Essen. Ex-Radprofi Jan Ullrich hat erstmals Blutdoping eingeräumt. „Er ist nicht nur ein stiller Lügner, sondern er wollte andere sehr aggressiv zum Schweigen bringen“, meint der Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke. Für DOSB-Präsident Thomas Bach kommt Ullrichs Geständnis „viel zu spät“. Die Reaktionen.
Thomas Bach (Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes): "Es ist zu wenig und viel zu spät. Für ein wirklich glaubhaftes Geständnis hätte sich Jan Ullrich schon vor einigen Jahren umfassend erklären müssen. Diese Chance hat er verpasst und selbst jetzt arbeitet er nach meinem Gefühl noch mit rhetorischen Winkelzügen. Dass hilft weder ihm noch dem Radsport weiter."
Jens Voigt (Radprofi): "Die Ulle-Geschichte ist doch ein alter Hut. Oder hat man irgendetwas erfahren, was neu ist?"
Rudolf Scharping (Präsident Bund Deutscher Radfahrer): "Mit solch einem Geständnis hätte er sich und dem Radsport vor Jahren einen Gefallen getan. Aber mit dem heutigen Radsport hat das nichts mehr zu tun."
Stefan Schumacher (Radprofi und ehemaliger Dopingsünder): "Ich hatte zuerst auch erst gesagt, okay, ich habe Fehler gemacht und habe gedacht, das verstehen die Leute. Aber das hat nicht gereicht. Es ist wichtig, alles zu erzählen - das ist für dein Umfeld, deine Familie und dich selber am besten. Die Leute verdienen die Wahrheit."
Paul Martens (Radrennfahrer): "Es war ein offenes Geheimnis. Jeder, der es wollte, hätte es wissen können. Er war ja bekanntlich nicht der Einzige, der es so gemacht hatte."
Michael Vesper (DOSB-Generaldirektor): "Er soll endlich aufhören, scheibchenweise vorzugehen, sondern er soll einen Schnitt machen. Es ist doch auch in seinem Interesse, den Schritt so zu gehen wie Lance Armstrong."
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Statement der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada): "Für den sauberen Sport ist es wichtig, dass er nicht nur seine Vergehen zugibt, sondern auch die Namen anderer Beteiligter im Hintergrund nennt. Die Nada wird darüber hinaus versuchen, Kontakt mit Jan Ullrich aufzunehmen, um weitere Indizien und Hintergründe zu erfahren. Für die Nada wäre es aber wichtig, dass er über das Interview hinaus die Fragen der Nationalen Anti Doping Agenturen beantwortet und sein Wissen teilt. Ein wirklich umfassendes Geständnis könnte weitere Erkenntnisse bringen, die dann in die Arbeit der Nada einfließen können."
Rolf Aldag (Radsport-Manager, Ullrichs früherer Teamkollege, geständiger Dopingsünder): "Die Überraschung hält sich in Grenzen. Er hat bestätigt, was lange bewiesen ist. Ich bin damals einen anderen Weg gegangen, aber die Überwindung ist für Jan riesig, das kann ich sagen. Aber es ist die richtige Entscheidung. Am Sachverhalt an sich ändert es nichts, wir haben uns alle schuldig gemacht."
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Werner Franke (Molekularbiologe und Anti-Doping-Kämpfer): "Das ist ein neuer Europarekord der Lüge. Er hat ja 2006 oder 2007 in vier Sprachen geschrieben, dass er Herrn Fuentes gar nicht kenne. Er hat damals vor Gericht eine Unterlassung gegen mich erwirkt, die ich erst nach viereinhalb Jahren umdrehen konnte. Er ist nicht nur ein stiller Lügner, sondern er wollte, koste was es wolle, andere sehr aggressiv zum Schweigen bringen."
Fritz Sörgel (Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg): "Es erscheint unvorstellbar, dass er mit reinem Blutdoping ausgekommen ist. Wenn ein Sportler seinen Körper durch Blutdoping auf eine höhere Stufe bringt, wird fast immer mit Steroiden gearbeitet, um die stärkeren Belastungen aufzufangen. Ullrich gesteht scheibchenweise, dass er bei Fuentes war, ist nur ein Teil der Geschichte."
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Falk Nier (Ullrichs PR-Berater): "Es ist ein Reifeprozess und ein Verarbeitungsprozess von Jan. So, wie sich in den letzten eineinhalb Jahren die Geschichte des Radsports entwickelt hat, ist nie Ruhe eingekehrt. Jan hat sich das anders vorgestellt. Letztlich muss man jedem zugestehen, ob, wann und wie er das macht." (sid/dpa)