Dortmund. Nach dem 0:3 im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales sind die Chancen von Borussia Dortmund auf ein Weiterkommen gegen Real Madrid äußerst überschaubar. Die Spieler allerdings beschwören den letzten Rest Hoffnung - auch wenn personell der nächste Rückschlag droht.
Nein, aufgegeben haben sie noch lange nicht bei Borussia Dortmund. Dabei ist die Ausgangslage vor dem Rückspiel des Champions-League-Viertelfinals gegen Real Madrid (Dienstag, 20.45 Uhr/im Live-Ticker) alles andere als günstig, nachdem das Hinspiel mit 0:3 verloren ging. "Das wird sehr, sehr schwer", sagt Linksverteidiger Erik Durm. "Aber wenn wir uns wieder so viele Chancen herausspielen wie im Hinspiel, werden wir vielleicht ein, zwei Tore machen und können dann aufs Dritte spielen." Realistischer freilich klingt da die Aussage von Innenverteidiger Mats Hummels, der die Wahrscheinlichkeit des Weiterkommens mit drei Prozent beziffert.
Um das "große Wunder" zu schaffen, bräuchte der BVB einen perfekten Spielverlauf, den Kapitän Sebastian Kehl schon einmal grob umrissen hat: "Es wäre gut, wenn wir mit einem frühen Tor ein bisschen Euphorie kriegen und dann etwas Glück haben", sagt er.
Das Mittelfeld bereitet dem BVB große Sorgen
Er selbst wird nicht dabei helfen können, das Glück zu erzwingen, nach der dritten Gelben Karte im laufenden Wettbewerb ist der 34-Jährige gesperrt. "Das tut natürlich weh, vor allem in der jetzigen Situation", klagt Kehl. "Aber ich werde das einbringen, was ich kann. Ob es am Ende ein paar Prozent bringt, weiß ich nicht." Sicher ist, dass die Dortmunder jedes Prozentpünktchen dringend brauchen können - zumal auch der Einsatz von Nuri Sahin wegen Rückenproblemen fraglich ist.
LewandowskiDas wäre bei allen derzeitigen Formproblemen Sahins (DerWesten-Note 5 gegen Wolfsburg) dramatisch, denn dem BVB droht im Mittelfeld damit nach dem Ausfall seiner Bestbesetzung aus Ilkay Gündogan und Sven Bender auch das Wegbrechen der B-Lösung Kehl/Sahin. Es blieben als Kandidaten für die Position Oliver Kirch, Milos Jojic und der Allrounder Kevin Großkreutz, der auch diese Position selbstredend schon bekleidet hat. Deutlich bessere Aussichten gibt es dagegen im Sturm, wo Robert Lewandowski nach seiner Gelbsperre im Hinspiel wieder auflaufen kann.
Selbst ein erneutes 4:1 würde dem BVB diesmal nicht reichen
Den polnischen Nationalspieler hatten die Dortmunder in Madrid sehnsüchtig vermisst, umso mehr freut man sich nun über seine Rückkehr: "Wenn er wieder vier Tore schießt, hätte ich nichts dagegen", sagt Kapitän Kehl.
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Vier Tore - so wie 2013, im Halbfinale, als Lewandowski alle Treffer zum 4:1-Sieg gegen die Königlichen beisteuerte. "Natürlich war das eine große Leistung für mich, aber das ist vorbei", sagt der 24-Jährige. "Und jetzt kommt eine neue Geschichte und ein neues Spiel." Am wichtigsten, so der Stürmer, sei es, keine Angst zu haben. "Wir können auch sehr gut spielen und wenn wir vielleicht in der ersten Halbzeit ein Tor schießen, kriegen wir eine Chance", meint er.
Ein 4:1-Sieg würde wegen der drei Gegentore im Hinspiel dieses Mal allerdings nicht reichen. Da bei einem Unentschieden die auswärts erzielten Tore stärker gewichtet werden, bräuchte der BVB im Falle eines Gegentreffers schon fünf eigene Tore. "Wir müssen also höllisch aufpassen, erstmal die Null verteidigen", sagt Kehl. "Aber wir werden auf jeden Fall alles geben, die Hoffnung stirbt zuletzt."
Ein Tor der Madrilenen wäre allerdings bei aller Wahrscheinlichkeitsrechnung wohl der endgültige Todesstoß.
