Essen. Jan Ullrich hat dem Nachrichtenmagazin Focus gegenüber zugegeben, dass er während seiner Karriere Blutdoping betrieben hat - doch das ist nichts Neues. Ullrich gibt nur zu, was ohnehin schon jeder weiß und bleibt bei seiner eigenen Version der Wahrheit - ein Kommentar.
Mal ehrlich: Dieses sogenannte Doping-Geständnis hätte Jan Ullrich sich und uns besser erspart. Denn substanziell Neues hat er zu seiner eigenen Dopingvergangenheit und zum Dopingsumpf Radsport nicht preisgegeben - und dann kommt das bisschen Geständnis auch noch mit jahrelanger Verspätung. Dass Ullrich beim spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes in Behandlung war und mit Blutdoping nachgeholfen hat? Ist seit 2006 bekannt, als die spanische Polizei bei Fuentes Blutbeutel fand, die später dem gebürtigen Rostocker zugeordnet werden konnten.
Die Bonner Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und stellte diese im Jahr 2008 nur gegen eine Zahlung von 250.000 Euro wieder ein, 2012 fällte der internationale Sportsgerichtshof sein Urteil in der Causa Fuentes, sprach Ullrich rückwirkend schuldig und annulierte alle seine Ergebnisse seit dem 1. Mai 2005.
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Anlässe, reinen Tisch zu machen, hatte der Ex-Radprofi also mehr als genug, aber er schwieg beharrlich - und mehr noch: Den Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke etwa, der ihm Zahlungen an Fuentes unterstellte, zerrte er vor Gericht und zwang ihm eine Unterlassungserklärung auf. Er kämpfte seinen Kampf gegen die Wahrheit vielleicht nicht ganz so knallhart und unerbittlich wie Lance Armstrong, den erst kürzlich die US-Antidopingagentur überführt und schließlich ins - ebenfalls äußerst lückenhafte - Geständnis getrieben hatte. In der Sache aber war Ullrich ebenso konsequent: Er habe keinen Kontakt zu Fuentes, das hatte er sogar eidesstattlich versichert.
Eine glatte Lüge, wie spätestens jetzt auch dem treusten Fan klar sein sollte.
Jan Ullrich hat betrogen
Und auch jetzt klammert sich der Tour-Sieger von 1997 weiter verzweifelt an seine ganz eigene Version der Wahrheit: Er habe doch niemanden betrogen. "Fast jeder hat damals leistungssteigernde Substanzen genommen. Ich habe nichts genommen, was die anderen nicht auch genommen haben", sagte er dem Nachrichtenmagazin Focus. "Betrug fängt für mich dann an, wenn ich mir einen Vorteil verschaffe. Dem war nicht so."
Das mag er selbst sogar glauben, doch es ist, mit Verlaub, Blödsinn. Betrug fängt im Sport da an, wo gegen die Regeln verstoßen wird. Jan Ullrich hat seine ehrlichen Kollegen - so es diese denn gab - betrogen, seine Sponsoren, die Renn-Veranstalter - und nicht zuletzt die Medien, die neutralen Zuschauer und seine Fans. Und nun gibt er nur das zu, was ohnehin schon alle wussten: Blutdoping.
Eine verstrichene Gelegenheit
Andere Substanzen will er nicht genommen haben - doch das widerspricht allem, was man über Dopingpraktiken weiß, allen Indizien und den Geständnissen anderer Fuentes-Kunden wie Tyler Hamilton oder Jörg Jaksche: "Wenn ein Sportler seinen Körper durch Blutdoping auf eine höhere Stufe bringt, wird fast immer mit Steroiden gearbeitet, um die stärkeren Belastungen aufzufangen", sagt etwa Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg. Und: Schon 2010 behauptete der Telekom-Masseur Jef D'hont, er selbst habe Ullrich das Dopingmittel Epo gespritzt.
Jan Ullrich hätte dem Radsport einen Dienst erweisen können, wenn er wirklich reinen Tisch gemacht hätte, wenn er ausgepackt hätte über Dopingstrukturen und deren Hintermänner. Doch diese Gelegenheit hat er wie so oft in den vergangenen Jahren verstreichen lassen. Und so bleibt das Interview im Focus nichts weiter als der verzweifelte Versuch, eines ehemaligen Idols, seinen arg ramponierten Namen ein wenig reinzuwaschen.