Paris/Hannover. Nach einer Nacht mit Angst und Schrecken kehren die deutschen Weltmeister wohlbehalten aus Paris zurück. Die Mannschaft hatte die ganze Nacht nach dem Länderspiel gegen Frankreich im Stadion verbracht. Ob das Jahresabschlussspiel gegen die Niederlande stattfindet, ist offen.
Nach der eiligen Rückkehr aus Paris hat Joachim Löw seine von den Terroranschlägen gezeichneten Fußball-Weltmeister erst einmal nach Hause zu ihren Familien geschickt. Dort sollten die 24 Akteure um Kapitän Bastian Schweinsteiger nach einer schlaflosen Nacht im Stade de France "erstmal durchatmen und bei ihren Liebsten sein können", sagte Teammanager Oliver Bierhoff am Samstag nach der Landung einer kurzfristig von der Lufthansa nach Frankreich entsandten Maschine auf dem Flughafen Frankfurt/Main.
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"Dann schauen wir weiter", ergänzte Bierhoff mit Blick auf die nun zentrale Entscheidung des DFB über die Austragung des für Dienstag (20.45 Uhr) in Hannover angesetzten Länderspiels gegen die Niederlande. Dominierend für alle Beteiligten waren immer noch die beklemmenden Stunden nach den miterlebten Anschlägen in Frankreichs Hauptstadt am Freitagabend während der Partie gegen den EM-Gastgeber. Die 0:2-Niederlage war völlig nebensächlich, die Betroffenheit über die weit mehr als hundert Todesopfer und die Sorge um die eigene Sicherheit beherrschten die Szenerie in der Mannschaftskabine.
DFB-Team verbrachte Nacht im Stadion
"Wir waren schockiert und stark berührt", berichtete Bierhoff. Die Spieler erhielten besorgte Telefonanrufe und Nachrichten aus der Heimat. "Man hat es einfach gemerkt: Auch die Spieler waren sehr ängstlich", sagte der Manager.
Der DFB-Tross hatte mit über 60 Personen die gesamte Nacht im Stadion ausgeharrt. Eine nächtliche Fahrt durch die halbe Stadt mit dem Mannschaftsbus ins Teamhotel schied aus Sicherheitsgründen aus. Erst als das Flugzeug am Samstagmorgen von der Startbahn des Flughafens Charles de Gaulle abhob, sanken einige Spieler erschöpft in einen kurzen Schlaf. Die Gedanken seien natürlich auch bei den Angehörigen der Opfer, sagte Bierhoff zurück auf deutschem Boden. Auf seiner Internetseite schrieb der DFB unter der Überschrift "#NousSommesUnis" auf schwarzem Hintergrund: "Wir sind vereint: Unsere Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen von Paris."
DFB-Führung gegen Absage des Niederlande-Tests
Die DFB-Interimsführung mit Ligapräsident Reinhard Rauball und dem bayerischen Verbandschef Rainer Koch sprach sich trotz der extremen Situation gegen eine Absage der Partie gegen die Niederländer aus. Er sei persönlich der Auffassung, dass man "der Gewalt nicht weichen sollte", begründete Rauball: "Man darf denen, die uns das angetan haben, nicht den Triumph gönnen." Koch betonte, dass natürlich "bei allem die Vorgaben der Sicherheitsbehörden zu beachten" seien. "Grundsätzlich sehe ich den DFB und die Nationalmannschaft aber auch in der gesellschaftspolitischen Verantwortung, das klare Zeichen auszusenden, dass unser Rechtsstaat dem Terror nicht weichen darf."
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Eine "finale Entscheidung" über die Austragung des Spiels werde die Verbandsspitze am Sonntag "gemeinsam treffen", also zusammen mit Bundestrainer Löw und Teammanager Bierhoff. Ursprünglich hatte die DFB-Auswahl am Sonntag von Paris nach Hannover fliegen sollen. In der Sportschule Barsinghausen sollte sich die Mannschaft auf das letzte Länderspiel des Jahres gegen die Holländer vorbereiten. Nach dem Suizid von Nationaltorhüter Robert Enke im November 2009 hatte der DFB zuletzt ein Länderspiel gegen Chile abgesagt.
