Teheran. Ohne Notizen und Fotos, aber mit unvergesslichen Erlebnissen kam Reise-Journal Redaktionsleiter Pascal Brückmann aus dem Iran zurück. Trotz politischer Wirrungen bleibt der für westliche Touristen ein sicheres Reiseland. Deutsche sind gern gesehen.

Der Notizblock ist leer. Zwölf Tage Iran, aber keine Zeile zu Papier gebracht, kein einziges Foto auf die Kamera gebannt. Wer als Journalist den Mullah-Staat aufsucht, sollte lieber vorsichtig sein. Reise-Journal Redaktionsleiter Pascal Brückmann hat sich dennoch auf den Weg nach Persien begeben und ist wohlbehalten und voller Eindrücke zurückgekehrt. Lesen Sie das Gedächtnisprotokoll einer unvergesslichen Reise:

Der Tag in Teheran beginnt wie immer. Mit dem unumgänglichen Stau, der je nach Ziel im Stadtgebiet schnell einige Stunden in Anspruch nehmen kann. Immerhin bietet er ausreichend Gelegenheit, die Uhr ganz entspannt vom Handgelenk zu streifen und sich so auf den Rhythmus des Landes einzustellen. Ein Zeitmesser, so viel steht schnell fest, ist hierzulande ein eher überschätztes Utensil und taugt einzig als modisches Accessoire. Zumal es keiner festen Termine oder Verabredungen bedarf, um mit den Menschen des Landes in Kontakt zu kommen.

Die Begegnungen ergeben sich automatisch, meist zufällig. Und Reza* hat ohnehin genügend Zeit, um das Gespräch mit dem Gast aus Deutschland zu führen.

Die Leidensfähigkeit des Volkes scheint erschöpft

Der Büro-Ventilator rotiert monoton während der Mittfünfziger seinen Löffel durch die Teetasse kreisen lässt. Viel mehr kann der Manager, der die Auslandsabteilung einer iranischen Bank leitet, derzeit ohnehin nicht tun. „Sämtliche Geschäfte mit dem Ausland sind gestoppt. Wir können noch nicht einmal simple Überweisungen für unsere Kunden vornehmen. Sie wissen schon, das Embargo.“

Das Embargo. Es wird kaum ein Gespräch in den nächsten zwölf Tagen geben, in denen die Menschen nicht auf dieses Thema zu sprechen kommen. Die Blockade der westlichen Welt gegen das Regime von Präsident Ahmadinedschad ist mit voller Wucht in den Alltag der Bürger eingedrungen.

Ausgeprägte Leidensfähigkeit erschöpft

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Von Pascal Brückmann

Das Benzin – rationalisiert. Die Brotpreise – außer Kontrolle, wie eigentlich die gesamten Lebenshaltungskosten. Dazu die ständigen Repressalien der Sittenwächter, die ein selbstbestimmtes und freies Handeln in der Öffentlichkeit mit aller Macht und Brutalität verhindern. Letzteres ist zwar kein neues Phänomen, doch inzwischen scheint die ausgeprägte Leidensfähigkeit des persischen Volkes mehr als erschöpft. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Und gleichzeitig brodelt es gewaltig. „Auch wenn es für euch im Westen vielleicht so erscheint. Die grüne Bewegung ist nicht tot. Es vergeht kein Tag, an dem sich tausend andere und ich sich nicht die Frage stellen, wie wir dieses Regime endlich stürzen können.“ Hamid* ist 27 Jahre alt und verkauft in einem kleinen Geschäft Vorhänge.

Hamid* ist ein unauffälliger, durchschnittlicher Typ. Doch als Demonstrant hat er immer wieder öffentlich seinen Protest gegen das Regime zum Ausdruck gebracht. „An meiner Seite sind Menschen gestorben. Söldnertruppen aus dem Libanon haben gegen uns Iraner geknüppelt und geschossen.“

Auch außerhalb der Hauptstadt dreht sich alles um die schwierige politische Situation. Selbst die wenigen Touristen bekommen das zu spüren. In der prachtvollen Imam-Moschee in Isfahan kommt es zum lautstarken Disput. Persischkenntnisse sind nicht erforderlich, um schnell zu verstehen, dass hier gerade die Luft brennt. Ein Reiseleiter beschimpft mitten in der Moschee einen hochrangigen Mullah. Ein Skandal!

"Wenn wir uns nicht wehren, kommt morgen die nächste Einschränkung"

Nicht nur Iranerinnen, sondern auch Touristinnen müssen beim Betreten bestimmter Bauwerke Schleier tragen.
Nicht nur Iranerinnen, sondern auch Touristinnen müssen beim Betreten bestimmter Bauwerke Schleier tragen.

