Gorleben. Länger als alle anderen Castor-Transporte zuvor hat er gebraucht, doch nach 125 Stunden sind die Lkws mit den elf hochradioaktiven Behältern im Zwischenlager Gorleben angekommen. Auch auf dem letzten Teilstück mussten sie immer wieder pausieren, weil Aktivisten die Strecke blockierten.

Der Castor-Transport, der so lange gebraucht hat wie keiner vor ihm, ist am Ziel. Gut 125 Stunden nach dem Start an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague rollten am Montagabend von 22.06 Uhr an die elf Tieflader mit den umstrittenen Atommüll-Behältern durch das Tor des Zwischenlagers im niedersächsischen Gorleben.

Bevor der Konvoi Gorleben erreichte, sprangen allerdings noch zwei Aktivisten auf. Sie zwangen den von einem massiven Polizeiaufgebot begleiteten Transport zu einem letzten Zwischenstopp.

Zuvor waren die Spezialbehälter mit dem hoch radioaktiven Abfall in der Verladestation Dannenberg für die letzte, etwa 15 Kilometer lange Etappe von Eisenbahnwaggons auf Tieflader umgehoben worden. Umweltschützer nutzten diese Zeit, um ihre Stärke zu zeigen.

Letzte Aktionen noch am Montag

Noch bis gegen 16.00 Uhr besetzten Hunderte Castor-Gegner die Zufahrtsstraße zum Zwischenlager. Über der Sitzblockade kletterten zudem etwa eine Handvoll Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood in die Bäume und spannten Transparente auf. Die Polizei musste mit einem Hubwagen anrücken, um die letzte Blockade vor dem Anrollen der Castor-Transporter in Dannenberg zu lösen.

Wenige Kilometer weiter sperrten zudem Aktivisten von Greenpeace in einer Blitzaktion die mögliche Südroute. In Klein Gusborn stellten sie dafür einen Transporter quer und senkten einen Quader aus Beton auf die Fahrbahn. Darin machten sich wiederum zwei Aktivisten fest. Zur Räumung löste die Polizei die Castor-Gegner nicht, sondern fixierte den Betonklotz am Wagen und schob das Fahrzeug beiseite.

Polizei demonstriert zum Abschluss Härte

Noch während der letzte Behälter in Dannenberg umgeladen wurde, begannen Polizisten schließlich damit, die traditionelle Blockade vor dem Zwischenlager zu räumen. Durch das rigide Vorgehen der Beamten wurden offenbar mehrere Aktivisten verletzt, als die Polizei sie ruppig von der Straße zog. Ein Polizeisprecher sagte dapd, dass die Beamten in solchen Fällen auch "Schmerzgriffe" anwendeten.

Offizielle Zahlen über Verletzte lagen zunächst nicht vor. Die Gruppe "X-tausendmalquer" sprach indes von fünf Demonstranten, die bei der Räumung so stark verletzt worden seien, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten. In den vorherigen Tagen hatte die Polizei im Wendland bereits wiederholt Wasserwerfer, Gummiknüppel und Reizgas gegen Castor-Gegner eingesetzt. Beamte wurden wiederum mit Böllern, Flaschen und Holzpfählen beworfen.

Originelle und massive Proteste im Wendland

Der mittlerweile 13. Castor-Transport war auf seiner fast 1.800 Kilometer langen Strecke durch Frankreich und Deutschland auch schon weit vor der Ankunft im Wendland wiederholt gestoppt worden. Gegner zwangen den Zug gleich nach der Abfahrt in Frankreich zum Halt.

Den massivsten Widerstand setzten die Atomkraftgegner dem Sonderzug aber auch in diesem Jahr auf der "Wendlandbahn" genannten und nur eingleisigen Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Danneberg entgegen. Kurz nach Lüneburg hatten sich sieben Aktivisten an den Gleisen befestigt. Experten der Bahn mussten das Stück Schiene reparieren.

Bei Harlingen besetzten zudem 3.500 Umweltschützer das Gleis. Die Polizei nahm daraufhin mehr als 1.000 von ihnen in Gewahrsam. Sie mussten über Stunden in einer "Wagenburg" aushalten, bei der sie im Freien von aneinandergeschobenen Einsatzfahrzeugen umzäunt wurden.

