Essen. Ministerin Barbara Steffens (Grüne) lässt den Gesundheitsämtern die lange Leine bei der Hygienekontrolle in Kliniken. Die nutzen das. Aufseher der Behörde melden sich artig an, bevor sie nach dem Rechten schauen. Die Krankenhäuser können in Ruhe putzen für die Prüfung.

Ein Krankenhaus, das Mitte 2013 als MRSA-Keimzelle aufgeflogen ist, macht sich besucherfein. Vom 12. bis 14. März mag das Helios Klinikum St. Johannes Duisburg auch für skeptische Patienten eine akzeptable Adresse sein. Denn dann ist das Gesundheitsamt im Haus. Die Klinikchefs wissen das schon lange.

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Die offizielle Begehung wurde vier Wochen vorher angekündigt – per Rundmail an alle Mitarbeiter. Das Personal soll nun helfen, „die Begehung zügig und strukturiert durchzuführen“, heißt es in dem Schreiben. „Das ist der Aufruf zum Großreinemachen“, sagt eine Helios-Kraft und ahnt: „Bevor das Gesundheitsamt kommt, wird wieder geputzt, bis die Schwarte kracht.“

Wie viel Sinn macht hier eine angekündigte Überprüfung?

Das Helios Klinikum St. Johannes ist das Krankenhaus, das im ersten Halbjahr 2013 ein Viertel aller MRSA-Fälle in Duisburg vereinte. Das wiederholt durch eklatante Hygieneprobleme auffiel. In dem Sanitärbereiche für Patienten „eine Zumutung“ und für die Klinikleitung „nicht mehr zeitgemäß“ sind. Ein Haus, das daran arbeitet, „dass künftig jedes Zimmer eine eigene Nasszelle besitzt“. Wie viel Sinn macht hier eine angekündigte Überprüfung?

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Das NRW-Gesundheitsministerium macht sich klein. Die Ämter handelten „in eigener Verantwortung“. Die Gesamtverantwortung hat Ministerin Barbara Steffens (Grüne). Sie könnte unangemeldete Überprüfungen vorschreiben. Oder verspricht sie sich von angekündigten Kontrollen mehr Nachhaltigkeit beim Infektionsschutz und bei der Krankenhaushygiene als von unangekündigten? Die Antwort: „Beide Formen der Kontrolle haben ihren Sinn.“ Das Gesundheitsamt entscheide.

Durchatmen, Gesundheitsamt weg, Zertifizierung erteilt

Gabriele M. hat rund 15 Jahre in der Radiologie eines Bochumer Krankenhauses gearbeitet. Eine unangemeldete Kontrolle des Amtes hat sie währenddessen „noch nie erlebt“. Weil es sie schlicht nicht gebe. „Das wird jedes Krankenhauspersonal hinter vorgehaltener Hand bestätigen.“ Würde das Gesundheitsamt „mal unangemeldet auftauchen, wären die ihre Zertifizierung sofort los“, sagt die Fachkraft. „Die könnten an jedem x-beliebigen Tag des Jahres kommen, die würden mehr als fündig.“

Die ausgeguckte Klinik sei „mindestens zwei bis drei Tage vorher“ im Bilde. „Das ist die Wurzel allen Übels“, sagt Gabriele M. und beschreibt, was dann losbreche: „Große Aufregung! Sind auch die Blutflecken an der Wand im Computertomografie-Raum endlich abgewischt, die dort schon seit einem halben Jahr kleben?

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Alles beschriftet, alles ordnungsgemäß dokumentiert, alles sauber? Puh, das hat ja gerade noch mal geklappt. Und dann: Durchatmen, Gesundheitsamt weg, Zertifizierung erteilt – na, dann kann ja alles wieder im alten Trott weitergehen.“

"Mängelberichte schreiben ist echte Arbeit"

Laut Gesundheitsministerium melden sich die Überwachungsbehörden an, um „Zugang zu speziellen Räumen“ und Unterlagen zu bekommen. Darüber wird in den Kliniken offen gelacht. „Einen Schlüssel umdrehen, die entsprechenden Türen oder Schränke öffnen – das könnte jeder Hausmeister“, sagt ein Eingeweihter aus dem Hause Helios. Gabriele M. vermutet andere Motive hinter der Anmelderoutine. „Mängelberichte schreiben ist echte Arbeit. Eben vorwarnen und Zertifizierung erteilen, das geht schneller.“

Aktuell sieht sich das Helios Klinikum Duisburg beim Infektionsschutz „auf einem guten Weg“. In einem Internet-Beitrag freut sich der Konzern über „stark gesunkene“ MRSA-Zahlen. Dass Helios die Kontrollabstriche bei allen Patienten auf MRSA-Keime zum Jahresende 2013 eingestellt hat, steht da nicht. Das stand wieder nur in einer Hausmitteilung.