Essen. Im Tarifstreit mit Bund und Kommunen kämpft die Gewerkschaft Verdi jetzt mit härteren Bandagen. Gleich zwei Tage lang will sie ab Mittwoch mit einem erneuten Streik Busse und Bahnen in NRW lahmlegen. Am Donnerstag sollen Kitas, Müllabfuhr, Stadtverwaltungen und Sparkassen hinzukommen. Ein Überblick.
Weil auch die zweite Verhandlungsrunde im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes ohne ein Angebot der Arbeitgeber endete, rufen die Gewerkschaften erneut zu Warnstreiks auf - und das in verschärfter Form. Am Mittwoch und Donnerstag werden an Rhein und Ruhr ganztägig oder zeitweise keine Busse, Straßen- und U-Bahnen fahren. Am Donnerstag sind zudem weitere städtische Einrichtungen wie Kitas, Müllabfuhr, Krankenhäuser, Jobcenter oder Altenheime betroffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie hart trifft es den Nahverkehr dieses Mal?
In der zweiten Streikrunde kommt es für Pendler noch dicker. Bereits am Dienstag vergangener Woche mussten Millionen Fahrgäste von Bussen und Straßenbahnen auf andere Verkehrsmittel ausweichen, jetzt müssen sie gleich an zwei Tagen zusehen, wie sie von A nach B kommen.
Schon am Freitag warnte die Düsseldorfer Rheinbahn ihre Kunden, dass sie sich am Mittwoch und Donnerstag erneut auf massive Behinderungen im Nahverkehr einstellen müssen. Weil die Gewerkschaft die Ausfahrten der Betriebshöfe blockiert, werden alle U-Bahnen, Straßenbahnen und die meisten Busse wieder nicht fahren können. Voraussichtlich werden 17 Buslinien bedient. Welche das sind, kann man hier nachlesen. Betroffen sind Düsseldorf, Meerbusch, der Kreis Mettmann und Verbindungen nach Duisburg, Krefeld, Neuss und Ratingen.
Auch die Evag weist darauf hin, dass am 26. und 27. März keine Busse und Bahnen in Essen fahren werden. Das gilt auch für die städteübergreifenden Linien, wie zum Beispiel die U18, die Straßenbahnen 104 und 107 und die Buslinien 143 und 145.
In Bochum, Gelsenkirchen, Witten und weiteren umliegenden Städten werden die Bus- und Bahnlinien der Bogestra bestreikt. Ebenfalls geschlossen sind alle Kundencenter. "Es entfallen aufgrund des Warnstreiks von Gewerkschaftsseite sowohl die Mobilitätsgarantie als auch das Pünktlichkeitsversprechen", schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. Auch der Girls' Day kann bei der Bogestra nicht stattfinden. "Wir hatten leider keine andere Möglichkeit, weil die Schulklassen wegen des Streiks nicht mal aufs Gelände kommen", sagt Sprecher Christoph Kollmann.
WarnstreikDie DVG geht davon aus, dass in Duisburg kein Linienverkehr stattfinden wird, da Busse und Bahnen ab Betriebsbeginn um 3 Uhr die Betriebshöfe nicht verlassen können. Betroffen sind die 65 Bahnen und 115 Busse des Verkehrsunternehmens. Außerdem werden voraussichtlich die Kunden-Center in Stadtmitte und in Marxloh den ganzen Tag geschlossen bleiben.
Die Busse und Straßenbahnen der Oberhausener Stoag bleiben ab 3:42 Uhr in ihren Depots. Auch die Kunden-Center sowie das Infomobil sind an beiden Tagen vom Warnstreik betroffen.
Auch in Dortmund werden sämtliche Stadtbahn-, Straßenbahn- und Buslinien ab Betriebsbeginn um etwa 3:30 Uhr bis Freitag um 1:30 Uhr nicht fahren. Das gilt auch für die NachtExpress-Linien, die normalerweise von der Haltestelle "Reinoldikirche" um 0:15 Uhr oder 0:45 Uhr sternförmig in alle Stadtteile starten.
Betroffen sind zudem wieder Buslinien in Castrop-Rauxel (480, 482 und NE 11) und Schwerte (430, 435 und NE 25). Die Kunden-Center "Petrikirche", "Hörde Bahnhof" und "Castrop Betriebshof" bleiben am Mittwoch und Donnerstag ganztägig geschlossen. Die Hauptverwaltung Deggingstraße ist aufgrund des Warnstreiks nur mit einem Notdienst besetzt.