Wunder sind möglich: Die besten Aufholjagden im Europapokal
10. April 2013:
Borussia Dortmund - FC Málaga 3:2
Unfassbar. In der 90. Minute ist Dortmund noch raus, die erste Halbfinal-Teilnahme seit 15 Jahren verspielt. Málaga führt nach dem gefährlichen 0:0 im Hinspiel mit 2:1. Selbst ein 2:2 würde nicht reichen. Also, was machen die Borussen? Sie schießen die fast für unmöglich gehaltenen notwendigen beiden Tore in der Nachspielzeit einer denkwürdigen Partie. Erst gleicht Marco Reus (90.+1) aus, 120 Sekunden später macht Felipe Santana (im Bild) die Sensation perfekt.
10. April 2008:
FC Getafe - Bayern München 3:3
Es reicht schon, dass die Bayern nur im UEFA-Pokal spielen dürfen. In Getafe droht dann sogar die völlige Blamage, nachdem die Münchner vor heimischem Publikum schon nur ein 1:1 geschafft hatten. Das Rückspiel wird zur Partie der späten Tore. Zuerst rettet Franck Ribéry mit seinem Treffer in der 89. Minute zum 1:1 die Bayern in die Verlängerung. Binnen zwei Minuten zieht der Madrider Vorstadt-Club aber auf 3:1 davon. Dank eines Doppelpacks von Luca Toni (im Bild) in der 115. und 120. Minute erreichen die Bayern unter Coach Hitzfeld doch noch das Halbfinale.
7. Dezember 1999:
Werder Bremen - Olympique Lyon 4:0
Nicht das erste Weser-Wunder. In Zeiten, als Ailton (im Bild) noch rank und schlank war, ging Werder mit der Hypothek eines 0:3 aus dem Hinspiel in die Partie gegen Lyon in de dritten Runde des UEFA-Cups. Marco Bode und Andreas Herzog sorgten für ein 2:0 zur Pause, Frank Baumann und Claudio Pizarro machten die Aufholjagd perfekt.
26. Mai 1999:
Bayern München - Manchester United 1:2
Das wohl größte Fußball-Drama. Finale im Stadion Camp Nou in Barcelona. Bayern führt 1:0 dank Mario Basler. Die Auswechselspieler sind schon in Feierlaune. Doch dann: 1. Minute der Nachspielzeit. 1:1-Ausgleich von Manchester Uniteds Teddy Sheringham. 3. Minute der Nachspielzeit: 1:2 aus Bayern-Sicht. Ole-Gunnar Solskjaer bereitet den Münchnern unter Hitzfeld ein traumatisches Erlebnis der Vereinsgeschichte. Oli Kahn und Mehmet Scholl (im Bild) verfallen in Schockstarre.
6. Dezember 1994:
Borussia Dortmund - Deportiva La Coruna 3:1 n.V.
Dortmund empfängt zum Achtelfinal-Rückspiel La Coruna. Die Westfalen hatten in Spanien 0:1 verloren. Michael Zorc gelingt im zweiten Duell das 1:0 und rettet die Westfalen in Dortmund in die Verlängerung. In der 102. Minute gleicht Alfredo aber aus, Herbstmeister Dortmund ist raus. Selbst der Treffer von Karl-Heinz Riedle (115.) zum 2:1 reicht nicht. Erst als Lars Ricken in der vorletzten Minute trifft, steht Dortmund unter Trainer Hitzfeld im Viertelfinale des UEFA-Pokals. Am Ende kannte der Jubel bei Matthias Sammer, Bodo Schmidt und Stefan Klos (im Bild) keine Grenzen.
3. November 1993:
Karlsruher SC - FC Valencia 7:0
Mit einem 3:1 aus dem Hinspiel im Rücken reiste der FC Valencia zum kleinen Karlsruher SC. Der damaligs spanische Tabellenführer ahnte nichts Böses. Die Truppe von Winnie Schäfer wollte sich damit aber nicht abfinden. Allen voran Edgar Schmitt (rechts im Bild mit Manni Bender). Der Angreifer machte allein vier Tore und schoss den KSC so im Alleingang in die dritte Runde des UEFA-Cups. Danach wurde er umgetauft - in "Euro-Eddy".
11. Oktober 1988:
Werder Bremen - Dynamo Berlin 5:0
Als Manni Burgsmüller in der 80. Minute zum Flugkopfball ansetze (im Bild), war die Werder-Wende geschafft. 0:3 hatte Berlin das Hinspiel im Pokal der Landesmeister gewonnen, nach Kutzop, Hermann und Riedle macht Burgsmüller das vierte Tor für die Bremer. Thomas Schaaf setzte in der Schlussminute noch einen drauf - 5:0.
