Dortmund. Mit Hilfe des beim 0:3 im Hinspiel gesperrten Robert Lewandowski will der BVB gegen Real Madrid das fast Unmögliche schaffen. Schon einmal besiegte der Pole das Starensemble als vierfacher Torschütze fast im Alleingang. “Wir dürfen keine Angst haben“, sagt er.

Keine Kampfansagen, kaum Zuversicht - vor der wenig aussichtsreichen Mission gegen Real Madrid üben sich alle Dortmunder in Zurückhaltung. Die wenigen Hoffnungen auf ein Fußball-Wunder im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League am Dienstag (20.45 Uhr/Sky und in unserem Live-Ticker) ruhen auf Rückkehrer Robert Lewandowski. Wie schon vor einem Jahr, als er die "Königlichen" mit vier Toren aus dem Wettbewerb warf, soll der Pole für eine Sternstunde sorgen. Trotz des 0:3 vor knapp einer Woche hat Lewandowski den Einzug in die Runde der letzten vier Teams noch nicht vollends abgeschrieben: "Wir dürfen keine Angst haben. Sollte sich die Chance bieten, müssen wir zugreifen."

Hummels glaubt nur an 3-Prozent-Chance

Nur mit Mühe ertrug Lewandowski die Schlappe von Madrid - als TV-Zuschauer auf der heimischen Couch im Beisein von Freunden: "Es war sehr schwer. Zwischenzeitlich konnte ich nicht mehr hinsehen." Anders als am Mittwoch kann Lewandowski nun dazu beitragen, dass nicht wieder ein Klassenunterschied zwischen beiden Teams sichtbar wird. Der Respekt der Spanier vor dem künftigen Bayern-Profi ist spätestens seit dem 1:4 im letztjährigen Halbfinale an gleicher Stätte groß. "Jeder weiß, dass Robert nicht nur einer der besten fünf, sondern einer der besten drei Stürmer der Welt ist", kommentierte Mats Hummels.

Auch interessant

Bei aller Freude über das Comeback des besten Bundesliga-Torschützen bezifferte BVB-Abwehrchef Hummels die Chance auf ein Happy End jedoch auf nur "drei Prozent". Immerhin glaubt Hummels, dass seine Mitspieler nicht wieder ähnlich verkrampfen wie in der ersten Spielhälfte von Madrid: "Viel zu verlieren haben wir nicht mehr. Dadurch, dass wir uns einer deutlich besseren Ausgangsposition beraubt haben, können wir befreit aufspielen."

Vergangene Aufholjagden machen Mut

10. April 2013: Borussia Dortmund - FC Málaga 3:2

Unfassbar. In der 90. Minute ist Dortmund noch raus, die erste Halbfinal-Teilnahme seit 15 Jahren verspielt. Málaga führt nach dem gefährlichen 0:0 im Hinspiel mit 2:1. Selbst ein 2:2 würde nicht reichen. Also, was machen die Borussen? Sie schießen die fast für unmöglich gehaltenen notwendigen beiden Tore in der Nachspielzeit einer denkwürdigen Partie. Erst gleicht Marco Reus (90.+1) aus, 120 Sekunden später macht Felipe Santana (im Bild) die Sensation perfekt.

10. April 2008: FC Getafe - Bayern München 3:3

Es reicht schon, dass die Bayern nur im UEFA-Pokal spielen dürfen. In Getafe droht dann sogar die völlige Blamage, nachdem die Münchner vor heimischem Publikum schon nur ein 1:1 geschafft hatten. Das Rückspiel wird zur Partie der späten Tore. Zuerst rettet Franck Ribéry mit seinem Treffer in der 89. Minute zum 1:1 die Bayern in die Verlängerung. Binnen zwei Minuten zieht der Madrider Vorstadt-Club aber auf 3:1 davon. Dank eines Doppelpacks von Luca Toni (im Bild) in der 115. und 120. Minute erreichen die Bayern unter Coach Hitzfeld doch noch das Halbfinale.

7. Dezember 1999: Werder Bremen - Olympique Lyon 4:0

Nicht das erste Weser-Wunder. In Zeiten, als Ailton (im Bild) noch rank und schlank war, ging Werder mit der Hypothek eines 0:3 aus dem Hinspiel in die Partie gegen Lyon in de dritten Runde des UEFA-Cups. Marco Bode und Andreas Herzog sorgten für ein 2:0 zur Pause, Frank Baumann und Claudio Pizarro machten die Aufholjagd perfekt.