"Druckwellen" waren bis zur Ersatzbank spürbar
Der Spieltag in Paris hatte für die deutschen Spieler nach einer Bombendrohung gegen das Teamhotel bereits mit einem "großen Schreck" (Bierhoff) begonnen. Während der Partie waren in dem mit fast 80 000 Zuschauern gefüllten Endspielstadion für die Europameisterschaft 2016 drei gewaltige Detonationen zu hören gewesen. Es gab dabei vier Tote, darunter nach Medienberichten auch Selbstmordattentäter.
Die "Druckwellen" seien bis auf die Ersatzbank zu spüren gewesen, wurde Rauball berichtet. "Wir sind alle erschüttert und schockiert", sagte Bundestrainer Löw unmittelbar nach dem Abpfiff der Partie, die eigentlich EM-Vorfreude wecken sollte.
Rauball klingelte de Maizière aus dem Bett
Fieberhaft arbeitete der DFB-Stab in der Nacht daran, Spieler und Betreuer schnellstmöglich zurück nach Deutschland zu bringen. Rauball klingelte sogar Bundesinnenminister Thomas de Maizière weit nach Mitternacht aus dem Bett. Der CDU-Politiker habe sich darum bemüht, über die Luftwaffe eine Maschine nach Paris zu senden.
"Es haben viele daran mitgewirkt, dass die Mannschaft hier in Frankfurt landen konnte", sagte Rauball. Erleichtert, aber immer noch bestürzt. Der Dortmunder Mats Hummels brachte in einer auf Englisch verfassten Twitter-Meldung seinen verlorenen Glauben an die gerade jetzt "beschissene" (fucked up) Welt zum Ausdruck.
Eine Delegation um Bundestrainer Löw und Teammanager Bierhoff wird in nur vier Wochen schon wieder in Paris erwartet. Dann will die UEFA an der Seine in einer feierlichen Zeremonie die Vorrundengruppen für die EM-Endrunde vom 10. Juni bis 10. Juli 2016 in Frankreich auslosen. (dpa)
DFB-Team sprachlos nach "feigen Anschlägen"
Frankfurt/Paris (dpa) - Nach der Rückkehr aus Paris hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine gemeinsame Stellungnahme zu den für sie alptraumhaften Geschehnissen beim Länderspiel gegen Frankreich abgegeben. Man habe nach den Terrorakten mit mehr als 100 Toten während der sorgenvollen Stunden im Stade France viel nachgedacht, aber keine Antwort gefunden, "die diese feigen Anschläge erklären kann", heißt es in der auf der DFB-Homepage veröffentlichten Mitteilung. Die Bilder würden alle noch lange begleiten.
Die Erklärung im Wortlaut:
"Wir sind nach Paris gekommen, um das zu tun, was uns alle verbindet. Fußball zu spielen, miteinander, gegeneinander, in Freundschaft. Um gemeinsam mit den Fans einen schönen Abend zu erleben, sportlich ehrgeizig, aber vor allem friedlich und fair. Wir haben uns auf das Stade de France gefreut, auf einen Fußballabend, der für uns alle in einem Alptraum endete.
Es war ein dumpfer Knall, der alles verändert hat. Und der die Bilder gebracht hat, die uns noch lange begleiten werden. Wir haben die Nacht im Stadion viel nachgedacht. Wir haben uns gefragt, warum so etwas passieren kann? Wie so viel Unmenschlichkeit möglich ist? Antworten haben wir viele gefunden, aber keine, die diese feigen Anschläge erklären kann. Wir haben am Freitag ein Fußballspiel verloren - und es gibt nichts, was in diesem Moment unwichtiger war."
Hummels: "Diese Welt ist jetzt wirklich beschissen"
MATS HUMMELS (Borussia Dortmund): "Zurück in Deutschland. Unglaublich, was gestern passiert ist. Diese Welt ist jetzt wirklich beschissen. Meine Gedanken sind bei denjenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben."
ILKAY GÜNDOGAN (Borussia Dortmund): "Wir sind sicher angekommen. Nach einer schockierenden Nacht sind unsere Gedanken bei all den Leuten, die von den Attacken betroffen sind."
ANDRE SCHÜRRLE (VfL Wolfsburg): "Was für eine schreckliche Nacht. Meine Gedanken sind bei den Familien, die ihre Liebsten verloren haben."
