Bochum/Dortmund. Vor dem kleinen Revierderby zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund vereinen beide Klubs ähnliche Probleme. Es geht um den Status.
Bochum gegen Dortmund, Bergbaustadt gegen Bierhauptstadt, typisch Ruhrgebiet gegen westfälisches Großbürgertum, der kleine VfL gegen den Weltklub Borussia. Die Grundvoraussetzungen vor dem Bundesliga-Duell zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund am Samstag (15.30 Uhr/Sky) sind gegeben, die vermeintlichen Verhältnisse abgesteckt. Es war fast immer die Geschichte David gegen Goliath, wenn diese beiden Klubs aufeinander trafen, in dieser Saison ist es nicht viel anders.
Wenngleich beide Vereine in diesen Wochen und Monaten mehr eint, als es sich die Verantwortlichen auf beiden Geschäftsstellen ausgemalt hätten. Sportliche Probleme haben sowohl der VfL Bochum, der stärker als die vergangenen Jahre um den erneuten Klassenerhalt zittern muss, als auch der BVB, der um die Qualifikation für die Champions League bangt. Zudem gibt es Führungsprobleme hüben wie drüben. Nicht nur im kleinen Revierderby geht es also auch um den Status der Klubs.
BVB hat noch magische Nächte - wie in der Champions League
Es gibt sie noch die Abende, an denen der Ballspielverein glänzt. Wie am vergangenen Dienstag in der Königsklasse bei Sporting Lissabon (3:0). Nur: Sie sind seltener geworden. Der Alltag ist mehr grau als Schwarz-Gelb. Und die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt das an vielen Stellen. Wer im Ausland über die Bundesliga spricht, erwähnt als erstes Bayern München. Nicht weit dahinter jedoch folgt Borussia Dortmund. Über Jahre hinweg hat sich der BVB den Status als zweiter Leuchtturm aufgebaut, auch wenn er dem Rekordmeister häufig hinterherhinkte. Nach wie vor lockt der Klub auch international Zuschauende und Kunden gleichermaßen.

Inzwischen allerdings ist Dortmund nicht mehr der legitime erste sportliche Herausforderer. Bayer Leverkusen hat seit langem mal wieder gute Arbeit mit Geld aus der Konzernzentrale vereint und hat das Double gewonnen. Der VfB Stuttgart ist unter Sebastian Hoeneß das, was der BVB vor 15 Jahren war – ein echter Hingucker auf dem Weg nach oben. RB Leipzig bleibt RB Leipzig. Eintracht Frankfurt hat sich gefangen. Es ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, im Mai auf einem Champions-League-Platz zu stehen.
BVB fehlen die absoluten Topstars wie Haaland oder Bellingham
Insgesamt zeigt die Kurve beim BVB in den vergangenen Jahren nach unten, trotz Fast-Meisterschaft und Beinahe-Champions-League-Triumph. Dortmunds Kader hat massiv an Wert verloren, etwa 166 Millionen Euro im Vergleich zur Saison 2019/20. Viel Tafelsilber ist nicht mehr da. Jamie Gittens könnte mit seiner Ablöse mal 100 Millionen Euro einbringen, Karim Adeyemi oder Felix Nmecha könnten ebenso Interessenten mit dickem Portmonee anlocken. Nur: Keiner dieser Spieler ist mit Anfang 20 auf dem Niveau von Erling Haaland, Jude Bellingham, Jadon Sancho oder Ousmane Dembélé.
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Den Kader stärken; ihm eine alte neue Philosophie zu verpassen und einen Trainer einstellen, der dazu passt; Talente vor allen anderen finden und ausbilden statt überbezahlte Bankdrücker zu verpflichten – die Aufgaben sind eigentlich gewaltig genug, doch beim BVB ist man stattdessen in einen Führungsstreit abgedriftet. Der noch immer neue Sport-Geschäftsführer Lars Ricken hat ihn erstmal deeskaliert, indem er Kaderplaner Sven Mislintat vor die Tür gesetzt hat. Auch Sportdirektor Sebastian Kehl steht unter Beobachtung.
