Ruhrgebiet. . Seit Pfingstdienstag sind viele Wälder im Ruhrgebiet wegen drohender Lebensgefahr gesperrt. Nicht jeder hält sich daran: In den Verbotszonen sieht man Hundebesitzer, Jogger, Fahrradfahrer. Erst jetzt beginnt dort das Aufräumen, wofür längst nicht alle Verständnis haben.

Vor Sturm „Ela“ ging es auf diesem Parkplatz oft zu wie zur Hauptgeschäftszeit in der Innenstadt. Da standen Autos Schlange, da wurde gewartet, rangiert und um freie Buchten konkurriert. Kaum ein Ruhrgebietswald ist bei Joggern, Walkern, Hundebesitzern und Spaziergängern so beliebt wie der Stadtwald oberhalb des Baldeneysees. Vorbei! Wer heute an einem x-beliebigen Tag dort vorbeischaut, dem begegnet verwüstete Tristesse, ein geschundener Wald und vielleicht Ute Schulte mit ihren zwei Labradoren, die unermüdlich an diesem Stück Grün festhält: „Wo wollen Sie in der Stadt sonst hin mit Hunden?“

Dabei ist dies verbotenes Terrain, so wie die meisten Wälder des Ruhrgebiets seit Pfingstdienstag. Und das bleibt es weiter: Am Montag erließ das Regionalforstamt Gelsenkirchen erneut mehrere „Ordnungsbehördliche Verordnungen zur Gefahrenabwehr“, wonach ein Großteil der Wälder gesperrt bleibt bis zum 12. Januar nächsten Jahres. Um Mitternacht. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Bußgeld bis zu 25 000 Euro.

Die Städte warnen: „Es besteht Lebensgefahr!“

Es besteht Lebensgefahr!“ warnt beispielsweise die Stadt Essen auf ihrer Internet-Seite. „Wir haben an den Wäldern noch gar nicht arbeiten können. Wir müssen erst einmal die Schäden eruieren. Das wird noch sehr aufwendig“, sagt Essens Sprecherin Jeanette von Lanken. Ähnlich argumentiert der Sprecher der Stadt Mülheim, Volker Wiebels: „Wir sind ja nicht faul oder haben keine Lust, da zu räumen. Die Schäden in Mülheim sind einfach so enorm.“

Direkt nach „Ela“ hatten viele Ruhrgebietsstädte beschlossen, zunächst Straßen und Zufahrten aufzuräumen, dann Friedhöfe und Spielplätze und die Wälder zuletzt. Tatsächlich gibt es auch noch eine ganze Reihe Friedhöfe und Spielplätze, die gesperrt sind.

Das Flatterband wurde abgerissen

Essens Stadtwald, er sieht tatsächlich noch wüst und traurig aus. Wohin man blickt, wurden eilig zur Seite geräumte Baumstämme gestapelt, türmen sich vertrocknete Äste und Zweige. Hier schlug das Unwetter Schneisen, legte die Buchen flach, zerbarst ihre Stämme, ließ Stümpfe zurück. Mittendrin steht verwaist ein grünes Fahrrad ohne Sattel, mit einer Acht im Vorderrad. Wie ein Sinnbild des Unwetters. An manchem Baum hängt der Rest von rot-weißem Flatterband, abgerissen womöglich von einem, der sich nicht aufhalten lassen wollte.

Auch Martin Weizel will es wagen. Mit Helm und eng anliegender Montur tritt er in die Pedale seines Rades. Sein Ziel ist, quer durch den Wald, der Baldeney-See. Ob er sich durchschlagen kann, weiß er nicht. Aber er will es versuchen. „Ich kann einfach nicht verstehen, dass diese Wege nicht früher freigegeben werden, so stark genutzt, wie sie sind“, sagt Weizel.

Joggingstrecken stehen auf der Liste oben

Dabei ist die Einsicht, gerade diese Freizeitstrecken so schnell wie möglich wieder zu öffnen, längst da. Essen etwa hat fünf Jogging- und Radwanderstrecken, die nun ganz oben auf der Prioritäten-Liste stehen. Dazu gehört auch der Stadtwald. Bochum prüft das auch. Wann es jedoch so weit sein wird, vermag niemand zu sagen. Ute Schulte jedenfalls, die Dame mit den Labradoren, lässt sich ohnehin nicht abhalten. Dreht täglich, vorsichtig die Baumkronen taxierend, ihre Runden. Nur, wenn es windig ist, meidet sie den Wald. Sicher ist sicher.

Auch Thilo Elsner in Bochum weiß genau, wie weit er gehen kann: Er ist Vorsitzender des Trägervereins eines Wildschwein-Geheges mitten im Weitmarer Holz, einem bis gestern gesperrten Wald – und die 15 Wildschweine mussten ja gefüttert, die Zäune kontrolliert werden. Täglich also musste einer in den Wald: „Da haben Sie noch bis vor Kurzem hören können, wie Bäume aneinander reiben oder wie etwas nachfällt.“

Vorsicht, wenigstens bei Wind und Regen

Und so rät Michael Börth vom Regionalforstamt in Gelsenkirchen weiter zur Vorsicht, auch dort, wo schon Waldwege freigegeben sind: „Wenigstens bei starkem Regen und Wind.“ Wer gar die Wege verlasse, der „gefährdet nicht nur sich, sondern auch die Leute, die einen im Notfall dort herausholen müssen.“