Gelsenkirchen. Mike Büskens ist zum dritten Mal vorübergehend Cheftrainer von Schalke 04. Keiner steht so sehr für die Stadt Gelsenkirchen und den Klub wie er.
Ende Februar 2019 hielt sich Mike Büskens gerade in China auf, als bei ihm mitten in der Nacht um 1.30 Uhr das Telefon klingelte. Ein Interview hatte er zugesagt, es sollte um das anstehende Bundesliga-Spiel zwischen seinen Ex-Klubs Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf gehen. Launig wie immer gab er Auskunft - doch von Müdigkeit war bei ihm selbst dann keine Spur, als die Interviewfragen längst abgearbeitet waren. "So, jetzt reden wir über Schalke", sagte er. So ist er, so ist Mike Büskens, Neun-Spiele-Cheftrainer von S04. Einer, der Schalke und die Stadt Gelsenkirchen verkörpert wie kaum ein anderer.
Büskens hatte auf Schalke schon viele Funktionen
Am Montag, als er zum Cheftrainer gemacht wurde, hatte Büskens einen besonderen Jahrestag: Exakt 30 Jahre zuvor war sein Wechsel von Düsseldorf ins Ruhrgebiet verkündet worden. 23 Jahre alt war er seinerzeit. In den folgenden drei Jahrzehnten hatte Büskens viele Rollen bei den Königsblauen - er war Profi, U23-Trainer, Co- und Interimstrainer der Profis, Mitglied im Sportbeirat, Ansprechpartner für Leihspieler, Repräsentant der Knappenschmiede in China, hatte teilweise mehrere Jobs auf einmal. Und selbst wenn er gerade einmal kein offizielles Amt auf Schalke hatte, zog es ihn immer wieder zum Trainingsgelände - und wenn er einfach nur die Übungseinheiten der jeweiligen Cheftrainer beobachtete.
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Die Verbindung zur Stadt behielt er mit seiner Familie sowieso. Seine Frau ist gebürtige Gelsenkirchenerin, seine beiden Töchter sind in der Stadt geboren. Sie blieben, als er selbst zwischenzeitlich in Fürth (2009 bis 2013) und Wien (2016) arbeitete. Zugunsten der Stadt startete er sein Charity-Projekt "Mike macht Meter", er und seine Unterstützer sammeln über zurückgelegte Lauf-Kilometer Geld für einen guten Zweck. Büskens spendet dann zum Beispiel für Obdachlose. Nichts davon macht er aus Publicity-Sucht.
In all den Jahren hat Büskens so viele Anekdoten gesammelt, dass ein Abend nicht reichen würde, sie alle zu erzählen. Ausnahmsweise nichts mit Schalke zu tun hat die Geschichte, wie er zu seinem Spitznamen gekommen war: Schon zu seinen Zeiten bei Fortuna Düsseldorf hatte er sich beim Aufwärmen auf dem Trainingsplatz immer wieder mal gerne ins Tor gestellt und wurde deshalb „Buyo“ gerufen – nach dem legendären Real-Madrid-Torwart. Mike nennt ihn in Gelsenkirchen niemand. Er ist Buyo.
Schalke: Büskens lieferte viele Anekdoten
Im Tor, das ist so eine Anekdote, stand er sogar einmal. Im September 1992 war das, als Schalke in Leverkusen spielte und nicht mehr auswechseln konnte, nachdem sich Torwart Jens Lehmann schwer verletzt hatte. "Wir hatten Anstoß, verlieren den Ball und schon macht es Klingelingeling“, erzählte Büskens später, der drei Tore in der halben Stunde zwischen den Pfosten kassierte. "Der einzige von mir gefangene Ball war ein Rückpass von Thommy Linke“, sagte er schmunzelnd. Als Erinnerung an diese Heldentat hatten ihm die Kollegen später ein T-Shirt mit einem Bild von dieser Szene geschenkt.
Kult-Status bei den Schalke-Fans erreichte Büskens im November 1996, als er im Schnee von Brügge das Tor seines Lebens schoss. Im Uefa-Cup-Achtelfinale trat S04 im Hinspiel beim FC Brügge an, verlor zwar mit 1:2, aber Büskens hatte mit einem tollen Drop-Kick-Hammer in den Winkel das wichtige Auswärtstor erzielt. „Ein sensationelles Tor“, kommentierte seinerzeit Reporter Heribert Faßbender: „Ein Tor für Fußballfeinschmecker." Später gewannen die "Eurofighter" den Uefa-Pokal - und immer noch mit diesem Begriff in Verbindung gebracht zu werden, macht Büskens bis heute stolz.
Büskens denkt sehr traditionell, was im zuweilen schmutzigen Fußball-Geschäft immer seltener wird - zu seiner Rhetorik gehören fest die Begriffe "Werte", "Zusammenhalt" und "gemeinsam". Seine Gestik ist wuchtig, bei Toren rennt er gern auf den Platz, schmeißt sich auf den Spieler-Jubelhaufen. Er trägt lieber Trainingsjacke und kurze Hose als einen Designer-Anzug. Gerald Asamoah, eine weitere Klub-Legende, zählt zu seinen engeren Freunden, Jahrhunderttrainer Huub Stevens zu den wichtigsten Ratgebern.
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Harmonisch war sein Verhältnis zu Schalke aber nicht über die kompletten 30 Jahre - einmal, als Trainer von Greuther Fürth, gewann er sogar einmal gegen S04 in der Arena. Weitere Beispiele: Im Sommer 2009 zum Beispiel lehnte es Felix Magath ab, den zuvor als Interimstrainer amtierenden Büskens in sein Trainerteam zu übernehmen. Darüber wurde er seiner Ansicht nach zu spät in Kenntnis gesetzt. "Von einem Verein wie Schalke 04 hätte ich mir einen offeneren Umgang gewünscht - mit dem gesamten Trainerteam", sagte er damals.
Als im April 2021 der Abstieg in die Zweite Liga besiegelt war und Schalkes Spieler nach der Rückkehr vom Auswärtsspiel in Bielefeld von Fans attackiert wurden, bekam auch Büskens etwas ab. So etwas hätte er nie für möglich gehalten. Und kurzzeitig dachte er auch an einen Rückzug. "Als sich um zwei Uhr nachts alles etwas beruhigte, dachte ich: Mike, das war's, du kommst nie wieder", sagte er später.
Büskens über Cheftrainer-Job: "Brauche ich nicht für mein Glück"
Kam er aber doch - denn einer wie er steht zu seinem Wort, vor allem, wenn es um Königsblau geht. Und 2021 hatte er schließlich den Job bekommen, für den er sich schon ein paar Jahre zuvor bereit (und sich ein ums andere Mal übersehen) fühlte: als ewiger Co-Trainer. "Im Profifußball habe ich als Cheftrainer einiges erlebt, bis zur Entlassung. Das brauche ich nicht für mein persönliches Glück. In der jetzigen Position kann ich viel nachhaltiger für den Klub arbeiten", sagte er. Interviews gibt er selten - nach Jahrzehnten im Geschäft er äußert sich inzwischen lieber bei Instagram.
Über die sozialen Netzwerke verkündete Büskens nun am Tag nach seiner Installierung als Chef, warum es ihn doch noch einmal in die erste Reihe zieht. "Hier geht es nicht um Mike Büskens, sondern um den Klub, den Verein. (...) Wir können es nur gemeinsam schaffen", sagte er. So ist er, so ist Buyo.