Ähnliche Probleme haben sie beim VfL Bochum, wenngleich die Wucht eine andere ist als beim BVB. Seit Monaten herrscht im und rund um den Verein Unruhe, die die Verantwortlichen nicht eingefangen bekommen. Was im vergangenen Frühjahr vor der Relegation mit der Manuel-Riemann-Suspendierung anfing, zieht sich bis heute durch. Unterschiedliche Auffassungen, etwa bei der Trainerwahl im Sommer und im Umgang mit dessen Freistellung, gipfelten vor drei Wochen vorerst in der Abwahl von Hans-Peter Villis als Präsident. Der interne Machtkampf – vor allem im Aufsichtsrat – eskalierte endgültig. Längst formieren sich im Hintergrund mindestens zwei neue Teams für die Neuwahl des Aufsichtsrats im Juni. Klar ist, dass die langjährige Galionsfigur Villis erneut antreten wird. Auch Uwe Tigges, Martin Volpers und Christina Reinhardt, die sich gegen Villis gestellt hatten, sprechen derzeit mit Kandidaten für ein neues Team.
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An der sportlichen Ausrichtung des Vereins über den Sommer hinweg sind vor allem die drei derzeit beteiligt. Kritiker bemängeln Stillstand in wichtigen Fragen seit Oktober, zu langsame Entscheidungsfindungen vor allem im sportlichen Bereich. Die Vereinsverantwortlichen hingegen haben stets betont, im Frühjahr die Weichen für die Zukunft stellen zu wollen. Man wolle wieder auf den eingeschlagenen Weg zurückkehren. Aber wohin führt der überhaupt? Welche Richtung wird anvisiert?
VfL Bochum: Verlängert Trainer Hecking?
Möglichst noch im Februar oder März soll nun ein neuer Sport-Geschäftsführer an der Castroper Straße anheuern. Erste Kandidaten – wie etwa Elversbergs Nils-Ole Book – sollen inzwischen abgesagt haben. Andere Kandidaten, mit denen erste lose Gespräche geführt wurden, sollen sich derzeit irritiert darüber zeigen, dass der aktuelle alleinige Geschäftsführer Ilja Kaenzig die Vertragsverlängerung von Dieter Hecking aktiv vorantreiben will, während der Trainer selbst solchen Gesprächen vorerst eine Absage erteilte.
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Auch die sportliche Lage ist prekär. Nach 21 Spielen hat der VfL nur elf Punkte auf dem Konto. Im Winter sollte entsprechend der Kader verstärkt werden – unter der Leitung von Kaenzig, der nach der Freistellung von Sportdirektor Marc Lettau im vergangenen Oktober auch die sportlichen Geschicke übernahm. Er holte Tom Krauß und Georgios Masouras, zwei hoffnungsvolle Verstärkungen, doch viele andere Akteure sagten ab. Zu unsicher soll manchen die Gesamtsituation beim VfL gewesen sein.
VfL Bochum bangt um die Ausrichtung der kommenden Jahre
Schafft der VfL den Klassenerhalt, ist er fünf Jahre in Serie Erstligist, das gelang zuletzt in den 1990er-Jahren. Der nächste Schritt sollte nun sein, sich im Mittelfeld zu etablieren. „Der Anspruch muss sein, dass für den VfL mindestens möglich ist, was Mainz, Augsburg und Union geschafft haben, die Champions League mal ausgeklammert. Oder anders: Niemand kann mir erzählen, warum es in Bochum nicht möglich sein sollte“, sagte Kaenzig im Gespräch mit dieser Redaktion. „Nicht heute, nicht morgen, aber auf Strecke. Wir haben elf Jahre Rückstand aufgrund der Zweitliga-Zugehörigkeit. Das ist auch möglich, wenn man zwischendurch mal absteigt.“ Und das gilt es nun zu verhindern – vielleicht ja schon mit einer Überraschung gegen den strauchelnden Goliath.