Die Vorgeschichte: Die Frauen seiner asiatischen Gruppe durften an diesem Tag das Bauwerk nur unter der Bedingung betreten, dass sie sich komplett in einen schwarzen Ganzkörper-Tschador verhüllen. „Eine völlig willkürliche Schikane, die auch noch die letzten Touristen vertreibt“, ereifert sich der mutige Tourguide. Hat er denn keine Angst? „Doch, natürlich. Aber wenn wir uns nicht wehren, kommt morgen die nächste Einschränkung und irgendwann haben wir keine Arbeit mehr, weil die Gäste komplett ausbleiben.“

2010 war für ihn und seine Kollegen ein ausgesprochen miserables Jahr. „Jede fünfte Reise wurde storniert. Streng genommen kommen nur noch ältere Touristen. Ihre Motivation ist, dass sie den Iran noch einmal bereisen möchten, ehe es vielleicht gar nicht mehr möglich ist“, erklärt der Gästeführer.

Gerade Deutsche sind bei den Iranern gern gesehen

Dabei bleibt der Iran, allen politischen Wirrungen zum Trotz, für westliche Touristen ein überdurchschnittlich sicheres Reiseland. Gerade Deutsche sind bei den Iranern gern gesehen, ihnen wird traditionell eine besonders hohe Gastfreundschaft entgegengebracht. Auch geht es im Iran, abgesehen vom Straßenverkehr vielleicht, deutlich zivilisierter zu, als man annehmen möchte.

Im großen Basar, der sich im Norden an den Imam-Platz im Zentrum Isfahans angrenzt, ist dies besonders eindrucksvoll zu beobachten. Kein Gezerre, keine Lockversuche, keine lauten Geschäftsanbahnungen. Der ausländische Gast kann völlig entspannt durch die Gassen bummeln und sich die Nase an den bunten Auslagen platt drücken.

Hier ein Schwätzchen, dort ein netter Dialog, mit jeder Begegnung schwindet das Klischeebild vom orientalischen Markt und seinen aufdringlichen Händlern. Spätestens beim Kauf einiger Souvenirs ist das eigentliche Weltbild auf den Kopf gestellt. Das Ansinnen einen günstigeren Preis zu erhalten, wird reserviert und professionell ausgebremst. Ernsthafte Feilscherei ist hier verpönt.

Kaum ein Mensch zu sehen

200 Kilometer südlich der nächste „Kulturschock“. Die Besichtigung der altpersischen Residenzstadt Persepolis gerät zur Privatführung. Kein Bus parkt vor dem Unesco-Weltkulturerbe, kaum ein Mensch ist zu sehen, der Herr am Kassenhäuschen verkauft die ersten Tickets des Tages. „Völlig allein dieses Gelände zu erkunden ist ungefähr so verrückt, wie eine Privataudienz im Petersdom zu erhalten“, scherzt Gästeführer Mohamed*. Doch wirklich lachen kann er nicht. Seine Zukunft sieht er schon lange nicht mehr im Iran. Die Ausreise nach Amerika ist beschlossen.

Per Flugzeug geht es nach Kish. Auf der Insel im persischen Golf soll es anders als auf dem Festland deutlich freizügiger zugehen, hier verbringen die wohlhabenden Iraner ihre Ferien. Die Realität aber ist – für westliche Verhältnisse – mehr als ernüchternd. Schlechte und überteuerte Hotels, kein echtes Strandleben, wenige empfehlenswerte Restaurants.

Der Trip mit dem „Party-Boat“ am Nachmittag verspricht Abwechslung. Kaum ist das Schiff, gefüllt mit siebzig jungen Menschen, außer Sichtweite, wird die Musik aufgedreht. Doch selbst auf hoher See gilt das Verbot, dass nicht getanzt werden darf. Einzig die Arme kreisen fröhlich durch die Luft. Nach zwei Stunden die Rückkehr zur Anlegestelle, die Sonne versinkt feuerrot am Horizont.

Erst jetzt erhebt sich die Gesellschaft mutig, die rechte Hand wandert auf die Herzen. Mit Inbrunst singen die Menschen die inoffizielle Nationalhymne – „Ey Iran“. Sie tun es voller Stolz. Und doch ist nicht zu überhören, dass der Pathos in ihrer Stimme von großer Verzweiflung und Traurigkeit überlagert wird.

* Alle Namen sind von der Redaktion geändert worden.