Gelsenkirchen. Wer über die 250 Millionen Euro Schulden des FC Schalke 04 spricht, der muss über die Arena reden. Sie ist ein Schmuckstück, belastet den Verein aber finanziell. Trotzdem jagte Schalke parallel die erste Meisterschaft seit 1958 - und operierte mit hohem Risiko.
Auf alten Fotos sieht man sie noch. Junge Männer mit schwarz verschmierten Gesichtern, glücklich lächelnd, froh, ein Abenteuer überstanden zu haben. Einmal im Jahr traten die Fußballer des FC Schalke 04 früher zur Grubenfahrt an, auf Auguste Victoria oder Consolidation. Die Zeiten sind lange vorbei, auch wenn zur Seele dieses hoch emotionalen Vereins gehört, dass bei jedem Heimspiel das Lied vom Steiger gespielt wird. Doch wer heute über Schalke und Kohle redet, meint Geld.
Schalkes Finanzen sind seit Wochen das große Thema. Am Tag nach dem Vertrag mit der städtischen Gelsenkirchener Gesellschaft für Energie und Wirtschaft (GEW), der Schalke 25,5 Millionen Euro einbringt, bleiben Fragen. Vor allem die: Wie konnte der Verein mit insgesamt 250 Millionen in Schieflage geraten?
Wer über Schalkes Schulden spricht, muss über Schalkes Prachtstück reden: die Arena. 1998 begann der Verein mit dem Bau eines modernen Fußballstadions, und das aus guten Gründen. Das Parkstadion, eine damals fast 30 Jahre alte Betonschüssel ohne große Atmosphäre, war nicht mehr zeitgemäß. Knapp 200 Millionen Euro kostete das Arena-Projekt, dessen Finanzierung sich auf einen Kredit über 115 Millionen Euro stützt. Abgesichert durch eine Landesbürgschaft. „97 Millionen Euro hat der Verein geschultert”, sagt Schalkes Geschäftsführer Peter Peters nicht ohne Stolz. Die Arena wurde bei ihrer Eröffnung bestaunt und gefeiert, sie war das Vorbild für ähnliche Bauten. Aber sie belastet den Verein finanziell wie ein Mühlstein.
Trotzdem, und diese Philosophie verteidigen Schalkes Bosse mit Zähnen und Klauen, versuchte der Verein parallel dazu, den sportlichen Erfolg zu erzwingen, immer auf der Jagd nach der ersten Meisterschaft seit 1958. „Dabei”, räumt Peters ein, „haben wir Fehler begangen.”
Dazu gehört, auch die schrillsten Alarmglocken überhört zu haben. Es ging ja irgendwie, zumindest solange Schalke an die fetten Geldtöpfe des internationalen Fußballs kam. Die Champions League gilt unter den Vereinen als Lizenz zum Gelddrucken, sie bringt Zusatzeinnahmen von gut und gerne über 20 Millionen Euro pro Saison. Schalke kassierte – und gab aus. „Wir haben”, gesteht Peters heute, „damals zu wenig Schulden abgetragen und auf Vorschlag der sportlichen Leitung zu viel in die Mannschaft investiert.”
Schechter-Anleihe als "Lebensversicherung"
Not macht erfinderisch: Im Jahr 2003 feierte Schalke die Schechter-Anleihe, benannt nach dem Finanzinvestor Stephen Schechter, als „Lebensversicherung”. Der Deal: Schalke erhielt insgesamt über 85 Millionen Euro. Damit wurden die quälenden Altschulden in längerfristige Verbindlichkeiten umgewandelt.
Vier Jahre später trat der russische Energie-Riese Gazprom zur rechten Zeit auf, der die Victoria-Versicherung als Trikotsponsor ablöste und neues Geld in die Kassen spülte. Bevor Gazprom gekommen sei, gestand Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies später, hätten ihm die Schalker Finanzen schon ab und zu den Schlaf geraubt. Trotzdem beauftragte der damalige Schalker Finanzchef Josef Schnusenberg Stephen Schechter ein zweites und drittes Mal, Geld zu besorgen, weil finanzieller Aufwand und sportlicher Ertrag nicht in Einklang standen.
Der Verein ließ sich den Vertrag mit Gazprom teilweise auszahlen. 44,7 Millionen Euro flossen so in die Kassen. Gleiches geschah später mit dem bis 2018 laufenden Ausrüstervertrag mit Adidas, der noch einmal auf einen Schlag 12,7 Millionen brachte.
Der zweitteuerste Kader der Liga produzierte Mittelmaß
Mit welchem Risiko Schalke operierte, zeigt die letzte Saison. Der damalige Manager Andreas Müller griff bei Spielern daneben, er lag beim Trainer falsch, und am Ende produzierte der mit 55 Millionen Euro zweitteuerste Kader der Liga nichts als Mittelmaß. Schalke verpasste die Fleischtöpfe des internationalen Geschäfts – einmal zuviel, das Knirschen im Gebälk war nicht mehr zu überhören.
Die akute Not scheint mit dem GEW-Geschäft behoben zu sein. Aber ob Schalke jemals schuldenfrei sein kann? „Nahezu”, glaubt Peters, „2023, wenn die Anleihe abgelöst ist”.
Doch nachvollziehbar ist das Schalker Finanzgebaren bisher nicht wirklich. Es gibt eine Holding, es gibt Tochterfirmen, die letzte Veröffentlichung einer kompletten Konzernbilanz liegt Jahre zurück. Hätte Schalke ohne die neue Finanzspritze der Überschuldung gedroht? Die Frage, die Beobachter durchaus für angemessen halten, empfindet Peter Peters als absurd.
Sie nennen sich auf Schalke immer noch „Die Knappen”. Fragt sich, welche Branche gemeint ist: Bergbau oder Finanzen?