Essen. Von allein kehrt der Lachs nicht zurück in die Ruhr. Viele Menschen arbeiten daran, den Fluss bis 2030 fit zu machen. Das ist ihr Plan.

„Ein verheißungsvolles Zeichen“ nannte der Ruhrverband den ersten Lachs, der sich wieder in die Ruhr verirrte – „nach alledem, was Industrie, Gewerbe und Bevölkerung dem Fluss über viele Jahre angetan haben“. Im November 1985 hatte ein Angler in Mülheim das erste Mal seit rund hundert Jahren einen Lachs aus der Ruhr gezogen. Ein Streuner nur, aber das Auftauchen dieses Fisches, der so hohe Ansprüche an die Wasserqualität stellt, markierte die Wiederauferstehung dieses einst toten Flusses.

Die Ruhr wieder lachsfähig zu machen, ist ein Generationenprojekt. Im Jahr 2030 soll es so weit sein. Dann könnte der Lachs wieder heimisch werden im Unterlauf der Ruhr. Denn bis dahin sollen an der Ruhrmündung bei Duisburg neue Fischtreppen gebaut werden, damit wandernde Fische das Wehr emporschwimmen und springen können. Und am Kettwiger Stausee könnte ein Fischlift nach dem Vorbild des Baldeneysees entstehen – sofern eine Bewertung, die noch bis Mai 2025 läuft, bestätigt, dass das Gerät seinen Zweck erfüllt.

Unser Themenpaket zur „Wiederauferstehung der Natur“

Heimathafen Ruhr

Dann wäre die Ruhr auch für den Maifisch, den Aal, die Barbe, die Äsche und viele weitere Arten durchgängig bis zum Baldeneysee und damit bis zum Deilbach im Essener Süden. Dort haben die ehrenamtlichen Helfer des Vereins „Atlantischer Lachs“ 2002 junge Lachse ausgesetzt. Mit einer Art offenem Käfig schleusten die Helfer die Tiere später bis zum Rhein. Und einige kehrten Jahre darauf zurück, laichten ab 2008 mindestens drei Jahre hintereinander in Mülheim. Wahrscheinlich haben sie den Aufstieg bis dorthin über Schiffsschleusen geschafft.

Es war ein Experiment, denn der Lachs kann nicht nachhaltig in der Ruhr heimisch werden, solange sie nicht durchlässig ist. Von den 53 Stauanlagen des Flusses sind bereits zwei Drittel mit Fischtreppen ausgestattet, doch den gesamten Fluss mit Fischwegen auszustatten, wäre sehr teuer. Die einzige Kostenschätzung dazu ist schon über zwanzig Jahre alt: 220 Millionen Euro. In der Zwischenzeit gab es nicht nur Inflation, sondern auch Lerneffekte: Für den Fischlift am Baldeneysee hatte man mal zwei Millionen Euro kalkuliert. Er kostete dann 6,8 Millionen.

Weiterhin ein künstlicher Fluss

Die Ruhr wird realistischerweise in weiten Teilen ein künstlicher Fluss bleiben. In den einzelnen Staubecken schwanken die Wasserstände im Jahresverlauf stark, dass sich nur eingeschränkt eine „normale“ Ufer- und Unterwasservegetation bilden kann. Darum fehlen zum Beispiel Laichplätze. Der Ruhrverband versucht dies auszugleichen, indem er jedes Jahr 15 Millionen Fische aus derzeit acht Arten an der Möhnetalsperre züchtet und aussetzt. Der Essener Verein Atlantischer Lachs züchtet seine Setzlinge an der Hasper Talsperre.

„Wir wollen eine Durchgängigkeit von der Mündung bis zum Baldeneysee hinkriegen“, erklärt Stefan Jäger, Geschäftsführer der Ruhrfischereigenossenschaft und des Vereins Atlantischer Lachs. Aber das Ziel auch des Ruhrverbandes und der anderen Beteiligten ist zunächst nur die Durchlässigkeit bis zum Baldeneysee. Andere Flüsse wie die Wupper und die Sieg lassen sich kostengünstiger und schneller herrichten, darum werden sie als „Vorranggewässer für den Lachs“ vom Land gefördert und die Ruhr nicht.

Naturschützer sind skeptisch

Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND, ist skeptisch: „Der Lachs vermehrt sich auch in der Sieg nur in ganz kleinem Maßstab. Er braucht sauerstoffreich überrieselte Kiesflächen, und die gibt es in begradigten und befestigten Flüssen nicht. Auch darum werden weiterhin jedes Jahr so viele Junglachse ausgesetzt. Ob die derzeitigen Minipopulationen ausreichen würden, ist also fraglich.“ Auch seien (nach Zahlen des Landesumweltministeriums) nur knapp neun Prozent aller Fließgewässer in einem ökologisch guten Zustand. Zentral ist für Sticht eine „Rückgewinnung der Auen“, damit Flusslandschaften sich wieder auf natürlichem Wege regenerieren können. „Wenn es einen Damm gibt, darf er nur dort verlaufen, wo unmittelbar Siedlungsflächen angrenzen. Und die Auen müssen vor weiterer Bebauung frei gehalten werden.“

Die gute Nachricht aber ist: Zumindest die Wasserqualität an der Ruhr stimmt wieder. Laut Ruhrgütebericht ist der Fluss an 96 Prozent aller Entnahmestellen in einem biologisch guten oder sehr guten Zustand. Aus Kläranlagen und über die Landwirtschaft gelangen nur noch sehr wenig Phosphor und Ammonium in die Ruhr – Stoffe, die Algen wachsen lassen und Fische töten können. „Der Lachs ist dafür ein gutes Zeichen“, sagt Stefan Jäger. „Wenn wir es schaffen, dass der Lachs im Deilbach laicht, dann wissen wir, dass die Ruhr bis dahin viele ihrer ökologischen Funktionen wiedererlangt hat.“