Bochum. Der VfL Bochum hat sich verstärkt, einige Spieler wurde er nicht los, einer bleibt als Diamant. Eine kommentierende Analyse zum Transferschluss.

Jetzt ist es geschlossen, das Transferfenster des Fußball-Sommers. Für die Schlagzeilen sorgten international die Superstars um Lionel Messi oder Cristian Ronaldo, die für wahnwitzige Ablösesummen und/oder Gehälter die Vereine wechselten dank der Investoren-Millionen dieser Klubs. Von Sparzwang keine Spur. Im Gegenteil.

Anders beim VfL Bochum. Zwangsläufig und nicht aus moralischen Gründen. Für Sebastian Schindzielorz, als Geschäftsführer Sport federführend zuständig für den Kader, galt einmal mehr das Null-Kosten-Prinzip in punkto Ablösesummen. Im Schatten der Branchenriesen und bundesweit betrachtet medial weitgehend unbeobachtet hat es Schindzielorz geschafft, einen für den Abstiegskampf konkurrenzfähigen Bundesliga-Kader zusammenzustellen.

Das Null-Kosten-Prinzip

Der VfL, der schrittweise einen Sechs-Millionen-Euro-Kredit abbezahlen muss bei der Bankengruppe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), hat keinen Cent mehr ausgegeben als eingenommen. Für Robert Zulj gab es 350.000 Euro aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Viel zu wenig, natürlich, aber vertraglich vereinbart. Ohne diese Ausstiegsklausel wäre Zulj im Winter 2020 nicht nach Bochum gewechselt. Ohne diese Klausel wäre der VfL mutmaßlich nicht aufgestiegen. Der Zulj-Deal hat sich auch wirtschaftlich gelohnt, für den Verein wie für den Spieler.

Warum Robert Zulj nicht zu halten war

Bochum wollte Zulj halten, musste bei mindestens einer Millionen Euro Gehalts- plus Prämienkosten aber aussteigen. Die vielzitierte Kreativität auf dem Markt der für den VfL eben nicht unbeschränkten Möglichkeiten zeigte sich im Sommer mit der nicht wirklich kreativen, aber erforderlichen Option, Spieler mit Bundesliga-Erfahrung, mit Stammkraft-Potenzial auszuleihen.

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Keine Kaufoption für Löwen und Rexhbecaj - aber niedrige Leihgebühren

Mit Eduard Löwen und Elvis Rexhbecaj hat sich der VfL im Mittelfeld verstärkt und damit, verbunden mit der Systemumstellung, den Zulj-Abgang wettgemacht. Dass sie ebenso wie Linksverteidiger Konstantinos Stafylidis nur für ein Jahr ausgeliehen werden konnten ohne eine für den VfL realistische Kaufoption, ließ sich wirtschaftlich nicht vermeiden, zumal die Leihgebühren auch deshalb niedrig sind.

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Das Ideal, eine Mannschaft über Jahre hinaus aufzubauen in der Bundesliga, ist für einen in dieser Liga kleinen Klub wie den VfL Bochum eine Utopie. Es zählt das nächste Spiel, der Klassenerhalt. Dann wird neu sortiert und auch neu gerechnet.

Der VfL Bochum muss bei allen Verträgen auch den Abstieg in die 2. Liga einkalkulieren

Und, das geht im Getöse gerne unter: Bochum muss bei allen Verträgen immer auch den möglichen Abstieg in die 2. Liga einkalkulieren. Horrende Gehälter bei einem Abstieg hätten fatale Folgen. Der FC Schalke 04, auch Werder Bremen sind mahnende Beispiele dafür, wenn auch in einer anderen finanziellen Dimension.

Umso wichtiger, dass ein Typ wie Simon Zoller klipp und klar sagt: Er bleibt auch in Liga zwei beim VfL am Ball. Seine Vertragsverlängerung ist ein starkes Signal, das über diese Saison hinaus strahlt; vergleichbar mit dem Signal, das Danilo Soares mit seiner Vertragsverlängerung vor der Zweitliga-Meistersaison aussendete.