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MARIO GÖTZE (Bayern München): "Unglaublich - was für eine Tragödie. Meine Gebete gelten den Opfern und ihren Familien."
TONI KROOS (Real Madrid): "Was ist das für eine kranke Welt?"
ANTONIO RÜDIGER (AS Rom): "Wir sind gesund zurück, aber was bleibt, ist ein Schock und die Trauer über all die Opfer und ihre Familien."
BERND LENO (Bayer Leverkusen): "Wir sind daheim gesund angekommen und können nun zu unseren Familien. Meine Gedanken sind aber bei den Opfern und deren Familien."
PAUL POGBA (Juventus Turin): "Das ist kein Angriff auf Paris, das ist eine weitere Attacke auf die Menschheit. Menschen aus einigen Religionen und Ländern hassen die Freiheit und die Werte des Westens. Sie wollen herkommen, um andere Menschen zu töten. Diese Terroristen werden wir besiegen. Die Kraft der Franzosen und der ganzen Welt muss steigen. Steht auf und sagt nein zu diesen Terroristen und Religionen. Baut keinen Hass auf, seid gute Menschen und verändert die Welt positiv."
ANTOINE GRIEZMANN (Atlético Madrid): "In Gedenken an die Opfer der Attacken. Ich danke Gott, dass es meine Schwester rechtzeitig aus dem Bataclan geschafft hat. Meine Gebete gelten den Opfern und ihren Familien."
LAURENT KOSCIELNY (FC Arsenal): "Keine Worte. So traurig. Beten."
Cousine von Nationalspieler Diarra bei Terrorserie in Paris getötet
Der französische Fußball-Nationalspieler Lassana Diarra trauert um eine bei den Terrorakten in Paris getötete Cousine. Der 30 Jahre alte Profi von Olympique Marseille wandte sich am Samstagabend mit einer Botschaft via Twitter und Facebook an seine Fans und bestätigte die schreckliche Nachricht. Mit schwerem Herzen ergreife er das Wort, schrieb Diarra. Sein Cousine sei für ihn ein Bezugspunkt gewesen, eine große Schwester.
"In diesem Klima des Terrors ist es für uns alle wichtig, die wir dieses Land mit seiner Vielfältigkeit repräsentieren, das Wort zu ergreifen und vereint zu bleiben gegen einen Horror, der weder Farbe noch Religion hat", schrieb Diarra. "Lasst uns alle zusammen die Liebe verteidigen, den Respekt und den Frieden."
Bei welchem der Anschläge am Freitag an insgesamt sechs Orten in Paris und dem Vorort Saint-Denis, wo Diarra mit der Nationalmannschaft mit 2:0 gegen Weltmeister Deutschland gewonnen hatte, seine Cousine zum Opfer der Attentäter wurde, präzisierte Diarra nicht.
Auswahlkollege Antoine Griezman war ebenfalls persönlich betroffen von den grausamen Ereignissen, die nach letztem Stand 129 unschuldige Menschen das Leben gekostet hatte. Seine Schwester hatte aber den Musikclub Bataclan verlassen können.
Frankreich-Testspiel am Dienstag in England soll stattfinden
Das Testspiel von EM-Gastgeber Frankreich am kommenden Dienstag im Londoner Wembley-Stadion gegen England soll trotz der Terrorattacken von Paris ausgetragen werden. Das berichtete die Sportzeitung "L'Équipe" auf ihrer Internetseite mit Berufung auf den Französischen Fußballverband FFF. Nur im Falle einer konträren Entscheidung der Sicherheitsbehörden müsste die Partie ausfallen.
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Alle geplanten Länderspiele und EM-Qualifikationspartien finden wie vorgesehen am Samstag statt. Bei den weiteren Playoff-Partien zur EM 2016 und Länderspielen unter der Regie der UEFA wird es jeweils vor dem Anpfiff eine Schweigeminute geben. Das kündigte die Europäische Fußball-Union am Samstag an. Zudem werden "alle Mannschaften, die in den kommenden Tagen in UEFA-Wettbewerben spielen, nach den Vorfällen in Paris mit Trauerflor auflaufen", hieß es in einer UEFA-Mitteilung. Zuvor hatte der Verband bereits dem Gastgeberland der EM 2016 Unterstützung und Solidarität zugesagt und sich "zutiefst schockiert und traurig" gezeigt. (dpa)