Hagen/München. Karl-Heinz Rummenigge geht mit seinem FC Bayern in eine Saison, die die vergangene nur schwer toppen kann. Im Interview gibt sich der Bayern-Boss dennoch gelassen, spricht über Robert Lewandowski, die Folgen der WM und die Aussichten für die kommende Spielzeit beim deutschen Rekordmeister.
Herr Rummenigge, darf man Ihnen nach den Eindrücken des vergangenen Wochenendes bereits zur nächsten Meisterschaft gratulieren?
Karl-Heinz Rummenigge (lacht): Wieso das denn?
Der FC Bayern entschied den Telekom Cup in Hamburg souverän für sich, Robert Lewandowski traf nicht nur, sondern er traf traumhaft schön – und acht Ihrer WM-Teilnehmer stoßen erst noch zur Mannschaft.
Rummenigge: Aber das ist ja kein Automatismus. Für uns ist in erster Linie wichtig, gut vorbereitet in die Saison zu gehen. Unsere acht Spieler, die die WM bis zum Schluss absolviert haben, werden bis zum Saisonauftakt sicherlich nicht in einer optimalen Verfassung sein. Das müssen wir irgendwie kompensieren.
Irgendwie kompensieren – das hört sich für Münchner Verhältnisse aber sehr zurückhaltend an.
Rummenigge: Natürlich geht es für uns darum, von Anfang an in der Tabelle oben mitzuspielen, keine Frage. Was das betrifft, bin ich seit dem vergangenen Wochenende tatsächlich ein bisschen entspannter. Unser Konstrukt funktioniert, wir haben einen sehr guten Kader beisammen. Holger Badstuber etwa ist für die Mannschaft wie ein Zugang und eine echte Verstärkung – und Robert Lewandowski hat gezeigt, dass er der beste Mittelstürmer der Welt ist.
Klopfen Sie sich, wenn Sie Tore wie seinen Lupfer sehen, nachträglich auf die Schulter, ihn erstens geholt zu haben und zweitens auch noch ablösefrei?
Rummenigge: Ganz klar sind wir stolz, dass Robert bei uns spielt, und der Transfer war eine schwere Geburt. Aber von unserer Seite gibt es keine Häme in Richtung Borussia Dortmund, dass wir Robert verpflichten konnten, ohne eine Ablöse zahlen zu müssen. Diese Situation hatten wir auch schon, als uns zum Beispiel Miroslav Klose verließ.
Zurück zu Ihren sechs Weltmeistern: Sehen Sie die Gefahr, dass Spieler wie etwa Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Manuel Neuer „satt“ sind, da sie bereits alle Titel, die es zu gewinnen gibt, gewonnen haben?
Rummenigge: Ich habe so eine Situation ja erlebt, als ich 1974 als junger Spieler zum FC Bayern kam. Viele waren Meister, Europapokalsieger und Weltmeister – die besaßen keine große Motivation mehr. Sie waren nicht mehr bereit, sich zu quälen. Das gilt es zu verhindern. Unser Glück ist aber, dass wir mit Pep Guardiola über einen Trainer verfügen, der diese Situation kennt.
Sie spielen auf das Jahr 2010 an, als Spanien Weltmeister wurde und Guardiola anschließend mit dem FC Barcelona sogar die Meisterschaft und die Champions League gewann?
Rummenigge: Ich habe vor wenigen Tagen mit ihm genau über dieses Thema gesprochen. Pep sagte mir nur, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Und ich mache mir auch keine. Wir haben perfekte Jahre hinter uns, haben zuletzt so viele Rekorde gebrochen, dann stellen wir eben den nächsten auf und sind so gut wie noch nie nach einer WM.
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Ebenfalls nach der WM 2010 öffnete der FC Bayern allerdings die Tür für Borussia Dortmund…
Rummenigge: …na ja, das sehe ich anders. Borussia Dortmund ist 2011 deutscher Meister geworden, weil sie selbst vieles richtig und einfach einen guten Job gemacht haben. Nicht wir haben die Tür durch unsere Fehler geöffnet, das hat der BVB schon selbst erledigt. Und noch mehr ein Jahr später, als die Dortmunder das Double holten.
Ihre Worte klingen irgendwie versöhnlich, gar nicht nach Streit zwischen den Klubs. Erwärmt der WM-Titel auch das zuletzt frostige Verhältnis auf Funktionärsebene, nachdem er bereits Spieler aus München, Dortmund und Schalke zu Freunden werden ließ?
Rummenigge: Ach, wissen Sie, ich habe zum Beispiel Hans-Joachim Watzke beim Finale der Champions League getroffen und hatte nicht den Eindruck, dass wir ein schwieriges Verhältnis zueinander haben. Es gab Anspannungen, ohne Frage. Aber die resultierten in erster Linie aus dem Erfolg beider Vereine in den vergangenen Jahren. Wir haben uns dabei stets professionell verhalten. Ich glaube nicht, dass der deutsche Fußball generell Probleme unter den Klubs oder den Verantwortlichen hat.
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Also gibt es beim Supercup am 13. August in Dortmund auch das traditionelle gemeinsame Essen der Klubspitzen wieder, welches zuletzt abgesagt worden war?
