Ruhrgebiet. Im Oktober hatten Bandidos und Hell’s Angels die Neugründung einer Ortsgruppe in Oberhausen angekündigt. Begehrlichkeit beider Clubs: die Rotlichtmeile Flaßhofstraße. Die gehört zur Hälfte dem Chef der Höllenengel - der vor einem Jahr noch Präsident der Rivalen war.

Das konnte nicht gut gehen, die Polizei hatte es geahnt: Oberhausen sei schlicht "zu klein" für zwei Rockerbanden, warnten die Beamten vor vier Wochen, als sowohl Bandidos als auch Hell’s Angels ihren (Wieder-)Einzug in die Stadt ankündigten. "Das wird nicht ganz schmerzfrei abgehen."

Nicht ganz: Am Sonntagabend wurde an einer Kreuzung im Stadtteil Alstaden ein Mitglied der Bandidos angeschossen, "auf offener Straße", wie man so sagt. Mehrere Kugeln trafen den Mann durch die Scheiben seines schwarzen Geländewagens, angeblich am Kopf und in die Lunge; trotzdem drückte der 25-Jährige offenbar aufs Gas, rettete sich auf das Gelände einer 300 Meter entfernten Tankstelle. Dort fand ihn die Polizei mit lebensgefährlichen Verletzungen neben seinem Auto, auf Fotos ist die Blutlache zu sehen. Auf dem Beifahrersitz wurde die Freundin des Opfers ebenfalls leicht verletzt. Der Mann wurde notoperiert, inzwischen gilt sein Zustand als stabil.

Der Rockerkrieg tobt längst

Noch in der Nacht nahm eine Mordkommission die Ermittlungen auf, eine Großfahndung wurde eingeleitet. Im Morgengrauen soll bereits die Wohnung eines Tatverdächtigen durchsucht worden sein, am Mittag kontrollierte die Polizei verstärkt im Umfeld des örtlichen Rotlichtmilieus, nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt.

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"Droht im Ruhrpott ein Rockerkrieg?", fragten am Montag bunte Blätter bang - der aber tobt ja längst und seit Jahren. Bandidos gegen Hell’s Angels, zuletzt kämpften mindestens auch die niederländischen Satudarah mit. Es geht um die Macht über einzelne Revierstädte, über häufig illegale Einnahmequellen: Bordelle, Drogenhandel, Waffengeschäfte. Mit Schießereien, Messerstechereien, Prügeleien sorgen die Rocker in Gelsenkirchen, Essen, Bochum immer wieder für Aufruhr - und für härteres Eingreifen der Polizei. Doch während das Innenministerium den Gruppen mit Großrazzien und Verboten zu Leibe rückt, öffnen die sich für neue Mitglieder: Junge Männer mit Migrationshintergrund sind das oft, als Kriminelle bereits aufgefallen, ohne Beziehung zu Motorrädern und den alten Biker-Traditionen.

Oberhausen wegen Polizeipräsenz "unattraktives Pflaster"

Oberhausen sollen die Rocker als "unattraktives Pflaster" bezeichnet haben - wegen der erhöhten Polizei-Präsenz. Deshalb hatten die Bandidos hier im Sommer 2012 das Feld geräumt – wie es heißt, um einer Beschlagnahmung ihres Vermögens vorzubeugen. Anfang Oktober aber beschlossen sie nun die Neugründung eines Chapters, wie Ortsgruppen der "Banditen" heißen. Die Höllenengel reagierten ihrerseits sogleich mit der Einrichtung eines bei ihnen so genannten Charters. Zwar sind die beiden "Neuen" auf den Internetseiten der Clubs noch nicht vermeldet - brisant aber ist: Der ehemalige Bandido-Chef ist mit vielen seiner Gefolgsleute übergelaufen und inzwischen "Höllenengel"-Präsident. Und der hat, was beide Gruppen gern hätten: Er ist Pächter der Hälfte der Häuser an der Rotlichtmeile.

War die Tat vom Sonntag also eine erste Eskalation des neuerlichen Revierkampfs?

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Im Februar war ein "Höllenengel" durch Schüsse verletzt worden

Sie könnte auch ein Racheakt gewesen sein: Erst im Februar war auf einem Parkplatz im Norden Oberhausens ein Hell’s Angel von Schüssen getroffen worden.

"Wir spekulieren nicht", sagt Polizei-Sprecher Peter Elke in Essen, von wo aus die Mordkommission nun arbeitet. Nicht auszuschließen ist so oder so, dass die Bandidos jetzt erneut zurückschlagen. "Wir haben keinen Handlungsbedarf", sagt dazu Michael, der Mann, der als Bandido-Sprecher auftritt. Man sei gegen diese Form von Attentaten, "insbesondere, wenn Familienmitglieder oder Unbeteiligte zu Schaden kommen". Der aktuelle Tatort, ergänzt er, sei so stark befahren, "da kann es nicht lange dauern, bis die Polizei den Täter findet".

Das allerdings hatte sie im Februar auch gedacht: Nach den Schüssen im Stadtteil Sterkrade ermittelte eine Mordkommission aus Duisburg, Innenminister Ralf Jäger (SPD) versprach mehr Beamte. Erreicht haben sie wenig: Weil Zeugen nicht viel sagten und selbst das Opfer schwieg, wurde das Verfahren im Sommer eingestellt.