Jülich. . Castor-Alarm im Ruhrgebiet: Atommüll aus Jülich wird vom nächsten Jahr an voraussichtlich durch die Region Richtung Ahaus rollen. Das hat gestern der Aufsichtsrat des Forschungszentrums Jülich beschlossen. Hier die wichtigsten Antworten.

Nächstes Jahr rollen die Castor-Transporte, die gerade erst für große Aufregung gesorgt haben, auch durch NRW. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Warum sollen die Brennelemente überhaupt transportiert werden?

Aus Kostengründen. Die Alternative wäre der Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich, was mindestens 40 Millionen Euro gekostet hätte. Plus Betriebskosten, nach Schätzungen des Forschungszentrums 180 Millionen Euro, bis womöglich ein Endlager gefunden wäre. Was überhaupt fraglich ist. Für Ahaus spricht: Hier lagern schon baugleiche Elemente aus Hamm.

Über welchen Giftmüll sprechen wir?

In Jülich wurden keine klassischen Brennstäbe verwendet, sondern Kugeln aus Grafitkeramik. Fast 300 000 dieser tennisballgroßen Briketts sind zwischen 1967 bis 1988 erzeugt worden. In einem der speziellen Castor-Behälter, die auch deutlich kleiner sind als die klassischen, finden 1900 dieser Elemente Platz. Der eigentliche Brennstoff befindet sich im Innern der Kugeln, in Form von etwa 20 000 Partikeln aus spaltbarem Uran (U-235) sowie dem nicht spaltbaren U-238. Ein Teil von ihnen enthält Thorium (Th-232).

Was kritisieren die Gegner?

Sie sagen: Das Forschungszentrum wolle sich aus Imagegründen von der Altlast befreien. Die Wissenschaft verhalte sich verantwortungslos. Für Felix Ruwe von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ ist das Vorhaben „eine reine Atommüllverschiebung, aber kein Schritt zu einer geordneten Entsorgung“. Die Kugeln seien nicht ordentlich aufbereitet, das enthaltene Grafit zudem äußerst leicht brennbar. „Wir sind entsetzt, dass Umweltminister Norbert Röttgen das zulässt. Und die Landesregierung hat nichts unternommen.“

Wie viele Transporte wird es geben?

Das kann noch keiner genau sagen. 152 Behälter müssen vom Rheinland ins Münsterland gekarrt werden. Damit begonnen werden kann, sobald das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sein Okay gegeben hat, voraussichtlich im ersten oder zweiten Quartal des nächsten Jahres.

Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) wären größere Tranchen wünschenswert, da der Grundaufwand für jeden Transport sehr hoch ist. Die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) mit Sitz in Essen, die das Zwischenlager Ahaus betreibt, würde dagegen viele kleinere Transporte bevorzugen – bei größeren Stückzahlen droht ein Abfertigungsstau bei der Einlagerung. Die Bürgerinitiativen befürchten, dass nur ein oder zwei Castoren zusammen transportiert werden könnten.

Welche Strecken kommen infrage?

Auch das ist nicht klar. Aber das Ruhrgebiet liegt recht genau in der Mitte zwischen Jülich und Ahaus. Drei mögliche Strecken werden von Bürgerinitiativen immer wieder genannt, sie sind in der nebenstehenden Grafik eingezeichnet, können aber variiert werden. Die kürzeste Strecke ist 178 Kilometer lang. Das Transportkonzept macht die GNS, es muss vom NRW-Innenministerium genehmigt werden. Mit anderen Worten: Die Strecke muss politisch verhandelt werden. Auch die Polizei hat ein Mitspracherecht.

Wie groß ist der Widerstand der Bürgerinitiativen?

„Wir werden noch mehr Trara machen als bisher“, droht Felix Ruwe von der Bürgerinitiative Ahaus. Und Siegfried Faust von „Stopp Westcastor“ in Jülich sagt: „Wir planen eine große Aktion.“ Das Potenzial in NRW ist sicher nicht so groß wie im Wendland, schätzt die Polizei. Aber bis zu 10 000 Teilnehmer haben die Atomkraftgegner hier nach eigenen Angaben schon zusammengetrommelt. Am 18. Dezember ist in Ahaus eine erste große Demonstration geplant.

Sämtliche 18 Hundertschaften in NRW werden wohl bei jedem Transport zum Einsatz kommen, schätzt Polizeigewerkschafter Adi Plickert. Die Polizei will versuchen frühzeitig mit den Atomkraftgegnern ins Gespräch zu kommen, um „den bürgerlichen Protest zu kanalisieren“, sagt Plickert. Sorgen bereiten ihm eher die „Krawalltouristen“, in Gorleben waren es 500 bis 700 gewaltbereite Autonome.

Geht eine Gesundheitsgefahr von den Castoren aus?

Laut Forschungszentrum Jülich beträgt die mittlere Dosis in einem Meter Abstand von einem Castor-Behälter etwa ein Mikro-Sievert pro Stunde. Die Dosis bei einem Kurzstreckenflug betrage etwa das Zwanzigfache. Gegner wie Greenpeace führen an, dass bei Unfällen Castoren beschädigt werden könnten.