26. Mai 1999: Bayern München - Manchester United 1:2

Das wohl größte Fußball-Drama. Finale im Stadion Camp Nou in Barcelona. Bayern führt 1:0 dank Mario Basler. Die Auswechselspieler sind schon in Feierlaune. Doch dann: 1. Minute der Nachspielzeit. 1:1-Ausgleich von Manchester Uniteds Teddy Sheringham. 3. Minute der Nachspielzeit: 1:2 aus Bayern-Sicht. Ole-Gunnar Solskjaer bereitet den Münchnern unter Hitzfeld ein traumatisches Erlebnis der Vereinsgeschichte. Oli Kahn und Mehmet Scholl (im Bild) verfallen in Schockstarre.

6. Dezember 1994: Borussia Dortmund - Deportiva La Coruna 3:1 n.V.

Dortmund empfängt zum Achtelfinal-Rückspiel La Coruna. Die Westfalen hatten in Spanien 0:1 verloren. Michael Zorc gelingt im zweiten Duell das 1:0 und rettet die Westfalen in Dortmund in die Verlängerung. In der 102. Minute gleicht Alfredo aber aus, Herbstmeister Dortmund ist raus. Selbst der Treffer von Karl-Heinz Riedle (115.) zum 2:1 reicht nicht. Erst als Lars Ricken in der vorletzten Minute trifft, steht Dortmund unter Trainer Hitzfeld im Viertelfinale des UEFA-Pokals. Am Ende kannte der Jubel bei Matthias Sammer, Bodo Schmidt und Stefan Klos (im Bild) keine Grenzen.

3. November 1993: Karlsruher SC - FC Valencia 7:0

Mit einem 3:1 aus dem Hinspiel im Rücken reiste der FC Valencia zum kleinen Karlsruher SC. Der damaligs spanische Tabellenführer ahnte nichts Böses. Die Truppe von Winnie Schäfer wollte sich damit aber nicht abfinden. Allen voran Edgar Schmitt (rechts im Bild mit Manni Bender). Der Angreifer machte allein vier Tore und schoss den KSC so im Alleingang in die dritte Runde des UEFA-Cups. Danach wurde er umgetauft - in "Euro-Eddy".

11. Oktober 1988: Werder Bremen - Dynamo Berlin 5:0

Als Manni Burgsmüller in der 80. Minute zum Flugkopfball ansetze (im Bild), war die Werder-Wende geschafft. 0:3 hatte Berlin das Hinspiel im Pokal der Landesmeister gewonnen, nach Kutzop, Hermann und Riedle macht Burgsmüller das vierte Tor für die Bremer. Thomas Schaaf setzte in der Schlussminute noch einen drauf - 5:0.

18. Mai 1988: Bayer Leverkusen - Espanyol Barcelona 3:0

Klaus Teuber (im Bild) durfte den UEFA-Pokal nur in die Luft stemmen, weil er mit Bayer Leverkusen zuvor eine irre Aufholjagd hingelegt hatte. Das Final-Hinspiel - sowas gab's damals noch - war mit 0:3 an Barcelona gegangen. Tita, Götz und Cha egalisierten das Ergebnis binnen der letzten halben Stunde im Rückspiel. Bayer siegte letztlich mit 3:2 im Elfmeterschießen.

4. November 1987: Werder Bremen - Spartak Moskau 6:2 n.V.

1:4 hatte Werder das Hinspiel in der zweiten Runde des UEFA-Cups in Moskau verloren. Zu Hause in Bremen begann die Aufholjagd mit einem Doppelpack von Frank Neubarth (im Bild mit Burgsmüller, Oli Reck und Otto Rehhagel). Frank Ordenewitz und Gunnar Sauer schossen die Hanseaten in die Verlängerung. Kalle Riedle und Burgsmüller machten das erste "Wunder von der Weser" perfekt.

19. März 1986: Bayer Uerdingen - Dynamo Dresden 7:3

Wundersamer geht's nicht als das "Wunder von der Grotenburg". Bayer Uerdingen startete in das Viertelfinal-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger mit einem 0:2 auf den Schultern. Dresden führte zur Pause mit 3:1. Bedeutet: Die Uerdinger brauchte fünf Tore in einer Halbzeit - sie schossen sechs in nur 28 Minuten. Als Wolfgang Schäfer (links im Bild) auf dem Weg zum 7:3 war, wurde er kräftig von Rudi Bommer (rechts) angefeuert - der hatte nämlich das 1:3 mit einem Eigentor erzielt.