Rummenigge (lacht): Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, wer Gastgeber ist, der BVB oder die Deutsche Fußball-Liga…
Dass Ihr Wunsch nach einem späteren Saisonbeginn auf Grund der WM bei einem Ligatreffen mit dem Hinweis abgelehnt wurde, so stünden die Chancen besser, die Bayern zu ärgern, torpediert dieses Bild ebenfalls nicht?
Rummenigge: Eines ganz klar: Das war nicht Borussia Dortmund. Der Satz kam von einem Ligakollegen, der die Situation nach großen Turnieren eigentlich gut einschätze hätte können. Aber okay, da gab´s keine Solidarität, Thema ist erledigt.
"Der WM-Titel gibt der Bundesliga einen Schub"
Herr Rummenigge, auf die gesamte Bundesliga geblickt: Was bedeutet der WM-Titel für die Liga?
Rummenigge: Ähnlich wie 2010, als der Klubfußball in Spanien vom Gewinn des WM-Titels profitierte, wird diesmal die Bundesliga profitieren. In erster Linie steigt dadurch ihr Image, zumal der größte Prozentsatz der Spieler diesmal auch in der Bundesliga spielt. Beim Titelgewinn 1990 war das zum Beispiel anders, damals bestand die Mannschaft ja überwiegend aus so genannten Legionären. Der Bundesliga gibt der WM-Titel einen Schub und er ist außerdem eine Bestätigung des Aufwärtstrends der vergangenen Jahre.
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Konkreter: Macht es der Titel für die Klubs zum Beispiel einfacher, Stars in die Bundesliga zu holen?
Rummenigge (lacht): Na ja, da zählt wohl immer noch das Motto „Wer die meisten Scheine hat, zu dem wechseln die Spieler“. Das sind meistens keine Klubs aus der Bundesliga. Aber ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Bei unserer USA-Reise in dieser Woche ist der Titel natürlich ein Pfund, mit dem wir wuchern können.
Der DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel klagte, die Titelprämie von 25,7 Millionen Euro sei angesichts des Milliarden-Gewinns für den Fußball-Weltverband Fifa durch die WM viel zu gering. Stimmen Sie ihm zu?
Rummenigge: Absolut. Das ist viel zu wenig Geld. Die Fifa kassiert Milliarden und Verbände sowie die Vereine, auf deren Arbeit der Erfolg fußt, müssen zusehen. Sie werden mit einem minimalen Anteil abgespeist.
Wieviel Geld erhält der FC Bayern von der Fifa für die Spielerabstellungen?
Rummenigge: Grob gesagt eine Million Euro. Das deckt unsere Kosten für die fortlaufenden Gehälter in keiner Weise. Ganz zu schweigen von dem Risiko, wenn ein Spieler verletzt von einem Turnier zurückkommt. Wir sind in dieser Beziehung ja gebrannte Kinder, weil sich Franck Ribery 2008 bei der EM und Arjen Robben 2010 bei der WM verletzten.
Wie angespannt haben Sie die WM-Spiele verfolgt?
Rummenigge: Ich muss gestehen, dass ich sie diesmal sehr genossen habe. Die Qualität war einfach toll, der deutsche Erfolg… Ältere Spieler wie Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger haben endlich den Titel, auf den sie Jahre lang akribisch hingearbeitet haben. Das sind einfach gute Charaktere, tolle Burschen. Aber ich war beim Schlusspfiff auch jedes Mal erleichtert. (lacht)
Wenig Freude dürfte Ihnen jedoch das Video von Bastian Schweinsteiger bereitet haben, in dem er jüngst BVB-Schmäh-Gesänge anstimmte.
Rummenigge: Ach, das war quasi eine WM-Nachfeier. In solchen Situationen entstehen nicht immer die besten Dinge. Er hat sich dafür entschuldigt und damit ist das Thema für mich erledigt.
Haben Sie Ihn ermutigen müssen, sich zu entschuldigen?
Rummenigge: Ich habe versucht, ihn in seinem Urlaub zu erreichen, aber es ist mir nicht gelungen. Bastian weiß außerdem selbst, wie er sich in solchen Situationen zu verhalten hat. Darüber hinaus wünsche ich mir ein wenig mehr Gelassenheit in der Beurteilung solcher Gesänge im Moment sportlicher Erfolge. Als ich früher bei Borussia Lippstadt gespielt habe, gab es auch so einige Schmäh-Lieder gegen den Rivalen Teutonia – das gehörte und gehört einfach dazu.
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Apropos Lippstadt: Wie sind Ihre Kontakte in Ihre Geburtstadt?
Rummenigge: Ehrlich gesagt gibt es kaum noch welche. Meine Eltern sind leider bereits verstorben und meine Brüder wohnen nicht mehr in Lippstadt. Aber ich muss sagen, dass ich eine wirklich schöne Jugend in Lippstadt hatte. Außerdem war die sehr gute fußballerische Ausbildung bei Borussia Lippstadt die Grundlage für meine spätere Karriere. Den Trainern dort habe ich wirklich viel zu verdanken.