Bochum. . Ismail Atalan erstarrt nicht in Ehrfurcht vor seiner Aufgabe beim VfL Bochum. Der 37-Jährige ist nicht gekommen, um eine Euphorie auszulösen.
Ismail Atalan betritt das Podest. Er schaut verwirrt. „Wo muss ich denn sitzen?“ Er fragt das, weil er es noch nicht weiß. Es ist seine erste Spieltags-Pressekonferenz. Atalan startet am Freitag in seine erste Saison als Trainer des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum. Und es wirkt fast so, als wäre die Frage nach dem Sitzplatz die letzte Unklarheit, die vor seinem ersten Punktspiel noch geherrscht hat.
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Wenig später prasseln dann die Fragen auf ihn ein. Konnte er seine Mannschaft auf das Auftaktspiel gegen den FC St. Pauli (20.30 Uhr/ live bei uns im Ticker) gut vorbereiten? Wer spielt in der Abwehr? Wer im Sturm? Atalan steht im Zentrum der Aufmerksamkeit – bei den Fans hat die Verpflichtung des jungen Trainers mit dem erfrischenden Auftreten sogar Hochstimmung entfacht. Sie glauben, dass es mit dem 37-Jährigen endlich etwas wird mit dem ersehnten Aufstieg in die Bundesliga.
Die Voraussetzungen dafür sind so gut wie lange nicht. Zum einen, weil die Liga besonders ausgeglichen ist, in dieser Saison die klaren Favoriten fehlen. Zum anderen, weil sich der VfL zielgerichtet verstärkt hat: Der Wechsel von Lukas Hinterseer vom Bundesliga-Absteiger FC Ingolstadt nach Bochum sowie der Wechsel des australischen Nationalspielers Robbie Kruse haben die große Hoffnung bestärkt.
Das Wort "Aufstieg" geistert beim VfL Bochum überall herum
Dieser euphorische Zustand ist ihm selbst weniger lieb, erklärt Atalan in einer kleineren Gesprächsrunde. Er arbeite lieber im Hintergrund sagt er und ergänzt: „Ich bin eigentlich nicht gekommen, um hier eine Euphorie auszulösen.“
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Doch dagegen kann er sich nicht wehren. „Das Wort Aufstieg geistert hier überall herum“, weiß er. Doch er wolle erst einmal gut in die Saison starten. Das hat nichts damit zu tun, dass er sich mit dem Ziel nicht identifizieren kann, ganz im Gegenteil. Atalan, der zuletzt den Drittligisten Sportfreunde Lotte bis ins DFB-Pokalviertelfinale geführt hatte, meint damit, dass er seine Art zu arbeiten auch in Bochum fortsetzt. Die besteht aus akribischer Vorbereitung auf jeden Gegner – mit unbedingtem Siegeswillen. Der hat ihn schließlich nach oben gebracht.
Jetzt arbeitet er bei einem Klub, der eine große Geschichte hat, der eine feste Größe im Ruhrgebiet ist.
Die Spieler dürfen Atalan duzen
Davor, diese Vermutung drängte sich schleichend auf, könne so ein junger Trainer doch in Ehrfurcht erstarren. Doch keine Sorge, versichert Atalan, er habe seine Forderungen gegenüber Sportvorstand Christian Hochstätter deutlich formuliert. Daraufhin hat es Veränderungen gegeben.
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Zunächst bestimmte Atalan einen neuen Kapitän: Statt Patrick Fabian trägt Felix Bastians fortan die Binde. Zudem hat er die Räumlichkeiten umbauen lassen, hat Zonen für die Spieler bestimmt, zu denen er und sein Trainerteam keinen Zutritt haben. Er und seine Kollegen sitzen in einem Büro – für Einzelgespräche hat er ein kleines Zimmer einrichten lassen. Die Anrede ist fortan vertrauter: Seine Spieler dürfen ihn duzen. „Sie sollen aber Trainer zu mir sagen“, ergänzt er. So wahre er Distanz.
Das alles klingt so kuschelig. Als gäbe es an der Castroper Straße nur noch Zuckerbrot. „Meine Spieler wissen, dass ich auch eine Peitsche benutzen kann“, sagt Atalan.
Mancher Profi mag das gefühlt haben, als der neue Trainer kam und den Kampf um die Stammplätze neu eröffnete. Nur noch „sechs, vielleicht sieben Spieler“, betont Atalan, können sich eines Platzes im ersten Aufgebot sicher sein. Die anderen können sich heute für die übrigen Plätze empfehlen: beim Heimspiel gegen St. Pauli.