Düsseldorf/Dortmund. Das Land will, dass Hunderte Geflüchtete in einem Dortmunder Hotel untergebracht werden. Details nennt die Ministerin nicht. Weiß die Stadt mehr?
Gladbeck sagte Nein, Arnsberg protestierte erfolgreich, in Mülheim hoffen genervte Anwohner auf das Auslaufen des Mietvertrages: NRW tut sich weiterhin schwer, die dringend benötigten Landesunterkünfte für Flüchtlinge zu finden. Nun aber sollen in Dortmund schon Anfang Januar bis zu 500 Geflüchtete ein ehemaliges Hotel beziehen. Das hat Ministerin Josefine Paul (Grüne) angekündigt, mehr sagte sie nicht. Und die Stadt rätselt.
Man könne, sagte die Flüchtlingsministerin Ende September, „nur dort Unterkünfte errichten, wo wir das gemeinsam mit den Kommunen machen“. Dass es tatsächlich ohne die Städte nicht geht, hat sie in Gladbeck erlebt: Dort scheiterten die Pläne, eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für rund 600 Menschen zu schaffen, im September am Widerspruch des Stadtrates und der Bürger. Das Van der Valk-Hotel wird kein Flüchtlingsheim.
Welches Hotel hat in Dortmund Platz für 500 Flüchtlinge?
Welches Hotel aber wird es in Dortmund? Zum ersten Januar 2024 soll dort eines angemietet werden, so die Ministerin im Fachausschuss des Landtages. Während bei vier anderen Standorten in Weeze, Düsseldorf, Lage und Gütersloh aber konkrete Adressen genannt werden, hüllen sich die Verantwortlichen im Fall Ruhrgebiet in Schweigen. Auf eine Anfrage an das Ministerium antwortet eine Sprecherin der Bezirksregierung Arnsberg: „Die Landesregierung plant, Anfang des kommenden Jahres eine Zentrale Unterbringungseinrichtung in Dortmund zu errichten. Geplant sind maximal 500 Plätze.“ Das Wort „Hotel“ will sie nicht wiederholen.
Auch in Dortmund sind weitere Auskünfte derzeit nicht zu bekommen. Eine Sprecherin verweist zurück an das Land, Sozialdezernentin Birgit Zoerner ließ sich in einer ersten Stellungnahme so zitieren: „Sobald uns eine verbindliche Entscheidung des Landes vorliegt, wird es zunächst die notwendige Beteiligung der politischen Gremien in Dortmund geben.“ Über die „öffentlichen Äußerungen von Ministerin Paul“ sei man „sehr irritiert“. Lediglich die Grünen im Rat stimmen ihrer Parteifreundin öffentlich zu: Eine neue Landesunterkunft werde es „zu Beginn des neuen Jahres auch in Dortmund geben“.
Landesunterkünfte für Flüchtlinge in Gladbeck und Arnsberg abgelehnt
Dabei hatte Paul in der Ausschusssitzung noch einen weiteren Satz gesagt: „Die Akzeptanz steht und fällt ganz maßgeblich mit der Kooperation mit den Kommunen und der Kommunikation vor Ort.“ In Mülheim, wo rund 600 Geflüchtete im Juni einen leerstehenden Bürokomplex im ländlichen Stadtteil Raadt bezogen haben, wie auch in Gladbeck war eben diese Kommunikation immer wieder kritisiert worden. In Gladbeck prüfte die Stadt, die sich durch Briefe des Ministeriums „diskreditiert“ fühlte, zuletzt sogar juristische Schritte.
Was bei der Dortmunder Stadtspitze wirklich bekannt ist über die neuen Pläne, bleibt unklar. Man habe der Landesregierung „bereits vor langer Zeit angeboten, eine Landeseinrichtung zu betreiben“, sagt Sozialdezernentin Zoerner. „Leider hat uns trotz des Zeitdrucks bis heute dazu keine verbindliche Aussage der Landesregierung erreicht.“ Man warte darauf, schiebt Zoerner mit hörbarer Schärfe nach, „dass die Landesregierung intern ihre nach wie vor ungeklärten Prozesse klärt“.
