Baku/Essen. . In Kürze startet der European Song Contest 2012. Doch der Austragungsort Baku steht auch in der Kritik. Für die meisten Menschen ist der Glamour in der Hauptstadt Aserbaidschans zum ESC unerreichbar. Sie kämpfen um ihre Existenz.

Eine Einkaufsstraße aus weißem Marmor, ein Prachtboulevard am kaspischen Meer, Zwillingstürme in Form zweier zum Himmel strebender Stierhörner. Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans, hat sich zum European Song Contest herausgeputzt. Doch für die meisten ist der Glamour Bakus so unerreichbar, wie ein Anteil am Öl- und Gasreichtum der postsowjetischen Republik: Sie kämpfen um ihre Existenz.

Ganze Stadtteile im Herzen Bakus lässt Präsident Ilcham Alijev renovieren. Die meisten Planungen sind schon älter, doch für die große Musikfeier wird hier noch mal eine Schippe draufgelegt, damit alles möglichst schnell fertig wird. Schließlich soll Baku glänzen.

Überall schießen Bürogebäude und Hotels aus dem Boden. Tausende mussten in den letzten zwei Jahren ihre Häuser im Zentrum der Stadt verlassen, wurden umgesiedelt an den Stadtrand oder schlicht vertrieben. Hinter einem langen Bauzaun, neben einem Viertel mit engen Gassen und lauter Musik, planieren Bulldozer eine Ruinenlandschaft. Vor kurzem standen hier noch Wohnungen. Noch rechtzeitig zum Songfestival will die Stadt hier aber eine Parkanlage fertig stellen.

Jobs sind rar in der Stadt

Auch sonst haben die einfachen Leute wenig vom Fest. Jobs sind immer noch rar. Nur wenige haben das Glück und finden Arbeit in der Öl- und Gasindustrie. Viel mehr Chancen gibt es hier nicht. Eine arbeitsplatzintensive Schwerindustrie gibt es kaum. Alle Versuche zumindest eine Leichtindustrie zu entwickeln blieben bis jetzt in den Anfängen stecken. Die meisten Aseris leben heute vom Kleinhandel oder von der Landwirtschaft. In der Sowjetzeit war Aserbaidschan die Gemüsegärtnerei des Ostblocks. Zudem wird Aserbaidschan immer noch von einer internen Flüchtlingskrise gebeutelt. Nach dem Krieg mit Armenien Anfang der 1990er Jahre wurden über 700.000 Menschen vertrieben.

Gut leben lässt es sich in Aserbaidschan alleine für eine schmale Schicht, die eng mit dem Regime verbandelt ist. Regierungsfreundlichen Beamten wurden 4-Zimmer-Wohnungen in neu errichteten Hochhäusern zugeteilt, mit Blick aufs kaspische Meer. Im Zentrum Bakus gibt es heute exklusive Tanzclubs auf den Dächern pittoresk renovierter Altstadt-Gebäude.

Willkürliche Verhaftungen

Wer sich wehren will, hat es schnell schwer. Ahad Mamadli, Mitglied der liberalen Oppositionspartei Müsavat, wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, wegen angeblicher Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstands gegen die Polizeigewalt. Mamadli hatte eine Protestaktionen Jugendlicher organisiert. Immer wieder werden Menschen willkürlich verhaftet und zusammengeschlagen.

Allein beim europäischen Lieder-Fest wird man wenig davon spüren. Der Song Contest wird in der Crystal Hall ausgerichtet, die mit ihrer modernen Struktur an die japanische Papierfaltkunst Origami erinnert. Und für die zahlreichen Gäste stehen neue Luxus-Hotels bereit.