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Stürmer Sebastian Polter könnte der Königstransfer werden

Neben den Leihspielern hat Bochum mit Sebastian Polter einen gestandenen Stürmer geholt, der sofort ein Faktor ist. Die weiteren Zugänge erhöhen zumindest den Konkurrenzdruck (Torwart Michael Esser, Christopher Antwi-Adjei, Takuma Asano) oder sind eine Investition in die Zukunft (Patrick Osterhage vom BVB II, Luis Hartwig aus dem eigenen Talentwerk).

Defensiv und offensiv: Die Wunschliste wurde abgearbeitet

Die Wunschliste von Trainer Thomas Reis hat Schindzielorz für diese Saison abgearbeitet. Ein Linksverteidiger, zwei zentrale Mittelfeldspieler, ein Stoßstürmer standen ganz oben auf dieser Liste, zudem neue Konkurrenz auf dem Flügel.

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Ekincier nimmt sportliche Herausforderung an - Weilandt und Bonga bleiben

Der Plan, mehr Spieler abzugeben, die in der Bundesliga keine Chance mehr auf Einsätze haben, ist nicht gänzlich aufgegangen. Am Willen des Vereins lag es nicht. Trainer Thomas Reis hat frühzeitig allen Betroffenen klargemacht, dass er sportlich ohne sie plant, etwa Tom Weilandt, Baris Ekincier, Tarsis Bonga. Lars Holtkamp und am Dienstag noch Ekincier haben sich dazu entschieden, lieber zwei bis drei Klassen tiefer zu spielen als in Bochum nur auf der Tribüne zu hocken. Weilandt und Bonga bleiben ebenso wie Raman Chibsah.

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Sportlich schwer nachzuvollziehen – finanziell schon

Der Markt in dieser zweit- bis viertklassigen Kategorie ist schwierig auch wegen der Coronakrise. Viele Vereine sind schwer angeschlagen, setzen auf Reduzierung statt auf Aufblähung ihrer Kader. Der Profikader des VfL umfasst nun 27 Feldspieler. Sind mal fast alle gesund, wird es eine Trainingsgruppe zwei geben müssen zumindest bei Teilen des Mannschaftstrainings. Bei Spielen elf gegen elf ist das jetzt schon der Fall.

Mitleid mit den Aussortierten ist nicht angebracht. Auch die Nummer 26 oder 27 verdient bei einem Bundesligisten mehr als in einer zweit- oder drittklassigen Liga. Sportlich kann man die Entscheidung der in Bochum verharrenden Spieler schwer nachvollziehen – finanziell schon. Sie zu verteufeln, wäre daher reiner Populismus. Da mag mal jeder in sich gehen, ob er freiwillig auf deutlich mehr Geld verzichten würde beim Wechsel seines Arbeitgebers.

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Der VfL Bochum muss in Zukunft höhere Transfereinnahmen erzielen

Der VfL Bochum wird auch in Zukunft auf eine ausgeglichene Transferbilanz angewiesen sein. Um handlungsfähiger zu werden und selbst Geld für Ablösen in die Hand nehmen zu können, muss er es wieder schaffen, höhere Transfereinnahmen zu generieren.

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Die Zeichen stehen gut. Maxim Leitsch würde im Transferfall im kommenden Sommer Geld bringen nach seiner Vertragsverlängerung. Wenn Armel Bella-Kotchap so weiterspielt wie gegen Mainz und in Köln, könnte er den Klub eines Tages ganz allein sanieren.

Armel Bella-Kotchap könnte den Klub ganz allein sanieren

Bella-Kotchap ist 19 Jahre jung, sein Vertrag gilt bis 2024 und enthält laut Klub keine Ausstiegsklausel. Sein Marktwert wird aktuell auf sieben Millionen Euro geschätzt. Zeigt der Innenverteidiger der internationalen Fußballwelt vor allem bei den besonders beobachteten Spielen gegen die Topstars von Bayern und Dortmund, gegen Robert Lewandowski und Erling Haaland, seine ganze Klasse, wird der Preis noch deutlich steigen.

Unterm Strich hat der VfL Bochum wirtschaftlich und sportlich eine gute Sommertransferbilanz vorzuweisen und trotz der coronabedingten Verluste eine gute Perspektive für die Zukunft – selbst bei einem Abstieg.