New York. .

Der iranische Präsident Ahmadinedschad nutzt die Bühne der Vereinten Nationen in New York für einen Eklat. Nichts Neues also vom Hetzer aus Teheran. Wieder einmal.

Als Mahmud Ahmadinedschad am Donnerstagnachmittag auf dem beige-gelben Stuhl neben dem Rednerpult Platz nimmt, wirkt er noch etwa kleiner als sonst. Bei 1,63 Meter eigentlich eine Kunst. Doch die hohe Lehne des Stuhls, auf dem jeder Staatenlenker in New York vor seinem Auftritt in der Vollversammlung der Vereinten Nationen kurz Platz nehmen muss, bevor ihm das Wort erteilt wird, lässt ihn noch winziger erscheinen. Wer will da schon Großes erwarten?

In diesem Augenblick konnte bis auf ein paar früh sensibilisierte Diplomaten wohl niemand ahnen, dass der iranische Präsident wenig später kräftig den „Bad Boy“ geben wird, einen irrlichternden Hetzer, der das Licht der Weltöffentlichkeit sucht, um zur innenpolitischen Absicherung im Mullah-Staat einen Eklat zu produzieren. Wieder einmal.

Sechs Stunden nach den, was den Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern angeht und die Iran-Atom-Frage, weithin als konstruktiv und entschlossen empfundenen Worten von US-Präsident Barack Obama nutzte der Mann aus Teheran ausgerechnet die Bühne am East River für eine anti-amerikanische Verschwörungstheorie der besonderen Art: Es geht um den 11. September 2001 und die Anschläge, die wenige Kilometer südlich im Bankenviertel von Manhattan mehrere tausend Tote gefordert hatten.

Schluss mit der diplomatischen Zurückhaltung

In New York, sagte Ahmadinedschad mit schneidender Stimme, gebe es die Theorie, dass „einige Elemente in der US-Regierung den Angriff orchestriert haben, um die schrumpfende amerikanische Wirtschaft und ihren Griff auf den Nahen Osten ebenso zu retten wie das zionistische Regime“. Gemeint ist damit Israel.

Bis die Übersetzer ihre Arbeit getan hatten und der Text über die hoffnungslos veralteten Hörmuscheln auf den Bänken der Delegierten und der Pressetribüne überall angekommen war, verging einige Zeit. Dann war das Geraune nicht zu überhören, das Kopfschütteln nicht zu übersehen. In den Reihen der US-Delegation standen die ersten Vertreter bereits entrüstet auf. Als Ahmadinedschad nachschob: „Die Mehrheit des Volkes in Amerika wie auch in anderen Ländern teilt diese Ansicht“ und die UN sogar ernsthaft aufforderte, eine unabhängige Prüfungskommission zum 11. September einzusetzen, war endgültig Schluss mit der diplomatischen Zurückhaltung.

Etliche westliche Vertreter, alle 27 EU-Delegationen, offensichtlich vorher verabredet, darunter auch die wenigen anwesenden deutschen Diplomaten, verließen den rhetorisch vergifteten Ort. Außenminister Guido Westerwelle, selbst nicht im Saal gewesen, sondern bei einem der vielen bilateralen Gespräche, ließ den unfreundlichen Akt des wütenden Mannes aus dem Orient, der wieder einmal die amerikanischen Hauptfernsehnachrichten am Abend bestückte, als „abwegig und verletzend“ verurteilen.

Iran als Opfer einer Verschwörung

Ahmadinedschad hat die internationale Bühne nicht zum ersten Mal für eine Provokation missbraucht. Schon im Dezember 2006 hatte er vor der internationalen Konferenz der Holocaust-Leugner in Teheran die Auslöschung Israels als den wichtigsten Schritt zur „Befreiung für die Menschheit“ bezeichnet. Reden durfte er seit 2005 und in den darauf folgenden Jahren vor den Vereinten Nationen trotzdem.

Seither ist seine Leier, von leichten Variationen abgesehen, die gleiche: Er attackiert Amerikas Legitimität als oberster Friedenshüter. Er überzieht Israel mit schärfster Häme und Kritik. Er stilisiert sich (und sein Land) als Opfer einer Verschwörung.

Der jüngste Generalangriff auf die USA hat eine im Zungenschlag neue Qualität; zumal Ahmadinedschad die rund 3000 Toten vom 11. September 2001 mit den „Hunderttausenden“ von Toten im Irak und in Afghanistan geradezu aufrechnete. „Widerwärtig und wahnsinnig“, so der erste Kommentar eines US-Sprechers.

Welche Motive den iranischen Präsidenten leiteten, kann allenfalls vermutet werden. In seiner Rede hatte US-Präsident Obama den bereits mit mehreren Sanktionen belegten Iran unmissverständlich zur Offenheit ermahnt. Der Iran sei das einzige Land innerhalb des Nichtweiterverbreitungsvertrages für Atomwaffen, das bis heute die angebliche Friedfertigkeit seines Atomprogramms nicht zweifelsfrei nachweisen könne. „Und so etwas hat Konsequenzen“, betonte Obama, „das internationale Recht ist kein leeres Versprechen.“ Ahmadinedschad ging in seiner Rede darauf ein, sprach sich dagegen aus, Atomwaffen und Atomenergie gleichzusetzen und hielt den USA vor, sie wollten ihr atomares Waffenarsenal nicht abschmelzen - sondern vergrößern.

Westerwelle: „geschmacklose Entgleisung“

Unterdessen protestierten fast den ganzen Tag über draußen vor dem hermetisch abgeriegelten UN-Gebäude rund 1000 iranische Exil-Oppositionelle lautstark gegen das Regime in Teheran. „Es ist Zeit für die internationale Gemeinschaft, aufzuhören, mit Ahmadinedschad Geschäfte zu machen“, rief ein Sprecher. Um die herrschende Unterdrückung im Iran zu illustrieren, spielten einige Demonstranten auf einem Podium sogar Szenen einer Steinigung und einer Hinrichtung mit dem Strang nach. Ein Schauspiel, das erwartungsgemäß in Kreisen der offiziellen iranischen Delegation auf höchstes Missfallen traf.

Ahmadinedschad hat nun seinerseits einen Riesenberg diplomatischer Scherben dagegen gesetzt. Die Folgen? Noch nicht absehbar.

Außenminister Guido Westerwelle bekräftigte am späten Donnerstagabend vor Journalisten, dass es sich zweifelsfrei um „geschmacklose Entgleisungen und Abwegigkeiten“ handelt, die Ahmadinedschad vom Stapel gelassen habe. „Das war eine verpasste Rede“, sagte er im 23. Stock des Deutschen Hauses gegenüber dem UN-Komplex an der 1. Avenue. Dennoch wolle man sich von einem „erkennbar absichtsvollen Eklat“ in der Sache nicht beirren lassen und die Verhandlungstür für den Iran in der Atomfrage weiter offenhalten. Westerwelle: „Unsere Hand ist ausgestreckt, sie soll aber auch nicht dauerhaft ins Leere greifen.“