Essen. . Das Ex-Radsport-Idol räumt Blutdoping ein - und zeigt keine Reue. Lance Armstrong, seines Zeichens ebenfalls überführter Doping-Sünder, nennt Ullrich nach dessen Geständnis seinen “Freund“. Mit seiner Meinung steht der US-Amerikaner allerdings recht exklusiv da.

Wenn Jan Ullrich in den vergangenen Jahren im Fernsehen Radrennen verfolgte, schaltete er den Ton aus. Den ersten und einzigen deutschen Sieger der Tour de France (1997) störte es, dass die Kommentatoren nicht nur über den Rennverlauf, sondern auch über Doping sprachen. „Das hat mich immer wieder aufgebracht“, sagte der 39-Jährige der FAZ. Die Aussage ist typisch für Ullrich. Selbstkritik oder Aufarbeitung der Vergangenheit? Diese Themen existieren für ihn nicht. Am Samstag gab Ullrich zwar in einem Interview mit dem Focus erstmals zu, Kunde des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes gewesen zu sein und von ihm Eigenblut-Infusionen erhalten zu haben, doch von Reue ist in seinem Geständnis nichts zu spüren. Ebenso wenig gibt er im Gegensatz zu seinen früheren Telekom-Kollegen Udo Bölts, Erik Zabel oder Rolf Aldag das Dopen mit EPO zu.

Beichten, was schon bekannt ist

Ullrich hat nur das gebeichtet, was bekannt war. Schon 2006 tauchte sein Name verklausuliert in der Fuentes-Kundenliste auf. Im Februar 2012 wurde er vom Internationalen Sportgerichtshof CAS schuldig gesprochen worden, die Anti-Doping-Regeln verletzt zu haben. Wegen der Verwicklung in die Fuentes-Affäre wurde er zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend vom 22. August 2011 verurteilt. Sämtliche Resultate seit dem 1. Mai 2005 wurden gestrichen.

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Auch im aktuellen Interview sieht sich Ullrich nicht als Täter, sondern als Opfer, das gar nicht anders handeln konnte. Er habe nur das getan, was alle Konkurrenten getan hätten. Erneut wendet er seine eigene Definition von Betrug an: „Fast jeder hat damals leistungssteigernde Substanzen genommen. Ich habe nichts genommen, was die anderen nicht auch genommen haben“, sagte Ullrich: „Betrug fängt für mich dann an, wenn ich mir einen Vorteil verschaffe. Dem war nicht so. Ich wollte für Chancengleichheit sorgen.“ Dass er die Radsport-Fans, die ihn nach dem Tour-Triumph verehrten, täuschte, das verschweigt er.

Eine Zukunft im Radsport

Die Reaktionen auf das Geständnis fallen ziemlich eindeutig aus. Es gibt nur eine richtig positive Reaktion. „Ein warmherziger Mann. Ein erstaunlicher Athlet. Ein großer Wettkämpfer. Ich habe es geliebt, mit Dir den Ton anzugeben, mein Freund.“ So lautet der Twitter-Eintrag des noch tiefer gefallenen und ebenfalls gesperrten Lance Armstrong. Während dem US-Amerikaner seine sieben Tour-Triumphe aberkannt wurden, gibt es bis jetzt keine weiteren sportgerichtlichen oder gar strafrechtlichen Verfahren gegen Ullrich. Wahrscheinlich gesteht er auch deswegen nur das Blutdoping im Herbst seiner Karriere.

Kritik übten Thomas Bach., der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, der sich zu dessen großen Zeiten so gern und häufig mit Jan Ullrich ablichten ließ. „Für ein wirklich glaubhaftes Geständnis hätte er sich „schon vor einigen Jahren umfassend erklären müssen“, sagte Bach. Für den Heidelberger Molekularbiologen Werner Franke ist es noch heute ein Skandal, dass die Bonner Staatsanwaltschaft 2008 einen Deal mit Ullrich machte und das Landgericht das Verfahren in der Folge gegen eine Zahlung von 250 000 Euro einstellte. Die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada forderte Ullrich auf, die Namen der Hintermänner zu nennen.

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Aber damit ist nicht zu rechnen. Ullrich, dessen Sperre am 22. August abläuft, strebt zwar kein Comeback als Radprofi an, doch sieht er seine berufliche Zukunft weiterhin im Radsport. Auf seiner Homepage wirbt er so: „Ulle & Friends mit Udo Bölts & Eule Ruthenberg. Ein Ritt durch die Vogesen vom 13. bis 15. September. Kultiger geht’s nicht mehr. . .“ Bölts ist sein früherer Edelhelfer, Dieter „Eule“ Ruthenberg der ehemalige Masseur des Telekom-Teams. Wer die drei Tage Rad an Rad mit Ullrich verbringen will, muss 1000 Euro an den einstigen Star überweisen. Und nicht nur mit Hobbyradlern will Ullrich seine Zeit verbringen, der Dopingsünder will auch Kinder an den Radsport heranführen. Hat er denn keine Zweifel, als Vorbild nicht geeignet zu sein? Solche Bedenken weist Ullrich zurück: „Sie sind offen, sie haben keine Scheu. Sie nehmen dich so, wie du bist, wie du auftrittst.“ Jan Ullrich lebt in seiner eigenen Welt. Er wird auch weiter den Ton an seinem Fernseher ausstellen müssen.