Essen. Immer mehr Spieler und Trainer aus den USA schaffen den Sprung in die Bundesliga. Woher kommen auf einmal diese ganzen Talente?

Wenn Jesse Marsch über Fußball und insbesondere über jenen in den USA spricht, ist die Begeisterung in seiner Stimme deutlich zu hören. „Der Sport wird bei uns immer größer, die Liga hat immer mehr Mannschaften, und es gibt immer mehr Interesse an der Nationalmannschaft“, sagt der Trainer von RB Leipzig. „Es ist eine spannende Zeit für unseren Sport in Amerika.“

Und diese Entwicklung hat auch immer mehr Einfluss auf die Bundesliga. Da ist Marsch, der erste in den USA ausgebildete amerikanische Trainer bei einem Klub der erweiterten europäischen Spitze. Da sind die US-Talente Joe Scally und Giovanni Reyna, die in Mönchengladbach und Dortmund begeistern. „Wir sind sehr stolz auf unsere jungen Spieler“, sagt Marsch, der mit Leipzig am Samstag (18.30 Uhr/Sky) in der Bundesliga auf den BVB trifft. Aber auch der Sport wird amerikanischer, mehr zur Show, mit der sich ziemlich viel Geld verdienen lässt – seit Jahrzehnten ein US-Erfolgsmodell und längst in Deutschland angekommen. Aber nicht immer funktioniert das. Ein Überblick.

Joe Scally.
Joe Scally. © firo

Die Trainer

Marsch, geboren in Wisconsin, verbrachte seine gesamte Profikarriere in den USA – das unterscheidet ihn von allen Landsleuten, die schon mal in Europa tätig waren oder sind. Auch Pellegrino Matarazzo, Trainer des VfB Stuttgart, ist Amerikaner – arbeitete als solcher aber nie in den USA, sondern begann seine Karriere in Nürnberg. 2015 lotste Ralf Rangnick das Trainer-Talent Marsch in den Red-Bull-Kosmos. Seit diesem Sommer arbeitet Marsch in Leipzig. Dass vor ihm bereits andere US-Trainer in Europa gearbeitet habe ihm habe "ihm die Augen geöffnet, dass es auch ein Möglichkeit für mich sein könnte", so Marsch. „Ich hoffe, dass ich mit meinem Erfolg andere junge Trainer inspiriert habe, es auch zu probieren, nach Europa zu wechseln“, sagt der 47-Jährige. Das Jobprofil generell passt sich hier zudem immer mehr amerikanischen Vorbildern an, für viele Disziplinen wie Standardsituationen oder Video-Analysen gibt es nun Experten.

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Die Spieler

Sieben Amerikaner stehen derzeit bei den Bundesligaklubs unter Vertrag. Tendenz: steigend. Darunter befindet sich Joe Scally, die Entdeckung der Saison. Der 18-Jährige beackert die rechte Außenbahn bei Borussia Mönchengladbach. Dass sich der Neu-Nationalspieler, der im Alter von 15 Jahren bei New York City FC sein Profidebüt gab, ausgerechnet in Gladbach durchgesetzt hat, ist kein Zufall. Der Klub beobachtet die US-Auswahl-Teams ab der U16. „Der US-Fußball ist für uns ein interessanter Markt“, sagt Gladbachs Scouting-Chef Steffen Korell.

Giovanni Reyna
Giovanni Reyna © firo

Jesse Marsch weiß, woher auf einmal diese Talente kommen. „Vor 25 Jahren gab es eine Neustrukturierung unseres Akademiesystems. Es wurden viel Geld, Personal und Ressourcen investiert“, sagt der Leipziger Trainer. „Jetzt sehen wir die Früchte dieser Arbeit.“ Dass es Amerikaner in die Bundesliga schaffen, ist ja nicht neu. Auch Jermaine Jones oder Fabian Johnson haben den US-Pass – wurden aber im deutschen System ausgebildet. Die heutige Generation um BVB-Star Reyna (18), den früheren Dortmunder Christian Pulisic (23/FC Chelsea) oder die Ex-Schalker Weston McKennie (23/Juventus Turin) und Matthew Hoppe (20/RCD Mallorca) holte sich hingegen die Grundlagen in der Heimat.

Die Kommerzialisierung

185 Millionen Euro, fünf Prozent der Gesamterlöse, machen die Vereine mit Merchandising-Artikeln: Gartenzwerge, Zahnbürsten, Adventskalender. Es gibt kaum mehr Gegenstände, auf die nicht ein Logo der 18 Klubs gedruckt wird. In den 1990er-Jahren, als in Deutschland gerade erst Trikots in die Fan-Shops kamen, waren diese Artikel in den USA bereits eine Gelddruckmaschine. Dazu fluten immer mehr Sondertrikots den Markt. Gerd Nufer, Leiter des Deutschen Instituts für Sportmarketing, warnt: „Ich nehme ein Grundrauschen wahr, dass der Fan kritischer wird und nicht mehr bereit ist, alles mitzugehen.“

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Bislang noch ein Tabubruch sind Pflichtspiele im Ausland, um neue Märkte zu erschließen. Gegenwind sei in Deutschland programmiert, sagt Gerd Nufer. „Ein Ligaspiel würde ich auf keinen Fall dorthin verorten“, sagt der Marketing-Experte. „Bei einem Wettbewerb wie dem deutschen Supercup, der nicht unbedingt auf das allergrößte Interesse der lokalen Fans stößt, könnte ich mir das Experiment eher vorstellen, so ein Spiel zu verlegen.“

Die Eventisierung

2017 testete man beim DFB-Pokal-Finale eine Halbzeit-Show nach Vorbild des Superbowls, dem Endspiel der Football-Liga NFL. Doch Helene Fischer wurde gnadenlos niedergepfiffen. „Man kann nicht vermeintliche Erfolgsrezepte aus einem anderen Land eins zu eins übertragen und davon ausgehen, dass es hier genauso funktioniert“, sagt Nufer. „Wir haben hier eine andere Fan-Kultur.“ Die Anhänger stehen der Eventisierung kritischer gegenüber als in den USA, wo Sport vor allem Unterhaltung ist.

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So spartanisch wie in England allerdings, wo die Fußball-Fans erst kurz vor Anpfiff in die Arena strömen, sei der Stadionbesuch in Deutschland nicht. „Man möchte schon rund um das Spiel etwas erleben – aber auch nicht so ein riesiges Rahmenprogramm wie in den USA“, sagt Nufer. „In Deutschland testen wir das gerade aus.“