Dortmund. Barbara H. und ihre Familie trifft die Inflation hart. Die 53-Jährige lauf fast ausschließlich Sonderangebote. Woran sie im Alltag sparen muss.
Heute ist ein guter Tag für Barbara H. „Der Gouda ist bei Kaufland im Angebot“, sagt sie fast euphorisch. Es ist Montagmorgen. Einkaufstag. Barbara H. wird gleich die Supermärkte in der Umgebung nach Schnäppchen abklappern. Am Abend zuvor hat die 53-Jährige am Computer akribisch die digitalen Prospekte der umliegenden Supermärkte durchforstet und eine lange Liste angefertigt. Ihre Route steht: Barbara H. steigt vor ihrem Haus in Dortmund ins Auto.
Lesen Sie hier: Alles teurer: Fast jede dritte Familie muss an Essen sparen
Der erste Stopp ist Kaufland, „für den Gouda“. Dann Lidl, hier gibt es heute zwei Packungen Backpflaumen zum Preis von einer. Anschließend soll es zu Edeka gehen, da sind Äpfel in Demeter-Qualität gerade im Angebot. Als letzten Stopp wird sie Rewe ansteuern, da kauft Barbara H. reduzierten Sellerie und Wraps für die Kids. „Mir ist es wichtig, meiner Familie gesundes Essen zu kochen“, sagt die dreifache Mutter, die ihren Nachnamen nicht öffentlich lesen möchte. Mit den gestiegenen Kosten wird das für sie allerdings zunehmend schwieriger.
Wenn Familien sparen müssen, trifft dies vor allem die Kinder
Aber nicht nur Lebensmittelpreise explodieren derzeit – nahezu alles wird im Alltag für die Familie teurer. Barbara H. überlegt nun noch genauer, wofür sie Geld ausgeben kann und möchte.
So wie Barbara H. und ihrer Familie geht es laut einer Umfrage der WAZ vielen Eltern an Rhein und Ruhr. Der „Familien-Check“ zeigt: Das Ausmaß, mit dem die Teuerung die Menschen trifft, ist dramatisch. Fast jede dritte befragte Familie muss an Lebensmitteln sparen (28,1 %). Die Zahlen erzählen von der Lage der Familien in unserer Leserschaft. Es haben ganz überwiegend Menschen unter 50 Jahren mit Kindern teilgenommen, Frauen sind stärker vertreten als Männer. Und viele von ihnen müssen harte Abstriche machen. Und wenn Familien an diesen essenziellen Dingen des Lebens sparen müssen, trifft dies vor allem die Kinder.
Im Kaufland schaut Barbara H. auf das Regal mit den frischen Tulpen. „Wie schön“, sagt sie. „Aber viel zu teuer.“ Sie geht weiter, bis das Gewürzregal sie abstoppt. „Moment, ich hatte doch noch einen Rabatt-Coupon für Salz.“ Sie sucht auf ihrem Handy. Im Kopf überschlägt sie die Kosten.
Mutter aus Dortmund: „Es frustriert mich, wenn ich jeden Cent umdrehen muss“
Ihre Familie verortet Barbara H. in der Mittelschicht. Sie nagten zwar nicht am Hungertuch, sagt sie, aber sie haben drei Kinder zu Hause. Barbara H. und ihr Mann zahlen ein Haus ab (damals war der Kredit noch günstig) und stecken viel Geld in die kleine Firma ihres Mannes, Barbara H. übernimmt auch hier die Buchhaltung. Als die Preise in Folge des Krieges in der Ukraine dermaßen explodierten, hat das die Kalkulation der Familie ordentlich geschüttelt. Nun müssten auch sie schauen, sagt Barbara H., wie sie ihr Geld zusammenhalten.
In dieser neuen Lebensrealität gibt es für die Kinder (12, 14 und 17 Jahre) mal keine Marken-Chips. Die „völlig überteuerten“ getrockneten Erdbeeren von „dm“, die ihre Tochter so gerne isst, landen ebenfalls nicht Warenkorb. „Das müssen die Kinder dann von ihrem Taschengeld kaufen“, sagt Barbara H. Es frustriert sie selbst manchmal, „wenn ich jeden Cent umdrehen muss“ – auch wenn sie schon immer sparsam war. „Ich werde älter, setze mich mehr mit einem gesunden Lebensstil auseinander, möchte meinen Kindern etwas bieten.“
Durch intelligentes Einkaufen spart eine Familie 500 Euro im Monat
Mit ihrer Strategie spart die Familie im Monat 500 Euro, schätzt Barbara H.: Montags und donnerstags kauft sie nach Angebot ein. Dosen und alltägliche Lebensmittel kauft sie auf Vorrat, wenn sie günstig sind. Verderbliche Lebensmittel aus dem Sonderangebot friert sie ein.
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Nicht nur an Lebensmitteln sparen derzeit viele Familien. Bei der Kleidung sieht es ganz ähnlich aus: Essen liegt im Schnitt der Region mit 25,3 Prozent, Dortmund bei 35,5 Prozent. Bei den Spielsachen macht jede vierte Familie in der Region Abstriche (25,1 %). Auch Barbara H. achtet genau darauf, für welche Bedürfnisse ihrer Kinder sie Geld ausgibt. Zu Weihnachten etwa gab es keine Playstation, die Jugendlichen konnten sich bei Ikea etwas für ihr Zimmer aussuchen. Für den Kinobesuch kauft sie im Vorfeld immer 10er-Karten, „die sind günstiger.“
Trotzdem ist es der Mutter wichtig, ihren Kindern ihre Wünsche so gut sie kann zu ermöglichen. Wenn sich ihr Sohn neue Nike-Schuhe wünschte, würde sie nicht nein sagen. Eher spart sie dann an ihrer eigenen Kleidung. „Ich möchte schließlich, dass meine Kinder mit ihren Freunden mithalten können“, sagt Barbara H.
Urlaub in Zeiten der Inflation: Nordsee statt Ski-Urlaub
Abstriche macht die Familie auch beim Urlaub. Im Sommer geht es mit dem Auto an die Nordsee, gekocht wird in der Ferienwohnung. „Früher sind wir immer eine Woche über Silvester in den Ski-Urlaub gefahren, das fällt weg. Da haben die Kinder immer gerne einen Ski-Kurs gemacht. Das ist einfach nicht mehr drin.“
Dass viele Menschen als Erstes an Restaurantbesuchen und am Urlaub sparen, ist bekannt. Der Familien-Check zeigt das Ausmaß: Bis zu drei Viertel der Teilnehmer sparen im Bereich Gastronomie. Für Urlaubsreisen geben etwa 70 Prozent der Menschen weniger Geld aus. An Freizeitaktivitäten spart die Mehrheit der befragten Familien im Ruhrgebiet (50,9 Prozent).
An einer Sache will Barbara H. allerdings nie sparen: an der Bildung ihrer Kinder. Jedes Kind bekommt Musikunterricht und kann damit seiner Leidenschaft nachgehen, „das ist mir total wichtig“. Auch wenn die Kinder zum Englischlernen jetzt nicht mehr ins Sprachcamp fahren, sondern per App lernen, für Nachhilfe würde sie immer Geld ausgeben. „Außerdem tue ich alles, um den Kindern eine unbeschwerte Jugend zu ermöglichen.“ Beim letzten Halt ihrer Route, im Rewe-Supermarkt, packt sie schnell noch ein paar Schokoriegel ein.
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