Gelsenkirchen/Frankfurt. Jede Menge Schulden, aber dennoch die Bundesliga-Spielberechtigung: Der Fall Schalke 04 wirft viele Fragen auf. Wie stichhaltig ist das Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga (DFL), das von der Europäischen Fußball-Union als richtungsweisend betrachtet wird?
Die finanzielle Zulassungsprüfung für die Champions League, die ab 2012/13 eingeführt werden soll, orientiert sich schließlich weitgehend an den bestehenden Lizenzierungskriterien für die Bundesliga. Die Nachlizenzierungsprüfung, von der im Fall Schalke jetzt viel die Rede ist, gibt es erst seit drei Jahren. Sie wurde eingeführt, um festzustellen, ob sich erhebliche Abweichungen ergeben zwischen den Zahlen, die der Liga im Frühjahr eingereicht wurden, und dem faktischen Stand im Herbst - also nach der Transferperiode im Sommer.
In diesem Jahr müssen sich 23 der 36 Profivereine dieser Nachlizenzierungsprüfung unterziehen. Die Kernfrage bei dieser Reifeprüfung im Herbst lautet: Wurde mehr ausgegeben als im Frühjahr versprochen oder wurde weniger eingenommen? Wenn ja, wissentlich oder unverschuldet? Das zentrale Problem dabei ist: Die DFL darf nur darüber befinden, ob ein Verein noch genug Geld in der Kasse hat, seine Spieler und Platzwarte bis zum Saisonende zu bezahlen (Liquidität). Sie darf in der Frage der Lizenzvergabe nicht über den wahren Schuldenstand des Vereins und vor allem seiner Tochtergesellschaften befinden. Das hat in den 80er Jahren 1860 München in einem Urteil vor dem Oberlandesgericht Frankfurt erstritten. Damals war noch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für die Lizenzierung zuständig.
Ein Beispiel soll zur Verdeutlichung dienen. Wenn ein Verein der DFL im Herbst sagt, „Meine Oma hat mir 5000 Euro geliehen, damit ich über die Runden komme“, dann ist das noch glaubwürdig. Es würde nicht in Frage gestellt. Wenn die Oma aber fünf Millionen Euro verliehen haben soll, ist das nicht mehr plausibel. Die DFL aber muss glauben, dass der Verein plötzlich hinreichend Geld hat, um bis zum Saisonende über die Runden zu kommen - auch wenn die Tochtergesellschaft, die das frische Geld bringt, sich bis über den Kragen verschuldet. Hier genau liegen die Schwierigkeiten der DFL, die nicht in die Bilanzen der Tochtergesellschaften blicken darf. Was den Fall Schalke besonders pikant macht, ist die Rolle von Peter Peters. Der ist Geschäftsführer der Königsblauen und dort für die Finanzen zuständig.
Gleichzeitig ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der DFL GmbH. Über Lizenzierungsfragen entscheidet aber die Geschäftsführung der DFL, in erster Instanz also der Vorsitzende Christian Seifert, sein Vertreter Holger Hieronymus, der Geschäftsführer Finanzen und Lizenzierung, Christian Müller, sowie der Geschäftsführer Marketing und Kommunikation, Tom Bender. Rein formal hat Peters demnach mit Entscheidungen über Schalke nichts zu tun. Rein formal. (sid)