Essen. 225 Meter lang, 26, Meter breit, 20.000 Tonnen schwer, elf Decks hoch – die technischen Eckdaten verraten noch recht wenig, warum dieses Schiff so besonders ist. Doch mit der “Europa 2“ schickt Hapag-Lloyd ein Luxusschiff auf Reisen. Gut 5000 Euro kostet eine Kreuzfahrtwoche pro Person - mindestens.

Der Titel „beste Schiff der Welt“ ist längst vergeben. Seit vor 13 Jahren die MS Europa getauft wurde, gilt sie laut Berlitz Cruise Guide in der Klasse der 5-Sterne-plus-Schiffe Jahr für Jahr als das beste Schiff der ultimativen Luxus-Kategorie. Nun begibt sich die Reederei Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten mit der Indienststellung der Europa 2 auf eine neue, noch unbekannte Reise.

Diesmal soll der Luxus neu interpretiert werden, nämlich auf die ganz legere Art. Und der erste Eindruck, eingefangen noch vor der offiziellen Jungfernfahrt, ist mehr als vielversprechend. Denn die Europa 2 erfüllt auf Anhieb alle Voraussetzungen für einen nicht minder attraktiven Titel – „schönstes Schiff der Welt.“

Ausschließlich Veranda-Suiten oder Deluxe-Suiten mit Balkon

225 Meter lang, 26, Meter breit, 20.000 Tonnen schwer, elf Decks hoch – die technischen Eckdaten verraten noch recht wenig, warum dieses Schiff so besonders ist. Erst die Anzahl der maximalen Gästezahl in Relation zu der verbauten Fläche macht den Unterschied deutlich. Gerade einmal 516 Gäste müssen sich dieses Schiff teilen, was einen rechnerischen Bestwert in der kommerziellen Schifffahrt ergibt. Untergebracht sind diese ausschließlich Veranda-Suiten oder Deluxe-Suiten mit Balkon, auch dies ein Novum auf den Weltmeeren.

Die Reisenden sind in Suiten mit Meerblick untergebracht.
Die Reisenden sind in Suiten mit Meerblick untergebracht. © Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Entsprechend großzügig und hell wirken die Suiten und öffentlichen Bereiche. Nicht nur, dass in der Schiffsmitte ein gläsernes Atrium errichtet wurde, das den Blick durch das gesamte Schiff ermöglicht. Darüber hinaus wurde mit dem Deck 4 ein ganzes Deck gleich doppelt so hoch wie sonst üblich konstruiert, was gewaltige Effekte nach sich zieht.

Hier ist Luft, Licht und Geräumigkeit in einem Maße vorhanden, wie man es noch auf keinem anderen Kreuzfahrtschiff gesehen hat. Dazu ein durchgestylter Empfangsbereich und eine angrenzende Piano-Bar, die im wahrsten Sinne zum niederknien ist. In den Restaurants wie dem Tarragon (feinste französische Küche – beispielsweise Beef Tatar, Kalbskopf oder Chateau Briand) kommt dank nahezu bodentiefer Fenster und den hohen Decken sogar die Assoziation mit einem wunderschönen Altbau auf - Meerblick inklusive.

Bekannte Traditionen werden über Bord geworfen 

Auffällig auch die gelungene Wahl der Stoffe, Farben und verbauten Materialien auf dem gesamten Schiff. Helle Töne dominieren, die Designsprache lässt sich mit der Beschreibung schlicht-modern gut zusammenfassen. Ein optisches Bekenntnis, wie deutlich sich die Europa 2 von dem klassisch-eleganten Stil der Europa abgrenzt. Ein Wertewandel, der sich aber nicht auf die Architektur beschränkt.

Der Gast soll selbst und individuell entscheiden, wann, wo und mit wem er speisen möchte.
Der Gast soll selbst und individuell entscheiden, wann, wo und mit wem er speisen möchte.

Denn gleichzeitig werden auf der Europa 2 bekannte Traditionen wie der Krawattenzwang und das formelle Captains Dinner radikal über Bord geworfen. „Mit der Europa 2 gehen wir ganz bewusst neue Wege. Sowohl in der Architektur als auch in den Konzepten von Gastronomie bis Entertainment interpretieren wir die Luxus-Kreuzfahrt modern und leger“, erklärt Dr. Wolfgang Flägel, Geschäftsführer Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten, die neue Philosophie.