17. März 1982: 1. FC Kaiserslautern - Real Madrid 5:0

Es sollte eine Durchgangsstation für die Königlichen aus Madrid werden, das Viertelfinal-Rückspiel im UEFA-Cup beim FCK. Es wurde eines ihrer größten Debakel. 3:1 hatte Madrid das Hinspiel gewonnen, nach 14 Minuten im Rückspiel stand es schon 0:2 nach zwei Toren von Friedhelm Funkel (im Bild, bejubelt von Andi Brehme). Drei Real-Spieler flogen mit Rot vom Platz, FCK-Keeper Ronnie Hellström hielt einen Handelfmeter, Bongatz Eilenfeldt und Geye erhöhten auf 5:0 für die wackeren Pfälzer.

5. November 1980: FC Barcelona - 1. FC Köln 0:4

Köln siegt im Camp Nou mit 4:0 - ja, so etwas ist tatsächlich mal passiert. 0:1 hatte der FC das Hinspiel in Müngersdorf verloren. Gerhard Strack, Stephan Engels, Pierre Littbarski und Dieter Müller sorgten mit ihren Toren bei den Katalanen für das größte Europapokal-Auswärtsspiel der Vereinshistorie und den Einzug in die dritte Runde des UEFA-Cups. Im Bild: Tony Woodcock, der seinen Gegenspieler Jose Antonio Ramos so entnervte, dass er noch vor der Pause ausgewechselt wurde.

1. Oktober 1980: Carl Zeiss Jena - AS Rom 4:0

Schon 1980 war Kult-Trainer Hans Meyer (im Bild mit seinem brüllenden Co-Trainer Helmut Stein) für Überraschungen gut. Dem AS Rom war das allerdings nicht bekannt, als er in der ersten Runde des Europapokals der Pokalsieger mit einem 3:0 im Rücken nach Jena reiste. Überhebliche Römer bekamen von Andreas Krause, Lutz Lindemann und Andreas Bielau per Doppelpack die Quittung und schieden aus.

23. April 1980: Hamburger SV - Real Madrid 5:1

Eine große Wende in einem großen Spiel: Im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister trafen sich Real Madrid mit Uli Stielike und der HSV. Die Königlichen hatten das Hinspiel mit 2:0 gewonnen. Der HSV antwortete im Volksparkstadion mit Doppelpacks von Kaltz und Hrubesch und einem Treffer von Memering. Horst Hrubesch (im Bild), wie soll es anders sein, traf beide Male mit dem Kopf.

1/14

Möglicherweise erinnert Trainer Jürgen Klopp seine Profis vor dem Anpfiff an den Mut machenden Kraftakt von Deportivo La Coruna in der Saison 2003/2004. Den Spaniern gelang es gegen den AC Mailand als bisher einzigem Team in der K.o.-Phase der europäischen Königsklasse, einen Drei-Tore-Rückstand wettzumachen. Doch im Wissen um die Klasse des hochdekorierten Gegners verzichtete der Dortmunder Fußball-Lehrer wohlweislich auf forsche Töne: "Wir werden nicht abschenken. Aber ein großes Mundwerk ist nicht angebracht."

Immerhin gelangen im Vorjahr sowohl in der Gruppenhase (2:1) als auch im Halbfinale Heimsiege über den neunmaligen Titelträger. Der am Mittwoch gesperrte Kapitän Sebastian Kehl gab die Richtung vor: "Wir wollen mit einem frühen Tor versuchen, für Euphorie zu sorgen und in einen Flow zu kommen. Das wäre eine Wunschsituation."

Die Treffsicherheit der Spanier verheißt jedoch wenig Gutes: In den vergangenen 22 Champions-League-Auswärtsspielen gelang ihnen immer mindestens ein Treffer. Vor allem der im bisherigen Wettbewerb bereits 14 Mal erfolgreiche Cristiano Ronaldo dürfte nur schwer zu bremsen sein. Bei einem weiteren Tor hätte er die bisherigen Rekordträger José Altafini (1962/63) und Lionel Messi (2011/12) übertroffen. Zudem wurde der Weltfußballer bei der 4:0-Generalprobe gegen San Sebastian am Wochenende wegen leichter Knieprobleme geschont.

Kirch und Jojic stehen als Kehl-Ersatz bereit

Auch interessant

Noch ist offen, ob Roman Weidenfeller rechtzeitig wieder fit wird. Der Bluterguss in der linken Hand hatte den BVB-Keeper beim 2:1 über Wolfsburg zu einer Pause gezwungen. Wer Kehl im defensiven Mittelfeld ersetzt, ließ Klopp offen: Als Alternativen stehen Oliver Kirch oder Milos Jojic bereit. Ungeachtet der anhaltenden Personalsorgen hält Lewandowski die Borussia für konkurrenzfähig: "Wir haben immer noch eine gute Mannschaft." (dpa)