Auch die Hagener Straßenbahn AG geht von erheblichen Einschränkungen im Busverkehr aus.
Welche Alternativen gibt es?
Da Regional- und S-Bahnen nicht bestreikt werden, können Pendler auch für einige innerstädtische Fahrten auf diese Verkehrsmittel ausweichen.
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Weitere Alternativen neben dem eigenen Auto sind Car-Sharing-Dienste, Mitfahrzentralen oder Taxis. Doch die Erfahrung der vergangenen Woche zeigt, dass auch das zu einer Geduldsprobe werden kann, wenn plötzlich alle auf die Straßen drängen.
Wer es nicht ganz so weit zur Arbeit hat, könnte auch aufs Fahrrad umsteigen. An Radstationen oder bei anderen Anbietern wie Metropolrad Ruhr oder Revierrad kann man Fahrräder ausleihen.
Trotz des Streiks wollen einige Verkehrsunternehmen versuchen, einzelne Busfahrten möglich zu machen. Fremdunternehmen, die nicht Tarifpartner von Verdi sind, könnten das übernehmen. "Wir weisen aber darauf hin, dass es dafür leider keine Gewähr geben kann", heißt es seitens der Düsseldorfer Rheinbahn.
Auch bei der MVG im Märkischen Kreis werden die Fremdunternehmen nicht bestreikt. Ebenso wenig wie der Busverkehr der Ruhr-Sieg GmbH. Eine Liste der stattfindenden Fahrten gibt es hier.
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Die Niag versucht in den Kreisen Wesel und Kleve ebenfalls einen Notfahrplan mit Tochterunternehmen zu organisieren. Vor allem die Fahrten für Pendler und Schüler sollen erhalten bleiben. Die größten Einschränkungen wird es im linksrheinischen Kreis Wesel und im Südkreis Kleve geben. In Dinslaken, Voerde und Wesel selbst sowie im Nordkreis Kleve erwartet die Niag keine Ausfälle. Auch die Linie SB80, die Moers mit Krefeld-Uerdingen verbindet, sei nicht betroffen.
Die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr wird nach einem angepassten Sonntagsfahrplan unterwegs sein. Bedient werden zwölf Buslinien (141, 371, 511, 550, 551, 552, 553, 561, 568, 608, SB37, SB67) von etwa 6 bis 20 Uhr. Gemeinschaftslinien fahren nur bis zu den Stadtgrenzen. Komplett entfallen wird hingegen der Schülerbusverkehr.
Wie sind andere städtische Einrichtungen betroffen?
Wie schon in der vergangenen Woche wird sich der Streik zum Teil auch auf Stadtverwaltungen, Kitas, Müllabfuhr, Stadtwerke, Kliniken, Altenheime und Sparkassen auswirken. Auch kulturelle Einrichtungen wie Bäder, Theater oder Museen können betroffen sein.
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Für Essen teilt die Stadtsprecherin mit, dass sich die Bürger auf einen eingeschränkten Service in den Bürgerbüros einstellen müssen. Da man im Vorfeld nicht sagen könne, welche Mitarbeiter streiken, empfiehlt sie, vor einem Besuch in den jeweiligen Büros anzurufen. Die Kitas richten zudem eigenständig Notgruppen ein; die Erzieher würden die Eltern rechtzeitig über das Angebot informieren.
Die Essener Bäder und Sportstätten werden nach Angaben der Sport- und Bäderbetriebe geschlossen bleiben. In den Ruhrlandkliniken soll der Betrieb hingegen normal weiterlaufen. Bei den Sparkassen werden geringe Einschränkungen erwartet. In der vergangenen Streikrunde mussten nur drei der 50 Filialen geschlossen werden.
Genauso laufe das auch bei Fabido, dem städtischen Träger der Kitas in Dortmund. "Da die Kollegen nicht ankündigen müssen, ob sie streiken, können wir keine genauen Zahlen nennen", sagt Fabido-Sprecherin Manuela Piechota. "Die Eltern werden aber frühzeitig informiert."
In Mülheim werde vermutlich das Bürgeramt geschlossen sein. Auch einige Kitas werden schließen müssen. "Es wird aber kein Kind unbetreut bleiben", versichert Stadtsprecher Volker Wiebels. "Es wird genug Kitas geben, in denen wir Notgruppen einrichten."
