Essen. Nach Lance Armstrongs Erklärung, nicht mehr gegen Dopingvorwürfe kämpfen zu wollen, scheint die Lage klar: Der Radfahrer aus Texas bekommt seine sieben Tour de France-Siege aberkannt und wird lebenslang gesperrt. Doch erstmal muss sich der Weltverband UCI einschalten.
Der Fall Lance Armstrong klingt spektakulär. Abererkennung der sieben Tour de France-Siege und eine lebenslange Sperre für den 40-jährigen US-Amerikaner. Zudem hat der frühere Radprofi auf seiner Homepage pathetisch erklärt: Er sei es leid, gegen die Dopingvorwürfe zu kämpfen. Daher werde er den Kampf sofort aufgeben.
Soweit die Schlagworte, die einen Durchbruch versprechen. Doch bei genauem Hinsehen bleiben jede Menge offene Fragen, die auf ein weiteres zähes Ringen in dem Fall hinweisen.
Lance Armstrong will der fitteste 40-Jährige werden
Erstens: Lance Armstrong hat den Kampf nicht aus pathetischen Gründen aufgegeben. Er ist keineswegs so müde, wie er es darstellt. Denn er hat am Ende seiner Stellungnahme angekündigt: Er wolle nun der fitteste 40-jährige Mann der Welt werden.
Der wohl eigentliche Beweggrund: Würde Armstrong weiter gegen den für Freitag erwarteten Urteilsspruch der US-Anti-Doping-Behörde USADA angehen, käme es zu einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht. Armstrong hatte aber genau dieses immer verhindern wollen. Er hatte vor einem Gericht in seiner Heimatstadt Austin in Texas geklagt, um die Ermittlungen gegen sich als illegal einstufen zu lassen. Am vergangenen Montag scheiterte der 40-Jährige mit seinem Plan, das Gericht erklärte die Nachforschungen als rechtsmäßig.
In der Folge darauf verzichtete Armstrong nun auf weitere Gegenwehr. Schließlich hätten bei einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht alle Zeugen noch einmal öffentlich aussagen müssen. Offensichtlich hat Armstrong daran kein Interesse.
Bei der Wada gibt es Verjährungsklauseln
Zweitens: Die rechtliche Lage ist völlig unklar. In den Regeln der Welt-Antidoping-Agentur Wada gibt es Verjährungsklauseln. So dürfen Dopingvergehen nach acht Jahren nicht mehr sportrechtlich verfolgt werden. Damit wären alle Siege von Armstrong vor dem Jahr 2004 nicht mehr anzufechten. Die angestrebte Regelung mit der Aberkennung aller Titel soll aber ab 1998 gelten.
Dieser Acht-Jahres-Mechanismus greift nicht im Radsport allein, sondern er gilt für die komplette Sportwelt. Beispiel: Die eingefrorenen Dopingproben der Olympischen Spiele 2004 in Athen, die mit neuer Analyse-Methodik nachuntersucht werden sollten, sind seit einem Monat keine tickenden Zeitbomben mehr. Einige Proben wurden als Alibi vor Olympia in London noch untersucht, der Rest wird nun entsorgt. Die achtjährige Verjährungsfrist ist abgelaufen.
Drittens: Die Lage zwischen den entscheidenden Institutionen ist nicht von großer Freundschaft geprägt. Auf der einen Seite die US-Antidoping-Agentur USADA. Sie will Armstrong im Laufe des Freitags aufgrund von Indizien und Zeugenaussagen lebenslänglich sperren und ihm seine sieben Tour-de-France-Siege aberkennen.
Die Funktionäre halten sich im Fall Lance Arnmstrong bedeckt
Nur: Diese Erfolge kann die US-Behörde dem ehemaligen Profi nicht aberkennen. Dieses kann nur der Radsport-Weltverband UCI, der auf der anderen Seite steht. Der Weltverband hat noch im Sommer vor Gericht versucht, das Vorgehen der USADA zu unterbinden und wollte die Untersuchungen in eigener Hand zu behalten. Dies gelang der UCI nicht.
Entsprechend bedeckt halten sich die Radsport-Funktionäre nun. Sie wollen, so hieß es, erstmal das Urteil und die Begründung aus den USA abwarten, bevor es überhaupt eine Stellungnahme geben würde.
Es sieht also nicht nur wegen der Zeitverschiebung zwischen den USA und Europa und des nahenden Wochenende so aus, als könnte die Armstrong-Geschichte in eine weitere zähe Runde münden. Trotz aller Schlagworte, die auf den ersten Blick einen Durchbruch in dem langwierigen Fall zu versprechen schienen.