Donaueschingen. "Wer uns nicht liebt, der kann uns halt gar nicht leiden." - Kritik an seinem Verein sieht BVB-Trainer Jürgen Klopp gelasssen. Im Interview erklärt er, wie er auch mit weniger Geld volle Leistung bringen will. Und betont, dass er sich auch langfristig bei Borussia Dortmund sieht.

Herr Klopp, wir haben ein Foto von Ihnen. Sie stehen über einem schwarz-gelben Fahrrad und tragen einen, na ja, schicken Helm. Es könnte sein, dass dieses Foto das Spektakulärste ist, was vom Trainingslager von Borussia Dortmund in Donaueschingen bleiben wird.

Jürgen Klopp: Dass ich Helm trage?

Ja. Der BVB ist für Journalisten derzeit hartes Brot. Er ist so beruhigt, seit Sie der Trainer geworden sind.

Klopp: Es gibt andere Vereine, um die herum wird ausschließlich über Trainingsintensität gesprochen. Das scheint aber bei uns kein Thema zu sein, obwohl wir unglaublich viel trainieren. Und es ist kein Thema, weil kein Thema daraus gemacht wird.

Haben Sie vor Ihrem Wechsel zum BVB denn mehr als das Sportliche analysiert? Haben Sie auf handelnde Personen geschaut, auf die Struktur des Klubs, seine Situation?

Klopp: Das war in der Kürze der Zeit gar nicht möglich. Ich bin Montagmorgen wach geworden, das Angebot kam, und mir war relativ schnell klar, dass mir das zusagt. Und an dem, was nicht stimmt, daran kann man ja immer gemeinsam arbeiten.

Was stimmte nicht?

Klopp: Ach, kleinere Abläufe. Das Große Ganze war in Ordnung. Wir wurden nicht am Trainieren gehindert. Vielleicht habe ich auch einfach zweimal Glück gehabt. Ich hatte in Mainz mit Präsident Harald Strutz und Manager Christian Heidel tolle Chefs, und jetzt mit Aki Watzke, unserem Geschäftsführer, und mit Sportdirektor Michael Zorc habe ich wieder tolle Chefs. Das ist tatsächlich vergleichbar, und das ist großartig.

Kommen wir doch noch einmal auf die kleineren Abläufe zurück, die nicht stimmten.

Klopp: Wann fährt der Bus? Wenn vorher mehrere andere Trainer da gewesen sind, dann wollte von denen jeder, dass der Bus zu einer anderen Zeit losfährt. Oder: Schlafenszeit! Jeder Trainer möchte eine andere Schlafenszeit. Da habe ich mir früher keinen einzigen Gedanken drüber gemacht. Das war für mich immer logisch. Und hier waren die Blätter weiß, bis ich sie gefüllt habe. Jetzt aber werden wir natürlich lange Jahre diese Blätter nicht mehr füllen müssen. Ich bleibe ja da.

Öffentlich scheint alles beim BVB auf Jürgen Klopp fixiert zu werden. Der ist Volkstribun, Entertainer, schöner Mann. Steckt dahinter ein Konzept? Rücken Sie sich in den Vordergrund und halten alles von der Mannschaft weg, wie der Kollege Jose Mourinho, der ja erklärt, er handle bewusst so.

Klopp: Nein, der Kollege Mourinho ist sicher in vielen Bereichen besser als ich, in diesem aber ganz sicher cleverer. Ich mache da nichts bewusst. Ich akzeptiere das, was passiert, gerade aus diesem Grund: Damit die Mannschaft im Windschatten in Ruhe arbeiten kann. Aber grundsätzlich habe ich keine Ahnung, wie es ständig dazu kommt. Für mich ist nur wichtig, dass die Mannschaft weiß, dass ich mich nicht in diese Rolle hineindränge, dass ich nicht, wupps, Spieler wegdränge und kurz meinen Kopf in die Kamera schmeiße.

Wenn Sie in dieses 80000-Mann-Stadion kommen, nehmen Sie aber wahr, wie die Fans reagieren?

