Ruhrgebiet. Uli Hoeneß bewegt die Gemüter. Fußballfans im Revier sind enttäuscht von Hoeneß. Viele fordern seinen Rücktritt als Bayern-Präsident, sind enttäuscht von ihm. Aber im Gefängnis wollen ihn nicht alle sehen. Er wird sich als Bayern-Präsident nicht halten können, glauben Experten wie Manni Breuckmann. Ein Stimmungsbild.
Gudrun Musiol (50) ist Schalkerin, was man schon alleine daran sieht, dass sie am Montagnachmittag auf der Terrasse am „Schalker“ sitzt, dem Restaurant neben dem Trainingsplatz von Schalke 04. Training ist nicht an diesem Tag, aber viel schöne Sonne. Und über Fußball kann man ohnehin immer reden – selbst, wenn es mal nicht um die Königsblauen geht, sondern um Uli Hoeneß.
„Ja, der Uli“, sagt Gudrun Musiol also und blickt über den Tisch zu ihrer Freundin Tina Beckmann (50) herüber: „Wir sind alle so enttäuscht.“ Das hätten sie ihm wirklich nicht zugetraut, nicht mal im Schalker Land, dass so einer Steuern hinterzieht. „Er hat immer so getan, als ob er ehrlich seine Steuern bezahlt, und dann kommt jetzt sowas heraus. Für mich ist der Mann leider überhaupt nicht mehr glaubwürdig“, findet Musiol.
Uli Hoeneß und der Zwiespalt zwischen Image und Wirklichkeit
So geht es allen, die an diesem Mittag im „Schalker“ über Uli Hoeneß debattieren. Alle stört der Zwiespalt zwischen dem Image, das der Bayern-Präsident seit Jahren pflegt, und der Wirklichkeit. Auch Milan Vranjes (58) findet: „Er hat sich als Saubermann in alle möglichen Talkshows gesetzt, und jetzt entpuppen sich seine Aussagen als Lüge. Eine bodenlose Frechheit.“ Und Gerd Möller (62) sagt ganz einfach: „Der hat andere Leute an den Pranger gestellt, und jetzt hat er selbst Dreck am Stecken. Das Beste, was er jetzt noch machen kann, wäre ein Rücktritt. Dann kann der Franz ja wieder den Präsidenten machen.“
Doch soweit, glaubt jedenfalls Tina Beckmann, wird es nicht kommen. „Der wird sich irgendwie herausreden und sagen, er wäre falsch beraten worden. Dann zahlt er eben ein paar Millionen, und die Sache ist für ihn erledigt.“ Gudrun Musiol sieht's anders: „Der Druck auf Uli Hoeneß wird in den nächsten Wochen so stark werden, dass er irgendwann einfach zurücktreten muss – da bin ich mir ganz sicher.“
"Wer privat mauschelt, mauschelt auch anderweitig"
Viele fragen sich aber auch, ob sonst womöglich noch etwas hinter der Steuer-Geschichte um den Bayern-Präsidenten steckt. „Wer privat mauschelt, der wird auch anderweitig mauscheln“, vermutet Milan Vranjes, und Holger Knittel (46) sagt: „Ich möchte eigentlich nur wissen, wie sauber die Festgeldkonten sind, mit denen Hoeneß immer bei den Bayern prahlt.“
Selbst Stefan Gieser, Vorsitzender des Fanclubs FCB Ruhrpott 2011 aus Essen, nennt Hoeneß „scheinheilig“. Zurücktreten müsse er nicht, aber „den Mund sollte er endlich aufmachen“.
Werner Hansch hält einen Rücktritt nicht für ausgeschlossen
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Reporterlegende Manni Breuckmann indes sieht für Hoeneß keinen anderen Weg als den Rückzug. „Ich bin ein großer Fan von Gerechtigkeit, und das, was jetzt vorliegt, ist eine ganz klare Straftat. Hoeneß sollte sein Amt beim FC Bayern ruhen lassen, alles andere geht ja gar nicht.“ Der Fall sei für ihn nach wie vor unfassbar. „In seiner Persönlichkeit gibt es offenbar zwei Facetten, die gar nicht zusammen passen“, sagt Breuckmann. „Er ist zum einen tatsächlich der gute Mensch vom Tegernsee, der eine karitative Ader hat, aber gleichzeitig ist er wohl ein Zocker, der gerne auf Finanzgeschäfte setzt. Und die Gefahr ist groß, dass man hier auf ungesetzliche Wege gerät. So ist ihm das wohl passiert.“ Wer in großem Umfang Steuern hinterziehe, der habe kriminelle Energie. Breuckmann: „Man kann durchaus sagen, das ist asoziales Verhalten.“
Für seinen alten Kollegen Werner Hansch ist die Nachricht „persönlich schon ein heftiger Einschlag“. Er habe „einige sehr erfreuliche Begegnungen mit Uli Hoeneß“ gehabt, bei denen er ihn als Gerechtigkeitsfanatiker und aufrechten Menschen kennen gelernt habe. Für Hansch ist der Bayern-Präsident in seiner jetzigen Funktion kaum zu retten. „Ob er sich noch rechtzeitig selbst angezeigt hat, ist beinahe unerheblich; der Schatten, der auf ihm lastet, ist nicht mehr wegzudiskutieren“, sagt er. „Im Aufsichtsrat der Bayern sitzt beinahe der gesamte Dax-Vorstand, der sich in Sachen Steuermoral ganz klar positioniert hat. Da wird sich Hoeneß so manche heikle Frage gefallen lassen müssen. Ich halte seinen Rücktritt für nicht ausgeschlossen.“
Kalt lässt der Fall Hoeneß auch im Ruhrgebiet wohl niemanden. Bei aller Rivalität hofft die Schalkerin Gudrun Musiol aber ehrlich, dass Uli Hoeneß das Schlimmste erspart bleibt: „Ins Gefängnis muss er hoffentlich nicht.“