Ruhrgebiet. An Bahnhöfen oder im ÖPNV rechnen viele Menschen mit Bedrohungen. Wie kann man sich schützen? Hier geben Fachleute Tipps.

Unfassbare zwei Milliarden Menschen fahren im Jahr in NRW mit Bus und Bahn. Daran gemessen, sind Zwischenfälle aller Art im ÖPNV prozentual kaum noch sichtbar. „Im öffentlichen Verkehr können sich Menschen jeden Alters grundsätzlich sicher fühlen“, so die Polizei. Und fährt fort: „Jeder kann sich gegen Anfeindungen, unerwünschten Körperkontakt und Gewalt wehren.“ Wie? Wir haben uns umgehört.

Woher kommt überhaupt diese Verunsicherung an Bahnhöfen und Haltestellen, in Bus und Bahn? „Wir sind im öffentlichen Verkehr nicht selbstbestimmt, sondern abhängig von Dritten“, sagt Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes „pro Bahn“: „Dazu kommt eine gewisse Leere abends. Wenn Menschen da sind, ist das Sicherheitsgefühl sofort größer.“ Verkehrsunternehmen sollten abends kleinere Fahrzeuge einsetzen, die nicht so leer wirken; Fahrgäste sich in die Nähe von Fahrer oder Fahrerin setzen oder sie direkt einbeziehen, wenn etwas vorgeht: „Das hilft häufig.“ In der Nähe von Türen finden sich häufig Notrufsysteme.

„Wenn Sie bedrängt werden, reagieren Sie sofort“

Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes ProBahn, Karl-Peter Naumann: „Schauen Sie geradeaus, sehen Sie den Leuten ins Gesicht.“
Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes ProBahn, Karl-Peter Naumann: „Schauen Sie geradeaus, sehen Sie den Leuten ins Gesicht.“ © picture alliance/dpa | Soeren Stache

Naumann rät zu einem Sitzplatz mit Aussicht, „damit man sehen kann: Wer kommt da rein?“ Und ganz wichtig: keine Opfersignale auszusenden. „Zügiges Gehen signalisiert Mut. Man muss ein bisschen Mut zeigen. Schauen Sie geradeaus, sehen Sie den Leuten ins Gesicht.“ Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt für Polizeioberkommissarin Ilona Gerstung, eine Fachfrau für Vorbeugung: „Es gibt kein Patentrezept, aber kleine Dinge, die man verändern kann. Seien Sie selbstbewusst, zeigen Sie ihre mögliche Angst nicht, machen Sie sich groß.“

Generell rät auch die Polizei, sich in die Nähe von Fahrer oder Fahrerin zu setzen oder in einen Wagen mit anderen Fahrgästen - wenn die nicht alle zu derselben zweifelhaften Gruppe gehören. „Wenn Sie bedrängt, belästigt oder bedroht werden, reagieren Sie sofort“, heißt es. Man könne andere auf die eigene Lage aufmerksam machen („gezielt ansprechen“) und um Hilfe bitten - und sei es, dass jemand vorne Bescheid sagt oder die Polizei anruft. Wer beim Aussteigen das Gefühl habe, verfolgt zu werden, solle wieder einsteigen oder zu einem nahen belebten Ort („Tankstelle, Gaststätte, Bäckerei“) gehen und ein Taxi oder die Polizei rufen.

Vom Gangplatz kommt man besser weg als vom Fensterplatz

Die Polizistin Ilona Gerstung rät dazu, sich in der S-Bahn oder im Zug in die Nähe der Tür zu setzen. Und Gangplatz ist besser als Fenster, weil man da besser wegkommt und kaum daran gehindert werden kann, aufzustehen. Eher jüngeren Menschen empfiehlt sie: „Wenn ihr mit eurem Handy beschäftigt seid oder laut Musik hört, bekommt ihr nichts mit. Also haltet mindestens mal ein Ohr frei.“

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Wer sieht, dass jemand anders bedrängt wird, solle „helfen, ohne den Helden zu spielen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen“, rät die Polizei. Man könne weitere Leute einbeziehen oder die Polizei anrufen, sich zudem Details des Vorgangs und Merkmale des Täters einprägen. Karl-Peter Naumann von „pro Bahn“ bringt folgendes Beispiel: Wenn man sieht, dass eine Frau belästigt wird, könne man mit einem Satz wie „Hallo Eva, ewig nicht gesehen. Wie geht‘s dir?“ hinzutreten und sie aus der Situation buchstäblich herausziehen - vorausgesetzt, sie sitzt am Gang und denkt mit.

Stiftung in Gelsenkirchen bietet Kurse in Zivilcourage

Tipps zu dem Thema finden Sie auch im Internet bei aktion-tu-was.de der Polizei. Oder unter mutiger.de, dahinter steht eine Stiftung aus Gelsenkirchen, die der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und das Sicherheitsunternehmen Kötter gegründet haben. Die Stiftung informiert, „wie man sich in bedrohlichen Situationen mutig verhält, ohne sich zu gefährden“. Das Land brauche mehr „Rückenstärkerinnen, Hilfeholer, Notrufwählerinnen und Problemerkenner“. Die Stiftung organisiert Kurse in Zivilcourage, etwa für Schulklassen oder aktuell die freiwilligen Helfer der Fußball-Europameisterschaft.

Ein anderes Problem: Diebstahl. Wenn es gerade eng ist im Bus oder eine Warteschlange beim Einsteigen entsteht, dann können Taschendiebe darunter sein. Also: Handtasche geschlossen, beaufsichtigt und am Körper halten; überhaupt sind Geld und Wertsachen am sichersten in Innentaschen mit Reißverschluss, in Gürteltaschen oder Brustbeuteln. Und ganz zum Schluss: Wenn Sie halbwegs sicher sein wollen, dass spät abends in der S-Bahn sich niemand neben Sie setzt, dann tragen Sie eine FFP-2-Maske. Oder stellen auf die Ablage neben sich eine geöffnete Dose Bier. Oder beides.