Berlin. Heute trifft sich die CDU zum Parteitag. Wie es um den Rückhalt in den eigenen Reihen steht – und was SPD und Grüne von Merz erwarten.

Am Wochenende waren sie wieder auf den Straßen. Hunderttausende Menschen bei Demonstrationen in ganz Deutschland, in Hamburg, in Köln, in Berlin, aber auch in vielen kleineren Städten. Manche Plakate warnen vor dem Rechtsextremismus, auf anderen steht schlicht: „Fritz, hör auf Mutti“.

Seit Tagen geht das so. Seit Friedrich Merz am Mittwoch der vergangenen Woche in Kauf genommen hat, dass es die AfD ist, die einem Unionsantrag im Bundestag zur Mehrheit verhilft – und so eine Zäsur eingeschrieben hat in die Geschichte der deutschen Demokratie seit 1949.

Auch Tage später noch ist zu spüren, wie diese Entscheidung und ihre Wiederholung am vergangenen Freitag (31. Januar) das politische Gefüge der Republik erschüttern: die Parteien, die möglichen Regierungsbündnisse, die Menschen, die in weniger als drei Wochen zur Wahl aufgerufen sind. Wenn die CDU am heutigen Montag in Berlin zu ihrem eintägigen Parteitag zusammenkommt, wird das Treffen deshalb von vielen Fragen begleitet sein.

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Wird Merz es wieder tun?

Auf die Frage, ob er alles noch einmal so machen würde wie in dieser Woche, sagte Merz am Freitagabend: „Ja. Ich finde, das ist eine Woche gewesen, die für Klärung gesorgt hat.“ Gleichzeitig betonte er, dass sich die CDU nicht von der AfD abhängig machen sollte. Auch am Sonntag (2. Februar) unterstrich er das noch einmal. „Wir haben mit der nie zusammengearbeitet, wir werden mit der nicht zusammenarbeiten“, sagte Merz. „Es findet mit uns, mit mir, nicht statt.“ Allein: In der Frage, was Zusammenarbeit heißt, gehen die Meinungen auseinander.

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Meine schwerste Entscheidung

Wie geeint ist die CDU?

Im Wahlkampf-Endspurt versammelt sich die Partei hinter ihrem Kanzlerkandidaten und Parteichef. Die Union ist eine routinierte Machtmaschine. CDU und CSU wissen, dass sie nur mit Geschlossenheit die Wahl gewinnen können. Viele sehen das Merz-Manöver kritisch – schweigen aber.

Die zwölf Unionsabgeordneten, die am Freitag dem Gesetzentwurf ihre Stimme verweigerten, tun Merz nicht weh, viele von ihnen verlassen nach der Bundestagswahl sowieso die Politik. Daniel Günther, CDU-Regierungschef in Schleswig-Holstein, bleibt einer der wenigen sichtbaren Merz-Kritiker: Er sei erleichtert, „dass es keinen Beschluss gegeben hat, der sich auf die Stimmen der AfD stützt“.

Andere dagegen springen dem Parteichef bei. Dass SPD und Grüne die migrationspolitischen Vorschläge der CDU ablehnen, ignoriere den Willen einer Mehrheit in Deutschland, die „endlich geordnete Verhältnisse und die Umsetzung klarer Regeln“ in der Migrationspolitik fordere, sagt Joe Chialo, Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und Mitglied im Bundesvorstand der Partei, dieser Redaktion. „Die AfD ist für die CDU kein Partner!“, betont er. Aber wenn SPD und Grüne parteipolitische Auseinandersetzungen über das Gemeinwohl stellen würden, schwäche das Vertrauen der Menschen in die Politik und die Demokratie.

Und die CSU? In der CDU wissen sie aus leidvoller Erfahrung, dass die Unterstützung aus München ein verderbliches Gut ist. Doch bis jetzt steht die Schwesterpartei hinter Merz. CSU-Chef Markus Söder sagte am Sonntag, Merz habe in der Migrationsfrage eine Leitentscheidung getroffen. „Er hat sich als Kanzlerkandidat für diesen Weg entschieden und damit gezeigt, dass er es ernst meint mit der Asylwende“, sagte Söder. „Dafür verdient er Unterstützung und Loyalität.“ Kein CSU-Abgeordneter habe im Bundestag gefehlt. Das kann man als Spitze in Richtung der zwölf CDU-Parlamentarier lesen, die nicht abgestimmt hatten.

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Was heißt das für mögliche Regierungskoalitionen nach der Wahl?

Wenn die Stimmanteile der Parteien am 23. Februar ungefähr dort liegen, wo sie jetzt in den Umfragen sind, gibt es nur wenige mögliche Bündnisse: Die Union gemeinsam mit der SPD hätte wohl eine Mehrheit, auch für schwarz-grün könnte es reichen. Und auch Union und AfD hätten wohl gemeinsam eine Mehrheit der Sitze.

Eine Koalition von CDU und CSU mit der AfD hat Friedrich Merz stets vehement abgelehnt, diese Absage sogar mit seinem persönlichen Schicksal als Parteichef verknüpft. Auch der Merz-Vertraute und Fraktionsmanager Thorsten Frei schloss eine Zusammenarbeit mit der AfD nach der Bundestagswahl kategorisch aus. Es werde mit der Union auch keine Minderheitsregierung geben, die möglicherweise auf AfD-Stimmen angewiesen wäre. Und trotzdem fragen sie sich bei SPD und Grünen nach dieser Woche, ob sie diesen Schwur noch glauben können.

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Bundeskanzler Olaf Scholz etwa warf Merz einen Tabubruch vor und erklärte, die Bürger könnten dem CDU-Mann nicht mehr glauben. SPD-Chef Lars Klingbeil, der als möglicher Vizekanzler in einer Großen Koalition gehandelt wird, misstraut Merz ebenfalls: Merz habe nicht klar gesagt, dass er nicht wieder auch Mehrheiten mit der AfD suchen wolle.

Auch bei den Grünen ist das Misstrauen groß: Sie werden Merz einen „Wortbruch“ vor – und fürchten, dass es nicht der letzte gewesen sei. Mit Sorge schauen sie auf Äußerungen von Unionsleuten, die betonen, man werde die eigene Politik notfalls allein durchsetzen, wenn es keine Partner gebe. Allein – das heißt mit anderen Worten: egal, wer zustimmt.

„Merz hat sein Handeln mehrfach damit begründet, dass er Vertreter einer Mehrheit wäre“, sagt Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Diese Mehrheit schließe aber neben CDU und FDP auch die AfD mit ein. Der CDU-Chef beende damit den demokratischen Konsens. „Es fällt schwer, daran zu glauben, dass aus dieser Logik nicht auch grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen folgen wird.“ Trotzdem appelliert Dröge an Merz und die Union, „zurückzukommen“ in die demokratische Mitte.

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