Duisburg. Demos hin oder her – am Wahlstand in Duisburg erfährt die CDU nur vereinzelt Kritik für den Umgang mit der AfD. Viele loben den Kurs.
Ehrlich gesagt, hatten die Wahlkämpfer der CDU in Duisburg mit mehr Gegenwind gerechnet. Schließlich liefen am Donnerstagabend rund vierhundert Menschen vor ihrer Geschäftsstelle auf und skandierten „CDU, shame on you“. Vor dem Bochumer Bahnhof empfängt der CDU-Wahlcontainer Besucher nun mit einer Schmiererei: „Merz wird die AfD an die Macht bringen“. Am Parteibüro in Dortmund zerplatzten Farbbeutel. Hier demonstrierten am Donnerstag 4700 Menschen gegen die Entscheidung von CDU-Chef Friedrich Merz, Mehrheiten in der Migrationspolitik mit der AfD zu bilden. Viele weitere Demos sind geplant oder schon gelaufen. Aber von all dem Aufruhr kommt am Wahlstand in der Duisburger Fußgängerzone nur ein Lüftchen an.
„Man müsste die Merkel aus der CDU rausschmeißen“, poltert Manfred E., der früher in der Stadtverwaltung gearbeitet hat. Die Entscheidung der CDU, Anträge mit Stimmen der AfD durchzubringen, hält der 83-Jährige für „völlig richtig. Ob das taktisch klug war, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass es den Merz Stimmen gekostet hat. Weil die Mehrheit der Bevölkerung so denkt wie ich, wie meine Frau, wie mein gesamtes Umfeld. Merz ist der Erste, der versucht hat, das Problem anzupacken.“
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Aus Sicht der Wahlkämpfer sind die anderen schuld
Ein Paar mit zwei Kindern bleibt stehen. „Bei mir in der Familie und im Bekanntenkreis gibt es eine hohe Zustimmung für die Vorgehensweise“, sagt der Mann. „Für uns ist das Schlimmste, dass sich nichts ändern wird. Was will man denn machen, wenn sie demnächst 20 Prozent haben? Sie werden jedes Mal jubeln.“ – Der Wahlkämpfer sagt: „War einfach eine doofe Woche.“
Auch Heinz und Sandra Schmitz bleiben vor dem bunten Lifesaver-Brunnen stehen. „Man liest viel negative Resonanz“, sagt der 77-Jährige. „Aber die Leute, mit denen ich spreche, sagen: Eigentlich hat er recht.“ – Und wenn das Gesetz am Freitag durch die Zustimmung der AfD zustande gekommen wäre? – „Ich bin gespalten, aber ich frage: Warum machen die anderen nicht mit?“

Dass allein die SPD und die Grünen schuld seien an dem Schlamassel mit der AfD, weil sie hätten zustimmen müssen, hört man oft an diesem sonnigen Samstagvormittag in Duisburg. Es ist die Linie oder die tatsächliche Ansicht aller Wahlkämpfer, darunter die beiden Bundestagskandidaten Björn Pollmer und Dennis Schleß. „Ich finde es unfassbar, wie diese zwei Parteien die CDU vorführen“, sagt auch Ratsherr Ralf Jörg Brotzki. „Aus wahltaktischen Gründen sowas zu machen. Ich bin entgeistert.“
An dieser Stelle ist ein Einschub notwendig. Was ist am Mittwoch und am Freitag in Berlin passiert?
Es geht um zwei Anträge mit Appellcharakter und ein „Zustrombegrenzungsgesetz“. Über letzteres hatten die demokratischen Parteien schon im Ausschuss verhandelt, und es hatte sich eine Annäherung abgezeichnet, aber einen Konsens gab es zu keiner Zeit. SPD und Grüne hatten immer betont, dass sie dem Gesetz in dieser Form und auch den beiden Anträgen nicht zustimmen würden. Friedrich Merz entschied dennoch, die Anträge am Mittwoch zur Wahl zu stellen, den Gesetzesentwurf am Freitag. Mit der AfD gab es keine Absprache darüber. Aber rechnerisch war ein Erfolg nur mit den Stimmen der AfD möglich.
