Leipzig. Nach dem 1:2 in Leipzig ist der Ärger beim BVB groß. Die Defensive schwächelt, Kapitän Marco Reus bricht eine Systemdebatte vom Zaun.

Der Ärger ist Michael Zorc auch am Tag danach noch anzumerken. Der Sportdirektor von Borussia Dortmund spricht zwar in ruhigem Ton, aber er findet am Sonntag im Gespräch mit dieser Redaktion sehr deutliche Worte, als er auf die 1:2 (0:1)-Niederlage bei RB Leipzig zurückblickt: „Wir waren in den ersten 50 Minuten nicht wirklich da“, sagt er. „Wir haben das Tempo nicht aufgenommen, das Leipzig angeschlagen hat, sind hinterhergelaufen und haben vor allem im eigenen Ballbesitz zu viele Fehler gemacht.“

Poulsen: Noch nie so viele Fehler der Dortmunder gesehen

Unkonzentriert, unpräzise, überhastet – so ließ sich das Dortmunder Spiel mit Ball zusammenfassen. Und das war fatal gegen den wuchtigen Leipziger Pressing- und Konterfußball. „Ich habe noch nie bei Dortmund gesehen, dass sie so viele Fehler im Aufbauspiel machen“, staunte RB-Stürmer Yussuf Poulsen. „Sie haben die Bälle teilweise einfach ins Aus gespielt.“ Dem wollte und konnte kein Dortmunder widersprechen. Zu fehlerhaft war das Angriffsspiel, die Passquote von 72 Prozent war für BVB-Verhältnisse erschreckend niedrig. Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Marco Reus nach einem fabelhaften Steilpass von Thomas Meunier (52.) war einer der ganz wenigen gelungenen Spielzüge.

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Und hinten präsentierte sich die Mannschaft abermals fehleranfällig, bekam vor allem Christopher Nkunku nie in den Griff. Der traf zum 1:0, weil er die gesamte Abwehr bei einem Zuspiel aus der eigenen Hälfte einfach überlaufen konnte (29.) und bereitete das 2:1 durch Poulsen mit feiner Flanke vor (68.). Und er hätte noch mehr Treffer erzielen können, aber mal stand der Pfosten im Weg, mal Torhüter Gregor Kobel, der als einziger Dortmunder Normalform erreichte.

Dortmunder Kräfteverschleiß nicht zu übersehen

Bislang hatten es die Dortmunder in der Liga meist geschafft, das grassierende Verletzungspech mit Einsatz und individueller Qualität zu übertünchen. In Leipzig aber war der damit einhergehende Kräfteverschleiß nicht mehr zu kaschieren. Doch die Personalsituation allein taugte nicht als Begründung. Zu hilflos liefen die Dortmunder über den Platz, zu sehr ließen sie jene Aggressivität und jenen Einsatz vermissen, den die Gegner in die Waagschale warfen.

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Das nervte alle Beteiligten erkennbar: Kapitän Reus holte er sich eine Gelbe Karte, weil er zu energisch meckerte – und setzte nach dem Schlusspfiff zur Generalkritik an, die auch die Grundordnung in der ersten Halbzeit und damit Trainer Marco Rose traf: „In der Fünferkette haben wir einen Mann weniger im Zentrum, der mit uns pressen kann und damit kommen wir gar nicht klar.“

Dabei wusste auch der Kapitän, dass die Formation vor allem dadurch entstanden war, dass Rose den verbliebenen Rest an fitten Spielern bestmöglich in eine halbwegs taugliche Formation gepresst hatte. „Das ist eine Papierdiskussion, die der Emotionalität unmittelbar nach Schlusspfiff geschuldet ist“, urteilt daher Sportdirektor Zorc. „Die Mannschaft muss in der Lage sein, Dreier- und Viererkette zu spielen. Es geht um die Leistung auf dem Platz, und die war einfach nicht gut genug gegen eine Mannschaft wie RB Leipzig.“

Es sei aber „gar nicht schlimm, wenn Marco nach einer Niederlage im Frust mal etwas Dampf ablässt. Das zeigt, dass Leben drin ist. Marco Reus und Marco Rose haben gestern Abend noch miteinander gesprochen, da ist alles absolut in Ordnung.“

Neuzugang Donyell Malen in der Kritik

Ansonsten aber ist einiges aufzuarbeiten in der Länderspielpause: Zugang Donyell Malen präsentierte sich wieder einmal erschreckend schwach und wurde von Trainer deutlich kritisiert: Der Niederländer müsse an seinem „Mindset“ arbeiten, um zu erkennen, dass auch Defensivarbeit zu den Aufgaben eines Stürmers gehöre. Mit Ball allerdings hinterließ Malen auch keinen bleibenden Eindruck, kam in 71 Minuten auf 20 Ballkontakte, die weder zu einem Torschuss noch einer Torschussvorlage führten.

Seine Kollegen machten es allerdings auch nicht viel besser – und die Defensive präsentiert sich mit 17 Gegentoren in elf Spielen nicht erst am Samstag viel zu anfällig. Die Hoffnung auf Besserung liegt nun auch darin begründet, dass sich die Personalsorgen in der Länderspielpause lindern dürften: Raphael Guerreiro, Nico Schulz, Emre Can, Mahmoud Dahoud und Marius Wolf könnten in zwei Wochen wieder zur Verfügung stehen.