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Die soll es auch in Duisburg geben. "Wir hoffen, damit die Notsituation auffangen zu können", sagt Gabi Priem vom Jugendamt der Stadt. Wo Notgruppen eingerichtet werden, könnten Eltern am Schwarzen Brett ihrer Heimat-Kitas nachlesen. Wie sich der Streik auf andere Bereiche der Stadtverwaltung auswirken werde, sei momentan noch nicht absehbar. "Wahrscheinlich werden wir aber wieder dazu raten, möglichst alle Ämter am Donnerstag zu meiden", so Priem.
Auch die Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, der Autobahnmeisterei und des Klinikums Duisburg beteiligen sich am Streik. Das Kundencenter der Stadtwerke bleibt geschlossen. Wer am Donnerstag einen Termin beim Duisburger Jobcenter hat, sollte den nach Möglichkeit verschieben.
In Herne bleiben erneut alle städtischen Kitas geschlossen; Notgruppen werden nicht eingerichtet. Außerdem streiken am Donnerstag Tarifbeschäftigte der Stadtverwaltung, der Agentur für Arbeit, des Jobcenters, der Sparkasse und der Knappschaft Bahn-See.
Auch in Oberhausen schließen alle 18 kommunalen Kitas. Dringende Amtsgänge sollten besser nicht auf den Donnerstag gelegt werden. "Es wird niemand da sein, da bin ich mir sicher", sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Henrike Greven.
Mit keinerlei Beeinträchtigungen rechnet man im Rathaus in Balve. Erfahrungsgemäß sei die Streikbereitschaft in der sauerländischen Gemeinde eher gering.
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Für den linken Niederrhein geht der stellvertretende Verdi-Bezirksgeschäftsführer Dominik Kofent hingegen davon aus, dass alle städtischen Kitas betroffen sein werden und Sporthallen und Bäder komplett schließen. Im Raum Moers werde es zudem starke Beeinträchtigungen bei der Müllentsorgung geben; ebenso in Neukirchen-Vluyn bei der Stadtverwaltung. Dort werden auch das Freizeitbad und die Sauna schließen. Ihren Service einschränken muss zudem die Lineg, die für Grund- und Abwasser zuständig ist.
Was kann ich tun, wenn der Müll stehen bleibt?
Beim ersten Streik vor einer Woche holten die meisten Entsorgungsbetriebe die Leerung der Mülltonnen zeitnah nach. Doch die Bürger können auch selbst aktiv werden. In Bochum wird es wohl wieder möglich sein, seinen Restmüll nach dem Streiktag kostenlos am Wertstoffhof abzugeben, lässt USB-Sprecher Jörn Denhard wissen. Wer lieber auf die nächste Leerung wartet, sollte seinen Müll in Säcken lagern und kann ihn dann ausnahmsweise zur grauen Tonne stellen. Müllsäcke gibt der USB in seiner Zentrale aus.
Der Streik bei Scoopshot
In Gelsenkirchen gehen die Gelsendienste davon aus, dass die Mülltonnen genug Abfall für zwei Leerungen fassen. Sie wollen deshalb ausgefallene Leerungen nicht nachholen. Sollte der Müll trotzdem überquellen, können Bürger ihn ausnahmsweise kostenfrei an den Wertstoffhöfen abgeben (Personalausweis bereithalten).
WBO-Chefin Maria Guthoff rät allen Bürgern in Oberhausen, trotz des Streiks ihre Tonnen zu den gewohnten Zeiten an die Straße zu stellen. Wo nicht geleert werden kann, werde das am nächsten Tag nachgeholt. Dasselbe gelte für den Sperrmüll.
Den gleichen Rat erteilt auch Ulrich Kempken, Entsorgungsexperte der Moerser Enni. "Unser Ziel ist es, bis zum Wochenende alles abzufahren. Das hat auch Priorität vor der Straßenreinigung und den Papierkorb-Touren, auf denen wir die öffentlichen Abfalleimer leeren", bittet Kempken um Verständnis.
Wo sorgen Kundgebungen für zusätzliche Behinderungen?
