Münster. Die Polizei NRW braucht dringend Nachwuchs. Was sie dafür tut, worin sie besser werden muss und worauf der Apparat keinesfalls verzichten kann.

Beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) der Polizei in Münster ist an diesem Tag „Kognitiver Leistungstest“. Junge Bewerber laufen etwas angespannt mit grünen Zetteln hin und her, aber dass an der Hauswand des Bildungszentrums „Carl Severing“ ein Defibrillator hängt, liegt nur am großen Standort mit seiner starken Fluktuation. Sagt Frank Menger, 40, Leiter des Dezernats Personalauswahl und -werbung. Mit dem Polizeidirektor sprach Annika Fischer über nötigen Nachwuchs, Anforderungen und neue Chancen.

Die Polizei in NRW sucht dringend Personal. Sogar auf Ihrer Kaffeetasse steht „Komm ins Team 110“. Was tun Sie, um mehr junge Leute zu gewinnen?

Frank Menger: Wir beabsichtigen, in diesem Jahr 3000 neue Kommissaranwärterinnen und –anwärter einzustellen. Wir werben intensiv um geeignete Interessierte. Jeder Polizist, jede Polizistin tut das, unser Motto ist: Jeder ist ein Personalwerber. Wenn sich jemand bewirbt, aber dann seine Unterlagen nicht einreicht, dann suchen wir den persönlichen Kontakt und fragen: „Woran liegt’s?“ Zudem haben wir unsere Maßnahmen analysiert und noch passgenauere, ansprechendere und authentischere Werbemaßnahmen entwickelt.

Was müssen Bewerber mitbringen, um dabei zu sein?

Zunächst müssen die grundsätzlichen Voraussetzungen, wie unter anderem. Schulabschluss, Lebensalter (zum Einstellungstermin noch nicht 37 Jahre alt), stimmen und die Unterlagen vollständig abgegeben werden. Dann geht es um die charakterliche Eignung: Steht jemand auf dem Boden des Grundgesetzes, tritt er oder sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, ein, gab es bereits Verstöße gegen Strafgesetze? Wenn alles stimmt, geht es in einen geschützten, digitalen Test: Intelligenz, Gedächtnis, Rechtschreibung. Es folgen ein Assessment-Center, wo etwa kommunikative und soziale Fähigkeiten überprüft werden und eine ärztliche Untersuchung. Dabei geht es um Reaktionsvermögen, Wahrnehmungsfähigkeit, aber auch körperliche Belastbarkeit. Apropos Fitness: Das Deutsche Sportabzeichen – mindestens in Bronze -- und Nachweise zu Schwimmfertigkeiten – das deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Bronze oder das deutsche Schwimmabzeichen in Gold – muss jeder ohnehin mitbringen.

Polizeidirektor Frank Menger leitet das Dezernat für Personalauswahl und -werbung der Polizei NRW.
Polizeidirektor Frank Menger leitet das Dezernat für Personalauswahl und -werbung der Polizei NRW. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Tausende bewerben sich jedes Jahr, trotzdem kann der Innenminister wohl nicht alle Stellen besetzen. Sind die Anforderungen zu hoch?

Zum aktuellen Zeitpunkt können wir die konkrete Anzahl von Einstellungen zum 1. September nicht verlässlich voraussagen, da das Auswahlverfahren noch andauert. Es gibt ein wissenschaftlich fundiertes Einstellungsprofil, auf das sich die Fachleute in einer Analyse geeinigt haben: Was muss man können, um eine gute Polizistin oder ein guter Polizist zu sein? Wie sollte man sein, wie sollte man sich verhalten? Von diesen Mindeststandards weichen wir nicht ab. Es ist eher so, dass Dynamik und Komplexität in unserem Beruf zunehmen, die Anforderungen steigen. Klar ist, die Anforderungen an Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Dienst sind so hoch, dass wir keine Abstriche bei der Qualität machen können.

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NRW bildet einen Einheitspolizisten aus, der alles können muss. Wo könnten Sie vielleicht ein Auge zudrücken?

Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf gute Polizistinnen und Polizisten. Der ist nicht verhandelbar. Die Auswahl ist ein rechtsstaatliches Verfahren, es gilt der Gleichheitsgrundsatz. Und gerade bei der charakterlichen Eignung gibt es kein Ermessen. Wir verlangen viel, aber es ist eine überschaubare Quote je Verfahrensteil, die nicht durchkommt.


Aber einige Ausnahmen gibt es, Sie haben zuletzt die Mindestgröße gekippt.

Die Mindestgröße als Einstellungsvoraussetzung gilt natürlich auch weiterhin. Die Bewerberinnen und Bewerber – bisher fast alles Frauen – müssen bei nicht ausreichender Körpergröße einen eigens entwickelten zusätzlichen Mindestgrößentest bestehen, der wirklich anspruchsvoll ist und gemeinsam mit der Sporthochschule Köln entwickelt wurde. Mit dem Test stellen Bewerberinnen und Bewerber unter Beweis, dass sie trotz einer Unterschreitung der Mindestkörpergröße fähig sind, den außergewöhnlichen physischen Anforderungen des Polizeidienstes gerecht zu werden.

Kommissarinnen und Kommissare gesucht: Jedes Jahr werden Tausende Polizeistudenten vereidigt.
Kommissarinnen und Kommissare gesucht: Jedes Jahr werden Tausende Polizeistudenten vereidigt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Was könnte die Polizei sonst noch besser machen?

Wir haben schon viel verändert. Wir versuchen, die jungen Menschen noch stärker an uns zu binden, auch durch noch passgenauere Werbung – wir werben mit der Vielfalt der Aufgaben und einer sinnstiftenden Tätigkeit. Aber wir haben auch die Zielgruppe der Bewerbung erweitert und uns breiter aufgestellt. Das tun wir, indem wir bestimmte Zielgruppen ansprechen: etwa ehemalige Soldaten, Berufswechsler, Studienzweifler. Vielleicht ist das Jurastudium nicht ganz dein Ding, aber das Rechtswesen doch ein bisschen… dann komm zu uns!

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Und wir sind schneller geworden. Die Länge des Verfahrens hat vielleicht abgeschreckt, inzwischen geht alles schneller und es gibt, wo immer möglich, schnellere Zusagen. Wir haben zudem den Bewerbungszeitraum verlängert, wer sich jetzt für 2024 bewirbt und Zeit hat, kann auch noch in diesem Jahr einsteigen. Gerade testen wir in bestimmten Bereichen eine Möglichkeit, Auswahlprüfungen zu wiederholen: Wir geben mitunter eine zweite Chance, denn Aufregung oder persönliche Ausnahmesituationen sollen geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern nicht die Möglichkeit verbauen, ihren Berufswunsch in die Tat umzusetzen.

Gibt es nicht auch andere Wege in den Apparat als das Duale Studium?

Gerade besucht der erste Jahrgang die Fachoberschule der Polizei. Neben der Fachhochschulreife erwerben die Schülerinnen und Schüler in dem zweijährigen Bildungsgang polizeispezifische Kenntnisse, wie etwa in Recht und Staatslehre. Gleichzeitig sichern sie sich eine vorbehaltliche Einstellungszusage für die Polizei NRW. Diese jungen Leute sind voller Euphorie und Motivation, weil sie nun die Chance haben, zur Polizei NRW zu können.

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