Der erste Antrag wurde nach einer dramatischen Parlamentsdebatte beschlossen. Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine Mehrheit durch Stimmen von Rechtsaußen zustande kam. In dem nicht bindenden Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, ihre Migrationspolitik in fünf Punkten zu ändern. Der zweite Antrag scheiterte.
Merkels Mahnworte
Die Proteste begannen. Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich zu Wort und kritisierte den Kurs von Friedrich Merz. Sie erinnerte ihn an seinen eigenen Vorschlag an SPD und Grüne: Der Bundestag solle so abstimmen, dass nicht „auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt“. Kanzlerkandidat Friedrich Merz änderte seine Meinung.
Es sind wenige, die am Samstag am Duisburger CDU-Stand Kritik äußern. Eine Dame sagt: „Ich fand furchtbar, was in Berlin passiert ist, ich war traurig.“
Michael Büttgenbach, Fraktionsvorsitzender der CDU im Duisburger Stadtrat, antwortet ihr: „Es geht um die Sicherheit.“ Die demokratischen Parteien hätten zustimmen müssen. – Aber es sei doch vorher klar gewesen, dass sie dies nicht tun werden, erwidert die 74-Jährige. „Ich weiß noch nicht, ob ich wieder CDU wähle. Ich lese mir alles nochmal durch.“ Sie meint die Parteiprogramme.
Fällt es Ihnen schwer?
Als sie gegangen ist, fragen wir Herrn Büttgenbach, ob es ihm schwerfalle, die Geschehnisse im Bundestag zu verargumentieren?
„Überhaupt nicht. Was ist denn passiert? Es ist ein Antrag gestellt worden, dem SPD und Grüne ohne Probleme hätten zustimmen können. Die Brandmauer wäre ja nur eingebrochen, wenn man mit der AfD gesprochen hätte.“
„Damit ist die Brandmauer nicht gefallen. Und sie wird auch nicht fallen“, interpretiert auch Bundestagskandidat Dennis Schleß. „Wir müssen wieder über andere Themen reden.“
Lesen Sie hier, die ausführliche Stellungnahme von Dennis Schleß und Björn Pollmer
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Aber einige bringen eben doch Kritik an wie Christa Friedrich, seit 32 Jahren ist sie in der CDU. „Ich bin so enttäuscht. Warum hat Friedrich Merz das gemacht?“
„Weil er Glaubwürdigkeit beweisen wollte“, sagt ein Wahlkämpfer.
„Ach hören Sie auf, die kann man anders beweisen.“
„Man kann ihnen ja nicht sagen, dass sie nicht mit uns stimmen sollen, dann würde man ja mit ihnen reden.“
„Wir haben bisher auch nicht mit Ihnen geredet und es hat immer funktioniert.“ Als sie geht, droht Christa Friedrich, ihre Karte abzugeben, wenn die CDU weiter mit der AfD zusammenwirke.
Immer wieder Aschaffenburg
„Fragen Sie die Leute aus Aschaffenburg, die Angehörigen“, sagt uns Björn Pollmer. Den Inhalt der Anträge halte er für richtig. „Es ist Demokratie, dass andere zustimmen dürfen.“ Er tritt im Duisburger Norden an, wo die AfD bei der Europawahl an die 30 Prozent geholt hat. Sollte sie hier ihren ersten Wahlkreis in Westdeutschland direkt gewinnen, würde er es auch als persönliche Niederlage begreifen. Es habe ihn schockiert, als er in Neumühl das erste Mal an einem Wahlstand Kinder mit AfD-Ballons gesehen habe. „Aber es sind einige Leute zu mir gekommen und haben gesagt: Wenn ihr so weitermacht, wähl‘ ich euch wieder.“
Zeitgleich beginnt in Essen eine Demonstration gegen den Rechtsruck der Union, zu der sich 14.000 Menschen einfinden werden. In Duisburg war es ein fast normaler Wahlkampftag.