In Duisburg rechnet Verdi bei der zentralen Kundgebung in der Innenstadt mit 8000 Demonstranten. Dafür sperrt die Polizei von 9 bis 11 Uhr die Heerstraße zwischen Wanheimer Straße und Plessingstraße, sowie die komplette Steinsche Gasse. Ebenso betroffen sind die Straßen Am Innenhafen, Stapeltor, Oberstraße und Gutenbergstraße/Poststraße. Mit erheblichen Verkehrsbehinderungen ist zu rechnen.
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In Bochum ziehen vermutlich rund 4000 Streikende ab 10 Uhr vom Kirmesplatz an der Castroper Straße bis in die Innenstadt. Die zentrale Kundgebung findet dann ab 12 Uhr auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Rathaus statt. Die Polizei warnt daher für den Vormittag vor Verkehrsstörungen im Bereich der Innenstadt.
Dortmund erwartet laut Verdi-Geschäftsführer Michael Bürger 20.000 Teilnehmer zu einer zentralen Kundgebung. Warnstreikende aus dem Umland werden mit Bussen nach Dortmund kommen und vom Remydamm zum Südwall ziehen. Die Dortmunder Streikenden ziehen vom Friedensplatz einmal um den Wall herum zum Südwall. 2012 gab es eine ähnliche Demo-Kombination, damals brach der Autoverkehr in der südlichen Innenstadt zeitweise zusammen.
Warum streikt Verdi schon wieder?
Die Dienstleistungsgewerkschaft befindet sich weiterhin im Tarifstreit mit Bund und Kommunen. Da eine zweite Verhandlungsrunde zwar erste Annäherungen brachte, die Arbeitgeber aber wieder kein Angebot vorlegten, will Verdi nun erneut Druck machen.
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Laut Verdi seien die Einkommen im öffentlichen Dienst im Vergleich zu anderen Branchen unterdurchschnittlich gestiegen. Deshalb fordert die Gewerkschaft, die Gehälter pauschal um 100 Euro und zusätzlich 3,5 Prozent zu erhöhen. Außerdem will Verdi einen einheitlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen und mehr Rechte für Auszubildende bewirken. Die Mitarbeiter der Nahverkehrsunternehmen fordern in der Tarifrunde zusätzlich eine Nahverkehrszulage von 70 Euro monatlich.
"Die Warnstreiks sollen die Tarifverhandlungen beschleunigen. Wir wollen in der nächsten Verhandlungsrunde einen guten Abschluss erreichen", sagt der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. "Die Beschäftigten werden in dieser Woche zeigen, dass sie die Verhandlungen nicht nur passiv beobachten, sondern sich aktiv einbringen. CDU und CSU haben im Bundestagswahlkampf auf sprudelnde Steuereinnahmen hingewiesen. Und die Beschäftigten finden, es ist an der Zeit, dass sie daran beteiligt werden."
Evag hält Streik für unsozial und unökologisch
Einzelne Arbeitgeber wie etwa die Evag in Essen schauen mit Sorge auf die Forderungen der Gewerkschaft. Laut Vorstandschef Michael Feller betrüge die durchschnittliche Tariferhöhung 9,1 Prozent. "Würden sich die Tarifvertragsparteien auf diese Forderung einigen, ergäbe sich ein Risiko in Höhe von 5,3 Millionen Euro an ungeplanten Ausgaben im Jahr 2014", so Feller.
Auch die Strategie, den Nahverkehr für weitere zwei Tage komplett lahm zu legen, kritisiert er: "Eine solche unsoziale und unökologische Streikstrategie passt aus meiner Sicht nicht in die aktuelle Zeit und schon gar nicht in die finanziellen Rahmenbedingungen der verschuldeten Ruhrgebietskommunen.“
Streik legt Essen lahm
Unterstützung bekommt Verdi hingegen von der Gewerkschaft der Polizei. „Für die Bürger sind die Streiks mit massiven Einschnitten verbunden. Das ist hart, aber unvermeidbar“, sagt der NRW-Vorsitzende Arnold Plickert. „Die Streiks müssen weh tun, damit die Politiker endlich erkennen, dass es ohne wettbewerbsfähige Einkommen keinen leistungsfähigen öffentlichen Dienst gibt."
Am ersten Warnstreik am Dienstag vergangener Woche hatten sich laut Verdi rund 50.000 Beschäftigte beteiligt. Jetzt rechnet man mit 70.000 Teilnehmern. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 31. März geplant.