Dortmund. Im Interview mit Redakteur Daniel Berg spricht BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über den Vergleich mit Europas Topklubs, fehlenden Respekt vor der Dortmunder Entwicklung, die Kaderplanungen für die kommende Saison und die Emotionalität von Trainer Jürgen Klopp.
Herr Watzke, steht am Freitag ein Flieger bereit, um Sie zur Halbfinal-Auslosung der Champions League am Freitag zu bringen?
Hans-Joachim Watzke: Nein. Aber wir würden schon noch rechtzeitig hinkommen, keine Sorge.
Wie viel Geld würden Sie auf den Halbfinaleinzug des BVB wetten?
Watzke: Ich wette nicht, habe ich noch nie. Ich bin ein rationaler Mensch. Aber ich kann mit Wahrscheinlichkeiten umgehen und weiß, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Real am Freitag zur Auslosung fliegt, größer ist, als die, dass wir in die Maschine steigen. Gleichwohl wollen wir das Spiel gewinnen.
Was haben Sie während des Hinspiels gedacht?
Watzke: Ich hatte im Hinspiel keine allzu hohe Erwartungshaltung, weil ich wusste, in welcher personellen Ausnahmesituation wir antreten würden. Ohne Robert Lewandowski und all die anderen Nationalspieler hatte ich erwartet, dass es außergewöhnlich sein würde, wenn wir in Spanien ein besonders gutes Ergebnis erzielen würden. Hinterher habe ich mich allerdings geärgert, weil mehr möglich gewesen wäre. Mit einem 1:3 wären unsere heutigen Chancen deutlich höher.
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Haben Sie noch Hoffnung?
Watzke: Die Hoffnung stirbt zuletzt – sagt man ja mit Recht. Natürlich wollen wir ein gutes Spiel abliefern – und wenn wir das Gefühl haben, dass Real etwas zulässt, dann werden wir da sein. Ob es dann in der jetzigen personellen Situation die reine Freude wäre, noch ein Halbfinale zu bestreiten während unsere Bundesliga-Konkurrenten während der Woche spielfrei haben, ist die andere Sache. Denn natürlich wollen gerne auch gerne den zweiten Platz in der Liga verteidigen.
Ihr Trainer Jürgen Klopp hat den BVB als das Aschenputtel des Viertelfinals bezeichnet. Teilen Sie seine Ansicht?
Watzke: (Lacht) Wenn man die anderen sieben Namen in diesem Viertelfinale sieht und schon vor der Auslosung weiß, dass es unglaublich schwer wird, dann ist das durchaus ein stimmiges Bild.
Der Erfolg des BVB ist "eine besondere Leistung"
Es gibt Kritiker, die Ihnen vorwerfen, Ihr Understatement zu übertreiben.
Watzke: Mir fehlt in Deutschland ehrlich gesagt ein wenig Respekt vor der Leistung, die Borussia Dortmund auch in diesem Jahr erbracht hat. Dass wir mit unserem Mini-Etat von 70 Millionen Euro – die anderen liegen zwischen 130 und 250 Millionen - zum zweiten Mal in Serie zu den besten acht Klubs Europas gehören, ist außergewöhnlich. Einigen scheint leider das Gefühl dafür abhanden gekommen zu sein, was hier in den vergangenen Jahren bewegt wurde. Ich mache das jetzt im zehnten Jahr und habe es noch kein einziges Mal erlebt, dass wir im April noch in allen drei Wettbewerben vertreten waren. Wenn wir den zweiten Platz in der Liga halten, dann haben wir eine Periode von zwei Meisterschaften und zwei Vize-Meisterschaften plus Pokalsieg und Champions League-Finale. Das gab es bei Borussia Dortmund noch nie. Diesen Erfolg immer wieder herzustellen mit deutlich geringeren Mitteln als andere, ist eine besondere Leistung.
Soll denn der BVB auf ewig das Aschenputtel bleiben? Oder gibt es einen Plan, die wirtschaftliche Lücke zu schließen?
Watzke: Wenn mir irgendjemand sagen kann, wie wir das in ein paar Jahren machen können, dann bin ich gerne bereit, mich mit ihm zu unterhalten. Ich habe aber den Eindruck, dass es diesen Menschen nicht gibt. Bayern hat als deutsche Mannschaft die Lücke zu internationalen Topklubs mehr als geschlossen. Aber die haben dafür 50 Jahre gebraucht. Wir machen das jetzt seit neun Jahren, mit dem Unterschied, dass Bayern immerhin bei Null gestartet ist und wir bei Minus was weiß ich wie vielen Millionen. Wie soll man in drei Jahren die Lücke zum Scheich von Katar schließen? Das hat sich mir nicht erschlossen. Das ist keine Aufgabe von Jahren, sondern von Jahrzehnten. Entscheidend ist für uns, dass wir unter die besten Acht in Europa gekommen sind – und diesen Erfolg anschließend in der Bundesliga nicht teuer durch ein Abrutschen bezahlen mussten. Saison gibt ehrlich gesagt kein klares Bild ab, weil sie mit den vielen Verletzten eine Extremsituation darstellt. Trotzdem stehen wir wieder vor fast allen anderen, die den Angriff auf uns mehr oder weniger vollmundig propagiert haben.
Aber der BVB wird sich doch auch in Zukunft in Europa irgendwo positionieren wollen. Wohin soll die Reise gehen?
Watzke: Wohin noch? Wir sind doch da.
