Dortmund. Die ganz große Krise hat Borussia Dortmund überstanden: Das finanzielle Desaster, das den Klub fast zerstört hätte. Der Faktor Geld aber bestimmt weiterhin den Alltag in der Bundesliga. Mit Hans-Joachim Watzke, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung des BVB, hat Frank Lamers gesprochen.
Über Druck, Verteilungsgerechtigkeit und die seherische Kraft der Geldtabelle. Für die Borussia sieht sie Platz acht voraus. Im Normalfall.
Herr Watzke, ein kleines Spiel mit Geld. Stellen Sie sich eine Liga mit nur drei Vereinen vor. Der erste kann zehn Millionen Euro ausgeben, der zweite 50, der dritte 250 Millionen. Wer wird Meister?
Watzke: Immer der mit den 250 Millionen. In dem Moment, in dem die Etats etwas näher zusammenrücken, ändern sich die Wahrscheinlichkeiten. Aber nie grundlegend. Das beste Beispiel ist doch der VfL Wolfsburg. Der hatte doch kaum eine Chance, in den Uefa-Cup zu kommen, und dann hat sich auf einmal sein Budget verdreifacht, und er ist Meister geworden.
In welchen Regionen bewegen wir uns gerade?
Watzke: Ich kann es nicht genau sagen. Man muss sehen, was den Lizenzspieleretat ausmacht. Der wird bei Wolfsburg zwischen 50 und 60 Millionen liegen. Man muss aber auch noch die Transfers dazu nehmen, für die man ja Geld ausgibt. Und wenn ich mir da leisten kann, nach Millioneninvestitionen in der vergangenen Saison vor dieser Spielzeit für einen dritten Stürmer noch einmal 10,5 Millionen hinzulegen, merkt man, welche Wirtschaftskraft im VfL steckt. Und das ist so, weil Martin Winterkorn, der Vorstand von Volkswagen, gesagt hat: Jetzt will ich es mal allen zeigen.
Es gibt aber die Fußballidee, dass man mit Leidenschaft und tollem Trainer dagegen halten kann.
Watzke: Schauen Sie, es gibt doch im unteren Bereich der Bundesliga exzellente Trainer. Der Robin Dutt beim SC Freiburg leistet doch überragende Arbeit. Aber dann kommt Leverkusen mit den Stars, und wenn bei denen an diesem Tag nicht alles schief und bei Freiburg alles glatt läuft, dann gewinnt Leverkusen. Du kannst es natürlich an einem Tag auch schaffen. Aber wir haben 34 Spieltage, und da ist die Prognose möglich: Freiburg wird hinter Leverkusen landen.
Welche Position besetzt denn Borussia Dortmund in der Geldtabelle?
Watzke: Ich sehe uns auf Platz acht.
Wenn dieser Platz am Ende der Saison . . .
Watzke: . . . rausspringen würde, wäre es der Normalfall . . .
. . . aber die Fans wären enttäuscht, und von einigen Medien zumindest würden Sie attackiert werden.
Watzke: Das mag sein, hätte aber mit einer Verkennung der Lage zu tun. Platz acht wäre der Normalfall. Man muss aber sehen, dass der Fußball im oberen Liga-Bereich enger zusammengerückt ist. Das hat es ja früher nicht gegeben, dass ein Klub wie der VfL Wolfsburg, der nach 17 Spieltagen auf Platz neun stand, Meister wird. Umgekehrt hat es auch nicht gegeben, dass ein Klub wie Hoffenheim Herbstmeister wird und am Ende nur Siebter.
Es gibt Druck von außen, der diese ökonomischen Kriterien selten einbezieht, der ist irrational, und Klubführungen reagieren häufig irrational darauf.
Watzke: Wir geben diesem Druck nicht nach. Wir hatten in der vergangenen Saison einen finanziellen Aufwand für die Lizenzspielermannschaft von 36,5 Millionen Euro. Wir haben diesen Aufwand um drei Millionen reduziert, obwohl wir auch hätten sagen können: Wir waren Sechster, unglücklich, jetzt müssen wir aber mal reinhauen, und dann werden wir Fünfter.
Klar ist aber, wer oben ist, bleibt oben, und wer unten ist, bleibt unten.
Watzke: Das bildet sich in jeder anderen Branche ähnlich ab. Es gibt Riesen und Nischenanbieter. Ungewöhnlich ist nur, wenn die Wettbewerbsbedingungen nicht mehr stimmen. Es gibt ja Klubs, die sind gar nicht mehr darauf angewiesen, Einnahmen zu generieren.
Die FAZ hat berichtet, Sie hätten den – ein Zitat – bizarren Vorschlag gemacht, Traditionsklubs sollten aus dem TV-Topf besser bedient werden als die Neureichen.
Watzke: Ich habe nicht gesagt, ein Klub soll mehr Geld kriegen, weil er große Tradition hat. Ich habe für Verursachungsgerechtigkeit plädiert. Das Geld kommt überwiegend vom TV. Es gibt Messinstrumente, wie viele Fans von welchem Klub zuschauen. Und danach sollte man zumindest einen Teil des Fernsehgeldes verteilen.
Bedeutet: wenn der BVB gegen Wolfsburg spielt: mehr Kohle für Dortmund?
Watzke: Genau. Wenn zehn- oder zwanzigmal so viele Fans des BVB zum Beispiel Abonnenten von Sky sind und Spiele gucken, dann muss das im Sinne der Verursachungsgerechtigkeit für uns einen Erlös bringen. Wir sind doch gemeinsam mit Schalke, Bayern, Hamburg und ein paar anderen die, die den Boom erzeugen.
Und letztlich VW den Werbeeffekt bescheren?
Watzke: Genau. Es gibt natürlich auch Traditionsklubs, die reißen keinen Hering mehr vom Teller. Mir geht es aber darum: Wir sorgen mit unserem Umfeld dafür, dass die Liga boomt. Und das muss uns in irgendeiner Weise vergütet werden. Wenn es nur nach Erfolg geht, dann ist es so: VW schießt das Geld rein, kassiert am Ende, und wir sind für die Folklore zuständig. Unsere Fans reisen in 8000er-Stärke weiter durch die Lande und die Fans dieser Klubs enthalten sich vornehm.
Wäre die Aufhebung der 50+1-Regel, die besagt, dass Vereine in Vereinshand bleiben müssen, eine Möglichkeit, Chancengleichheit mit den Großsponsoren-Klubs herzustellen? Hannover-96-Präsident Martin Kind fordert das.
Watzke: Nein. Du kannst auch Sponsoren im 50+1-Modell gewinnen. Wir haben doch welche. Und wir nehmen jeden weiteren gern ins Auto, aber am Steuer möchten wir schon gerne selbst bleiben. 2006 haben wir 54 Millionen Euro Investorengeld reinbekommen, ohne dass wir den Autoschlüssel abgeben mussten. Herr Kind ist bereit, für 15 bis 20 Millionen für Hannover den Autoschlüssel abzugeben. Aber wenn du den abgibst, kommst du nie wieder zurück ans Steuer. Und es kann doch nicht sein, dass sich in Saudi-Arabien oder in China in irgendeiner Teestube acht Leute zusammensetzen und sagen: Das ändern wir jetzt in Deutschland. Für mich ist der Fußball, und das gerade hier im Ruhrgebiet, auch ein Kulturgut. Er gehört auch den Leuten.