So gilt etwa in den sieben Restaurants grundsätzlich die Regel, dass der Gast selbst und individuell entscheiden darf, wann, wo und mit wem er speisen möchte. Das Unterhaltungsprogramm, etwa die Show „Earth“, kommt so progressiv, experimentell, und gleichzeitig berührend daher, dass es die klassischen Europa-Gäste vermutlich verstört aus dem Theater treibt. Nein, an Mut etwas wirklich Neues auszuprobieren, fehlt es den Machern der Europa 2 wahrlich nicht.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Allein die Definition des idealtypischen Gastes ist für die traditionsreiche und ziemlich konservative Reederei ein gewaltiger Schnitt. „Unser Reisender hat ein Alter von 45+, ist beruflich oft stark eingebunden und verfügt über ein Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 5000 Euro“, berichtet Flägel. Ebenfalls im Fokus stehen vermögende Familien, die Betreuung der Kinder erfolgt im eigenen Kids- und Teen-Club.

Wie weit Wunsch und Wirklichkeit dieser Definition zunächst auseinander klaffen, darüber scheiden sich derzeit die Geister. Zumindest zum Start sind es überwiegend alteingesessene Stammfahrer der Europa, die aus Neugierde eine Passage mit dem neuen Schiff gebucht haben.

Keine Abgrenzung zur MS Europa

Genau in diesem Punkt liegt die strategische Falle, in die die Reederei schlimmstenfalls tappen könnte. „Die Abgrenzung zur Europa ist im Vorfeld noch nicht deutlich geworden“, kritisiert beispielsweise eine erfahrene Reisebüro-Inhaberin. „Für mich ist die Europa 2 bislang nur ein Verschiebebahnhof. Es wird verdammt schwer, wirklich neue Gäste zu gewinnen“. Ein Grund dafür dürften nicht zuletzt die stolzen Preise sein, die Hapag-Lloyd für seine Reisen aufruft. An diesem Punkt steht die Europa 2 nämlich ihrem Schwesterschiff in nichts nach.

5000 Euro zuzüglich Ausgaben 

Gut 5000 Euro, zuzüglich persönliche Ausgaben für Ausflüge und Getränke, kostet eine Kreuzfahrtwoche pro Person - mindestens. Immerhin hat die Reederei bereits die Erkenntnis gewonnen, dass zwei Schiffe dieser Preisklasse für den deutschen Markt vielleicht doch zu viel sind. Und versucht nun die Europa 2 auch in internationalen Märkten wie den USA und Großbritannien an den Mann zu bringen.

Kunstwerke für mehrere Millionen Euro zieren das Schiff.
Kunstwerke für mehrere Millionen Euro zieren das Schiff.

Doch zurück zu weiteren Merkmalen, die auch Kreuzfahrt-Liebhaber, die sich eine Europa 2 wahrscheinlich nie leisten können, begeistern dürften. So wurden beispielsweise für mehrere Millionen Euro insgesamt 890 original Kunstwerke (u.a. Gerhard Richter) eingekauft und auf dem gesamten Schiff platziert. In der Küche arbeiten 66 Mitarbeiter, allein 50 davon sind Köche. Neben dem französischen Spezialitätenrestaurant gibt es feine asiatische, italienische und internationale Küche, zudem auch wieder einen Ableger der Sylter Sansibar. Der Spa- und Fitnessbereich ist über 1000 Quadratmeter groß und befriedigt alle denkbaren Ansprüche der Wellness-Fraktion.

„Entscheidend ist der gelebte Service“

Ein weiteres Highlight ist das 20.000 Tonnen schwere Glasdach, welches das gesamte Pooldeck wenn nötig bei Wind und Wetter schützt. Oder zu später Stunde den perfekten Rahmen für Partys der Superlative bildet, bei der die Gäste quasi über dem Wasser schwebend auf einer Bühne tanzen können. „Und doch ist das Schiff letztlich nur die technische Plattform“, mahnt Dr. Henning Brauer, Neubauleiter der MS Europa 2, den vielleicht wichtigsten Aspekt an Bord nicht zu vergessen. „Entscheidend ist der gelebte Service“.

Ein Glasdach schützt bei Bedarf vor Wind und Wetter.
Ein Glasdach schützt bei Bedarf vor Wind und Wetter.

Und genau diese Bewährungsprobe muss die Europa 2, bei aller attestierten Perfektion in der architektonischen Gestaltung, bei Design und Geschmack, noch bestehen. Das auffallend junge Servicepersonal wirkte beim Start ungemein motiviert, sehr erfrischend im Auftritt, aber für ein 5-Sterne-plus-Niveau mitunter auch ziemlich unbeholfen in der Ausführung.

Für mindestens zwölf Jahre hat Hapag-Lloyd den Chartervertrag für dieses bemerkenswerte Kreuzfahrtschiff abgeschlossen. Spätestens nach zwölf Wochen auf hoher See müssen diese Kinderkrankheiten der Vergangenheit angehören. Gelingt dies, wird die Europa 2 den Titel „schönstes Schiff der Welt“ so schnell nicht mehr hergeben müssen.