Die wohl spektakulärste Aktion starteten jedoch vier Aktivisten der "Bäuerlichen Notgemeinschaft". Sie versperrten die Strecke bei Hitzacker mit einer etwa ein Meter hohen Pyramide aus Beton. Darin steckten sie mit ihren Armen in einer Konstruktion fest, die sich von außen nicht lösen ließ - und das mehr als 14 Stunden lang.

Die Polizei verzichtete nach längeren Versuchen schließlich darauf, das Gebilde gewaltsam zu öffnen. Erst nach längeren Verhandlungen gaben die Umweltschützer schließlich Mitten in der Nacht zu Sonntag auf. Zuvor hatten sie noch gefordert, der Zug möge "zurückfahren".

Atomkraft: Eine Chronologie in Ausschnitten

Das wegen eines Transformatorbrandes seit 2007 stillgelegte AKW Krümmel muss im Juli 09 nach nur wenigen Tagen Aktivität - und mehreren Störfällen in dieser Zeit - wieder vom Netz: Eine Notabschaltung beeinträchtigt diesmal auch die Stromversorgung in Hamburg.
Es beginnt eine neuerliche Diskussion um die riskante Technologie.
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Das wegen eines Transformatorbrandes seit 2007 stillgelegte AKW Krümmel muss im Juli 09 nach nur wenigen Tagen Aktivität - und mehreren Störfällen in dieser Zeit - wieder vom Netz: Eine Notabschaltung beeinträchtigt diesmal auch die Stromversorgung in Hamburg. Es beginnt eine neuerliche Diskussion um die riskante Technologie. Foto: ddp © ddp
Erst durch einen jahrelang verschwiegenen Wassereinbruch kommt das Atommülllager Asse II 2008 in die Schlagzeilen; inzwischen findet sich sogar Sprengstoff zwischen den ca. 126.000  Atommüllfässern.
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Erst durch einen jahrelang verschwiegenen Wassereinbruch kommt das Atommülllager Asse II 2008 in die Schlagzeilen; inzwischen findet sich sogar Sprengstoff zwischen den ca. 126.000 Atommüllfässern. Foto: ddp © ddp
Von einem GAU bislang verschont können auch deutsche Kernkraftwerke mit imposanten Zahlen aufwarten: Biblis A und B kamen bis zum Jahr 2007 seit Inbetriebnahme auf zusammen 789
Von einem GAU bislang verschont können auch deutsche Kernkraftwerke mit imposanten Zahlen aufwarten: Biblis A und B kamen bis zum Jahr 2007 seit Inbetriebnahme auf zusammen 789 "meldepflichtige Ereignisse". Foto: ddp © ddp
Zwar waren fehlerhafte Dübel nicht die Ursache für die Panne in Brunsbüttel im Juni 2007; da aber, wie sich danach herausstellte, wohl auch die Hälfte aller begutachteten Dübel fehlerhaft waren, steht der Reaktor wesentlich länger still als geplant.
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Zwar waren fehlerhafte Dübel nicht die Ursache für die Panne in Brunsbüttel im Juni 2007; da aber, wie sich danach herausstellte, wohl auch die Hälfte aller begutachteten Dübel fehlerhaft waren, steht der Reaktor wesentlich länger still als geplant. Foto: AP © AP
Was hat IKEA mit Atomkraft zu tun? Nichts! Allerdings ist IKEA ein Schwedisches Unternehmen, genau wie: VATTENFALL. Und wäre beim Störfall im Juni 2006 auch die letzten 2 von 4 Notstromaggregaten ausgefallen, wäre es im Reaktor von Forsmark zum GAU gekommen; und es hätte Direktimport nach Deutschland gegeben, nur keine Möbel, sondern Radioaktivität.
Was hat IKEA mit Atomkraft zu tun? Nichts! Allerdings ist IKEA ein Schwedisches Unternehmen, genau wie: VATTENFALL. Und wäre beim Störfall im Juni 2006 auch die letzten 2 von 4 Notstromaggregaten ausgefallen, wäre es im Reaktor von Forsmark zum GAU gekommen; und es hätte Direktimport nach Deutschland gegeben, nur keine Möbel, sondern Radioaktivität.
Kurzschlüsse wie aktuell in Krümmel sind in deutschen Atommeilern keine Seltenheit: Auch das größte deutsche KKW in Gundremmingen konnte am 5.08.2004 einen Kurzschluss am Haupt-Generator vorweisen; eine Reaktorschnellabschaltung folgte.