Aber Erfolge werden schwieriger, weil die Konkurrenz millionenschwere Investoren und strategische Partner mitbringt. Ist irgendetwas davon für den BVB auch denkbar?
Watzke: Natürlich wird es schwieriger, in Europa erfolgreich zu sein, aber es ist nicht aussichtslos. Dass es mit kübelweise Geld geht, sieht man an Paris. Da werden Jahr für Jahr hunderte von Millionen reingepunpt. Diese Tür steht uns nicht offen, aber wir werden unseren Weg gehen. Unsere Kultur ist, dass wir keinen Scheich und keinen Oligarchen wollen. Wir wollen es aus eigener Kraft schaffen. Wenn wir uns personell noch einen Tick besser aufstellen und wir von solchen dramatischen Verletzungen verschont bleiben, habe ich jetzt schon das Gefühl, dass wir uns vor niemandem verstecken müssen. Wären wir in Madrid mit der kompletten Mannschaft angetreten, würden wir hier heute über ganz andere Situationen reden.
"Werden uns auf hohem Niveau breiter aufstellen"
Wie soll denn die Mannschaft im nächsten Jahr aussehen?
Watzke: Wir werden versuchen, uns auf hohem Niveau noch breiter aufzustellen. Aber wir müssen das immer in den vorhandene Rahmen kleiden. Durch die Tatsache, dass wir in dieser Saison wieder sehr gut verdient haben, sind wir wieder gewachsen, größer geworden.
Wir werden sicher unser Gehaltsbudget anheben. Wenn wir weiter in der Erfolgsspur bleiben und Geld generieren – vor allem in der Champions League League und beim Sponsoring, wo wir in diesem Jahr neue Höhen erklimmen – , gibt es jedes Jahr mehr Möglichkeiten. Wir werden das, was wir an wirtschaftlicher Kraft hinzugewinnen, vor allem in die Mannschaft investieren.
Lassen sich die Größenordnungen beziffern?
Watzke: Ich habe da klare Vorstellungen im Kopf, aber da bleiben sie auch. Wir werden uns qualitativ und quantitativ für die neue Saison verbessern.
Wie steht es um die Vertragsverlängerung von Ilkay Gündogan?
Watzke: Ich habe den Eindruck, dass sich alle Beteiligten nun im Klaren darüber sind, dass in diesem Monat eine Entscheidung fallen muss. Warten wir ab, wie sie ausfallen wird.
Begleitet Sie dabei ein Gefühl?
Watzke: Wenn ja, würde ich es nicht sagen.
Lewandowski müssen Sie auch ersetzen.
Watzke: Erstmal halte ich fest, dass wir allen Unkenrufen zum Trotz die richtige Entscheidung getroffen haben, ihn zu behalten. Robert hat mit seiner Leistung deutlich dazu beigetragen, dass wir ökonomisch deutlich mehr profitiert haben als von einer Ablöse. Ich warne aber davor zu glauben, dass wir ihn eins zu eins ersetzen könnten. Von seiner Klasse gibt es nur zwei oder drei auf der Welt und die sind für uns unerschwinglich. Wir müssen Lösungen finden, seinen Wechsel im Kollektiv aufzufangen. Bis jetzt haben wir es immer hinbekommen, die zugegeben sehr, sehr hochklassigen Abgänge zu kompensieren. Daher bin ich auch jetzt wieder zuversichtlich.
Watzke verteidigt Klopp - "Jürgen ist echt, total authentisch"
Ihr Trainer Jürgen Klopp ist zuletzt einige Male medial etwas angeeckt. Wie beobachten Sie das?
Watzke: Mit viel Verständnis. Wenn man sich mal die Mühe macht zurückzuschauen, was hier in den vergangenen Jahren erreicht worden ist, sind viele unvorbereitete, platte und teilweise an der Sache vorbeigehende Fragen respektlos. Dass er dann ab und zu schroff reagiert, finde ich nachvollziehbar.
Dass es auch mal schief läuft, gebe ich zu. Zum Beispiel im Interview mit Frau Neumann vom ZDF. Aber das hat er sofort mit einer Entschuldigung begradigt. Wenn man aber meint, sich an einem der größten Trainer der Welt reiben zu können, um seine eigene Bekanntheit zu vergrößern oder sich für einen Job zu empfehlen, der einem möglicherweise mehr Spaß macht, dann sind die Grenzen erreicht. Gerade dem TV empfehle ich, die Funktionen so wahrzunehmen wie sie sind. Wichtig sind bei einem Fußballspiel die Spieler und die Trainer, nicht die Reporter oder Experten. Wichtig ist, dass es um das Spiel geht und nicht um Oberflächlichkeiten. Wenn Klopp seine Autorität in die Waagschale werfen kann, um gegen diese Fußball-Verwässerung anzugehen, dann hat er da meine gesamte Unterstützung und Sympathie.
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Wie sehen Sie ihn als Markenbotschafter des BVB?
Watzke: Gerade unter dem Gesichtspunkt Markenpflege finde ich gut, was er macht. Denn das Credo, an dem sich Borussia Dortmunds Handeln orientiert, lautet nicht: Wir wollen everbody‘s darling sein. Uns ist es wichtig, von innen heraus echt zu sein. Und Jürgen ist echt, total authentisch. Die Medien müssen sich aus meiner Sicht entscheiden, ob sie lamentieren wollen, dass sie von vielen Menschen im Profifußball den gleichen weichgespülten Mist zu hören bekommen, oder von unserem Trainer Klartext. Beides zu beklagen, das meine ich jedenfalls, geht nicht.