig Spielraum. Bleibt also der Vorwurf, Bochum hätte die Millionen-Einnahmen nach dem Verkauf zahlreicher Leistungsträger nicht reinvestiert, sich „kaputt gespart“, einen Abstieg in Kauf nehmend. In der Kritik stehen hier insbesondere Villis und sein Präsidium, die bei sämtlichen höherpreisigen Transfers eingebunden sind und mitentscheiden.

Villis hat, als Chef stellvertretend für den gesamten Verein, in der Kommunikation rund um die weniger aus sportlichen als vielmehr anderen Gründen nachvollziehbare Trennung von Thomas Reis (Stichwörter: Schalke-Avancen, Reis-Dementi, keine gemeinsame Basis mehr) keine gute Figur abgegeben.

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Das Transferplus, dessen verfügbare Höhe nicht genau bekannt ist, nicht umgehend wieder auszugeben, ist dagegen wirtschaftlich vernünftiges und vorausschauendes, teils zwingend erforderliches Handeln. Kredite müssen abbezahlt werden nach der Coronakrise. Zum Beispiel.

Der VfL Bochum kann finanziell nicht mithalten im Liga-Vergleich. Selbst bei VfL-Rekord-Ablösen und -Gehältern würden zwei, drei mehr oder minder hochkarätige Neuzugänge den Klassenerhalt keinesfalls garantieren. Bochum bliebe Außenseiter - und muss(te) den Abstieg einkalkulieren.