Schon wenige Tage vor der Bekanntgabe durch Ministerin Paul hatte Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) in einer Pressekonferenz und später in einer Ratssitzung Stellung bezogen. Er bestätigte, mit dem Land bereits seit einem Jahr im Gespräch zu sein und grundsätzlich „Plätze zugesagt“ zu haben. Das sei aber kein konkretes Angebot gewesen. Westphal wörtlich: „Wir wären in Dortmund durchaus bereit, dem Land Möglichkeiten zu geben, eine Landeseinrichtung in Dortmund zu errichten.“ Das sei aber nur „unter Voraussetzungen“ möglich.
Dortmunds Oberbürgermeister: Pläne des Landes bislang „völlig verfehlt“
Die Stadt nämlich wolle Flüchtlingsunterkünfte mit Qualität: betrieben durch erfahrene soziale Träger, mit guter Betreuung. Das aber, findet Westphal, „scheint auf Landesebene nicht der Fall zu sein“. Es reiche nicht, „eine Einrichtung hinzustellen, in der die Menschen nichts haben als ein Dach über dem Kopf. Das ist völlig verfehlt“. Thomas Westphal erneuerte die Kritik, die auch der Städtetag mehrfach geäußert hat: „Das Land kommt seinen eigenen Ansprüchen nicht nach.“
Derzeit verfügt NRW nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg über 46 Landesunterkünfte, davon fünf Erstaufnahmeeinrichtungen, 28 Zentrale Unterbringungseinrichtungen und 13 Notunterkünfte. Derzeit würden 31.110 Plätze aktiv betrieben. Die Einrichtungen seien zu etwa 91 Prozent ausgelastet. Der Bedarf aber ist größer. Die Städte und Kreis in NRW fordern wenigstens 70.000 Plätze.
Dortmunds Landhaus Syburg war schon einmal Flüchtlingsheim
Dortmunds OB warf dem Ministerium in der Ratssitzung vor, an vielen Orten seine „Projekte selbst vor die Wand gefahren“ zu haben. Für seine Stadt gelte: „Wenn Landeseinrichtungen keine Qualität haben, will ich sie lieber nicht.“ Das Land müsse sich entscheiden. Er versuche, Dortmund zu schützen vor einem Projekt, „das so nicht funktioniert“. Man wolle aber diskutieren – sagte der Oberbürgermeister sechs Tage, bevor die Ministerin vorpreschte. Die wiederum ließ zur Wochenbeginn über die Bezirksregierung mitteilen, man sei „mit vielen Kommunen und Kreisen im Gespräch“ und prüfe jede infrage kommende Option.
Darunter eben 500 Plätze in Dortmund. Oder weniger: Arnsberg bittet um Verständnis, „dass sich die Platzzahl zum jetzigen Zeitpunkt noch ändern kann und im weiteren Planungsprozess auch geringer ausfallen kann“. Dortmund hat tatsächlich schon einmal ein Hotel als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Das ehemalige Landhaus Syburg rutschte 2015 in die Insolvenz, wurde damals von der Stadt bis 2025 angemietet. Der traditionsreiche Bau im tiefen Dortmunder Süden wurde seither als Flüchtlingsunterkunft, während der Pandemie als Quarantäne-Einrichtung und später für die Unterbringung von Ukrainern genutzt.
Auch jetzt verweisen Kenner der Stadt und auch der Politik schnell auf das frühere Drei-Sterne-Haus. Für eine ZUE allerdings dürfte es zu klein sein: Das Landhaus verfügt über 61 Zimmer und hat für maximal 200 Menschen Platz. Zwar hat das Land nach der Vielzahl von Protesten inzwischen eingeräumt, zur Not auch kleinere Einrichtungen zu betreiben. Ministerin Paul nannte jedoch allenfalls eine Platzzahl von „300 plus“ praktikabel. Sonst werde man „die Kapazitäten nicht signifikant erhöhen können“.