18. Mai 1988:
Bayer Leverkusen - Espanyol Barcelona 3:0
Klaus Teuber (im Bild) durfte den UEFA-Pokal nur in die Luft stemmen, weil er mit Bayer Leverkusen zuvor eine irre Aufholjagd hingelegt hatte. Das Final-Hinspiel - sowas gab's damals noch - war mit 0:3 an Barcelona gegangen. Tita, Götz und Cha egalisierten das Ergebnis binnen der letzten halben Stunde im Rückspiel. Bayer siegte letztlich mit 3:2 im Elfmeterschießen.
4. November 1987:
Werder Bremen - Spartak Moskau 6:2 n.V.
1:4 hatte Werder das Hinspiel in der zweiten Runde des UEFA-Cups in Moskau verloren. Zu Hause in Bremen begann die Aufholjagd mit einem Doppelpack von Frank Neubarth (im Bild mit Burgsmüller, Oli Reck und Otto Rehhagel). Frank Ordenewitz und Gunnar Sauer schossen die Hanseaten in die Verlängerung. Kalle Riedle und Burgsmüller machten das erste "Wunder von der Weser" perfekt.
19. März 1986:
Bayer Uerdingen - Dynamo Dresden 7:3
Wundersamer geht's nicht als das "Wunder von der Grotenburg". Bayer Uerdingen startete in das Viertelfinal-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger mit einem 0:2 auf den Schultern. Dresden führte zur Pause mit 3:1. Bedeutet: Die Uerdinger brauchte fünf Tore in einer Halbzeit - sie schossen sechs in nur 28 Minuten. Als Wolfgang Schäfer (links im Bild) auf dem Weg zum 7:3 war, wurde er kräftig von Rudi Bommer (rechts) angefeuert - der hatte nämlich das 1:3 mit einem Eigentor erzielt.
17. März 1982:
1. FC Kaiserslautern - Real Madrid 5:0
Es sollte eine Durchgangsstation für die Königlichen aus Madrid werden, das Viertelfinal-Rückspiel im UEFA-Cup beim FCK. Es wurde eines ihrer größten Debakel. 3:1 hatte Madrid das Hinspiel gewonnen, nach 14 Minuten im Rückspiel stand es schon 0:2 nach zwei Toren von Friedhelm Funkel (im Bild, bejubelt von Andi Brehme). Drei Real-Spieler flogen mit Rot vom Platz, FCK-Keeper Ronnie Hellström hielt einen Handelfmeter, Bongatz Eilenfeldt und Geye erhöhten auf 5:0 für die wackeren Pfälzer.
5. November 1980:
FC Barcelona - 1. FC Köln 0:4
Köln siegt im Camp Nou mit 4:0 - ja, so etwas ist tatsächlich mal passiert. 0:1 hatte der FC das Hinspiel in Müngersdorf verloren. Gerhard Strack, Stephan Engels, Pierre Littbarski und Dieter Müller sorgten mit ihren Toren bei den Katalanen für das größte Europapokal-Auswärtsspiel der Vereinshistorie und den Einzug in die dritte Runde des UEFA-Cups. Im Bild: Tony Woodcock, der seinen Gegenspieler Jose Antonio Ramos so entnervte, dass er noch vor der Pause ausgewechselt wurde.
1. Oktober 1980:
Carl Zeiss Jena - AS Rom 4:0
Schon 1980 war Kult-Trainer Hans Meyer (im Bild mit seinem brüllenden Co-Trainer Helmut Stein) für Überraschungen gut. Dem AS Rom war das allerdings nicht bekannt, als er in der ersten Runde des Europapokals der Pokalsieger mit einem 3:0 im Rücken nach Jena reiste. Überhebliche Römer bekamen von Andreas Krause, Lutz Lindemann und Andreas Bielau per Doppelpack die Quittung und schieden aus.
23. April 1980:
Hamburger SV - Real Madrid 5:1
Eine große Wende in einem großen Spiel: Im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister trafen sich Real Madrid mit Uli Stielike und der HSV. Die Königlichen hatten das Hinspiel mit 2:0 gewonnen. Der HSV antwortete im Volksparkstadion mit Doppelpacks von Kaltz und Hrubesch und einem Treffer von Memering. Horst Hrubesch (im Bild), wie soll es anders sein, traf beide Male mit dem Kopf.