Foto: ddp
Kurzschlüsse wie aktuell in Krümmel sind in deutschen Atommeilern keine Seltenheit: Auch das größte deutsche KKW in Gundremmingen konnte am 5.08.2004 einen Kurzschluss am Haupt-Generator vorweisen; eine Reaktorschnellabschaltung folgte. Foto: ddp © ddp
Der Unglücksreaktor in Tschernobyl. 
Obwohl in der weit entfernten Urkaine gelegen, hatte der GAU vom 26.04.1986 Auswirkungen bis nach Deutschland. Selbst heute müssen in Bayern erlegte Wildschweine auf Radioaktivität geprüft werden, weil sie Pilze fressen, die radioaktives Cäsium aus dem Boden anreichern.
1986 bewirkte der Unfall eine Zäsur in der Atompolitik. 
Foto: ddp
Der Unglücksreaktor in Tschernobyl. Obwohl in der weit entfernten Urkaine gelegen, hatte der GAU vom 26.04.1986 Auswirkungen bis nach Deutschland. Selbst heute müssen in Bayern erlegte Wildschweine auf Radioaktivität geprüft werden, weil sie Pilze fressen, die radioaktives Cäsium aus dem Boden anreichern. 1986 bewirkte der Unfall eine Zäsur in der Atompolitik. Foto: ddp © ddp WP
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Der "Schnelle Brüter" in Kalkar. Schon vor der geplanten Inbetriebnahme kam es 1984 zu einem Brand des Kühlmittels Natrium, ein Element, das sich bei Kontakt mit Wasser entzündet. Heute ist der Reaktor in Kalkar ein Vergnügungspark... Foto: Kurt Michelis © NRZ
Offiziell ein
Offiziell ein "Erkundungsbergwerk" zur "Ergebnis-offenen Erforschung der Tauglichkeit als Endlager" für radioaktiven Abfall wurde Gorleben tatsächlich schon seit Mitte der 1980er Jahre systematisch zum Endlager ausgebaut, ohne dass eine Eignung als Atommüll-Endlager überhaupt festgestellt gewesen wäre. © AFP
Mit dem beinahe-Gau in Harrisburg, in dem es schon zur Kernschmelze gekommen war,  im US-Amerikanischen AKW
Mit dem beinahe-Gau in Harrisburg, in dem es schon zur Kernschmelze gekommen war, im US-Amerikanischen AKW "Three Miles Island" am 28.03.1979 gerieten die Gefahren der Atomkraft das erste mal in den Blick der Öffentlichkeit. AFP PHOTO/DOE © AFP
Der erste in Europa bekannt gewordene schwere Störfall fand schon 1957 in Windscale in Großbritannien statt. Viele Störfälle später und nach enormer radioaktiver Verseuchung der Irischen See kam es zu einschneidenden Konsequenzen: Der Komplex wurde 1981 in
Der erste in Europa bekannt gewordene schwere Störfall fand schon 1957 in Windscale in Großbritannien statt. Viele Störfälle später und nach enormer radioaktiver Verseuchung der Irischen See kam es zu einschneidenden Konsequenzen: Der Komplex wurde 1981 in "Sellafield" umbenannt... © NRZ
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Negativ-Zeitrekord deutlich geknackt

Der Sonderzug war am Mittwoch bei La Hague gestartet. Der 13. Castor-Transport brauchte für seine Strecke nach Gorleben letztlich so lange wie kein anderer vor ihm: Schon am Sonntagmittag, 12 Uhr, überschritt er den bisherigen Negativ-Zeitrekord von 92 Stunden. Bei Abschluss der Verladung in Dannenberg waren es schon 120 Stunden.

Der Transport fuhr im Saarland über die französisch-deutsche Grenze, durch die Pfalz weiter nach Hessen, wenige Kilometer durch einen Zipfel von Bayern und rollte schließlich - mit einem langen Halt bei Maschen südlich von Hamburg - durch Niedersachsen. Der Atommüll wurde in Deutschland von etwa 19.000 Polizisten geschützt.

Sicherheitskräfte und Aktivisten haben nun viel Zeit, um ihre Kräfte wieder zu sammeln: Der nächste Atommüll soll erst im Jahr 2014 in Gorleben eintreffen - dann allerdings aus dem britischen Sellafield.