Essen. Per Mertesacker gab beim Spiel Deutschland gegen Spanien sein Debüt am ZDF-Mikrofon. Womit er überzeugte - und was ihm fehlte: Die TV-Kritik.

Per Mertesacker und Joachim Löw trafen sich mit gebührendem Abstand wieder. Das lag natürlich nicht daran, dass sich der Weltmeister-Trainer von 2014 und sein Weltmeister-Innenverteidiger nach Mertesackers Karriereende nicht mehr verstehen würden. Im Gegenteil. Bei der Nations-League-Partie zwischen Deutschland und Spanien (1:1) muss aus Corona-Gründen Abstand gehalten werden - das gilt auch für zwei Weggefährten.

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Es war ein netter Plausch zwischen Löw und dem ehemaligen Abwehrspieler. „Für einen Trainer war es relativ einfach, mit ihm klarzukommen", sagte der Bundestrainer vor Anpfiff über den 35 Jahre alten Hannoveraner, der für das ZDF bei Länderspielen und Bundesliga-Übertragungen vor der Kamera stehen wird. Die Partie gegen Spanien war sein erster Auftritt. Ob Löws Fazit derart positiv über den TV-Experten Mertesacker ausfallen würde, hätte er die Partie daheim auf der Couch verfolgt? Vielleicht. Viel vorzuwerfen hatte sich der 104-malige Nationalspieler bei seinem Debüt vor Millionenpublikum nämlich nicht.

Mertesacker war schon bei DAZN stark

Ganz ins kalte Wasser - die Eistonne lässt grüßen - ist der Hühne ja auch gar nicht geworfen worden. Für den Streamingdienst DAZN hat der Ex-Arsenal-Kicker das eine oder andere Spiel moderiert. Und bestätigte am orangefarbenen Mikro den Eindruck, den man aus den DAZN-Übertragungen gewinnen konnte: Das steht jemand, der immer noch nah dran ist am Profifußball, aber die Dinge sachlich einordnen kann. Nüchterne Analyse - das kommt in der TV-Fußballübertragung oft zu kurz, weil immer alles ein bisschen sensationalistisch sein muss. Mertesacker tut mit seiner ruhigen, norddeutschen Art dem ZDF (und dem Profi-Business generell) gut.

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Zum Beispiel in der Halbzeit. Da haben TV-Experten bekanntlich wenig Gelegenheit, differenziert zu urteilen. Es ist stressig, bevor Mertesacker an der Reihe ist, laufen Werbung und die Nachrichten. Der Weltmeister analysiert, wie sich die deutsche Nationalmannschaft eine Chance erarbeitet und zeigt, warum die DFB-Elf es schwer hatte, sich aus dem hohen Pressing zu befreien. Oder nach Abpfiff, als er das späte Gegentor erklärt hat. Alles ohne Phrasen.

Mertesacker fehlte bei einer Sache die Distanz

Nicht immer gelingt es ihm, die nötige Distanz zu bewahren. "Wir" und "uns" als Bezeichnung für die Nationalmannschaft - das hat in einer Fußballübertragung nichts verloren. Moderatoren, Kommentatoren und auch Experten sollten sich eigentlich nicht als Teil des Ganzen betrachten, sondern kritisch auf das Spiel blicken. Das gilt auch für Mertesacker: Er ist nicht mehr Nationalspieler.

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Dass Mertesacker noch immer eine emotionale Verbindung zur Nationalmannschaft hat, ist natürlich verständlich. Allerdings sollte er sie nicht derart zur Schau stellen. Im Vergleich zu Sandro Wagner, der für das ZDF das Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Paris Saint-Germain begleitet hat und seine Bayern-Affinität zu keinem Zeitpunkt verstecken wollte, kam Mertesacker aber schon fast kaltherzig rüber.