Klopp: Dafür habe ich ein Riesentalent. Ich sauge das auf, bis hinunter in den großen Zeh. Das ist doch das Besondere an diesem Verein. Für jeden ist alles rund um den BVB wichtig, jeder steckt da drin mit Haut und Haaren. Andererseits: Wer uns nicht liebt, der kann uns halt gar nicht leiden. Von Dortmund aus musst du doch nur 300 Meter über die Stadtgrenze Richtung Westen laufen, dann kannst du auf jemanden treffen, der dir vielleicht nicht einmal beim Löschen helfen würde. Das Revier ist eben die Fußballregion Deutschlands. Und unseren 80 000 im Stadion, unseren insgesamt mehr als drei Millionen Fans gegenüber haben wir eine Verantwortung, denen müssen wir etwas bieten - und das ist auch unser vorderstes Ziel für die nächste Saison.

In der vergangenen Saison hat der Klub mehr geboten, als von ihm erwartet worden war. Ist der Druck für die kommende Spielzeit dadurch erhöht?

Klopp: Wenn du immer alles gibst, erwartet keiner im Stadion, dass du auch immer alles dafür bekommst. Die Fans sind dann geduldig und sagen: Diesen Fußball wollen wir sehen, und das, das sind die Jungs, mit denen wir uns identifizieren können. Sie sagen nicht: Im letzten Jahr waren wir Sechster, oh, toll, jetzt werden wir sicher Zweiter. Die sind doch nicht blind, die Leute, sie kennen unsere Situation.

War Ihnen denn bei Amtsantritt klar, dass die Emotion riesig ist, das Stadion auch, dass der Verein eine riesige Stellung hat, der finanzielle Rahmen aber dem nicht entspricht?

Klopp: Die ersten drei Dinge ja (lacht laut und anhaltend). Letzteres habe ich anhand des Angebotes bemerkt, das man mir gemacht hat (lacht wieder) Aber ich war in meinem Trainerleben nie einer, der gesagt hat: Wenn ich den nicht kriege, dann kann ich hier nicht arbeiten. Ich bin jemand, der die Situation akzeptiert, wie sie ist. Sie ist die Basis für Verbesserungen.

Wie realistisch ist es für den BVB, mit seinen eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten, oben mitzuspielen?

Klopp: Man muss den Tick besser arbeiten, man muss den Tick mehr Herzblut reintun, man muss den Tick geduldiger sein, und schon ist alles möglich. Es ist dann nicht wahnsinnig wahrscheinlich, aber möglich. Mehr kann man doch im Leben gar nicht erwarten. Dass ich hier heute sitzen würde, war nicht wahnsinnig wahrscheinlich, aber es war möglich. Für uns geht es aber im Moment vor allem darum, dass wir uns aus unserer finanziellen Situation keinen Nachteil entstehen lassen. Wenig Geld mit mehr Druck ist eine miese Konstellation.

Es gab doch einen Spannungsmoment in der vergangenen Saison, an den wir uns erinnern. Ihr Stürmer Alex Frei war nicht zufrieden mit seinen Einsatzzeiten. Wie würden Sie heute Ihr Verhältnis zu ihm beschreiben?

Klopp: Als sehr gut. Ich glaube, man kann als Trainer richtig, richtig, richtig gut mit Alex klar kommen, weil er ein toller Typ ist, ein klasse Fußballer. Man sollte ihn nur nicht auswechseln. Und jetzt kommen wir mal auf einen Punkt: Ich war genau so, eins zu eins genau so. Aber ich bin es jetzt, der die Entscheidungen fällt, und zwar weiterhin so, wie ich es für den jeweiligen Moment für richtig halte.

Wie würden Sie grundsätzlich Ihren Umgang mit Spielern charakterisieren?

Klopp: Hoch professionell menschlich, glaube ich. Also, ich mag die Jungs, aber wer nicht das macht, was notwendig ist, um mit dieser Mannschaft Erfolg zu haben, den mag ich möglicherweise immer noch, der wird dann aber ganz sicher nicht spielen und auch nicht lange bei uns sein. Ich kann das trennen. Es macht jemanden nicht zum schlechteren Menschen, wenn er nicht bis ans Limit leistungsbereit ist. Es gibt viele Menschen, die machen die Dinge mal so ein bisschen, die kommen mit ihrem Talent ganz gut klar undsoweiter. Journalisten zum Beispiel, die könnten doch auch Bücher schreiben.

Die sind so dick.

Klopp: Die Journalisten? Oder die Bücher? Aber im Ernst. Das ist tatsächlich die Herangehensweise. Die meisten Regeln stellt einfach das Spiel auf, dazu kommen ein paar von mir, und wer sich daran hält, der kann hier wirklich glücklich werden. Wer sich daran allerdings nicht hält, wird hier definitiv nicht glücklich werden.