Essen. Der 16-jährige Essener, der einen Anschlag auf sein Gymnasium geplant hatte, muss nicht ins Gefängnis, sagt das OLG Düsseldorf.

Dem 16-jährigen Essener, der ein tödliches Massaker auf sein Gymnasium geplant hatte, bleibt eine Gefängnisstrafe erspart. Der Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes verurteilte ihn zwar wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Er setzte die Jugendstrafe von zwei Jahren aber zur Bewährung aus und hob den Haftbefehl auf.

Von wirklicher Freiheit kann zunächst keine Rede sein. Zur Bewährungsauflage gehört, dass der Schüler sich umgehend in die stationäre Behandlung einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik begibt. Angestrebt wird danach die Unterbringung in einer Wohngruppe und die Teilnahme an einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme.

Mitschüler verhindert Anschlag

Damit endet nach sieben Verhandlungstagen das Verfahren vor dem OLG mit weit weniger Härte, als nach der Festnahme des Jugendlichen am 12. Mai vergangenen Jahres zu erwarten war. Damals hatte der Tipp eines Mitschülers die Polizei auf die Spur des Schülers aus dem Essener Stadtteil Borbeck gebracht.

Der jetzt Verurteilte, den sie an seinem Don-Bosco-Gymnasium den "Jahrgangsstufen-Nazi" nannten, hatte Andeutungen gemacht, dass er einen Anschlag plane. Bei der Durchsuchung der elterlichen Wohnung fand die Polizei im Kinderzimmer ein Waffenarsenal und auf dem Computer gespeicherte Pamphlete, die diesen Hinweis bestätigten.

Adolf Hitler verehrt

In diesen Texten nannte er sich selbst den "patriotischen Streiter der reinen weißen Rasse", der die "Weltherrschaft von Muslimen, Juden und N." drohen sah. An Lehrern der "links/grünen Art" störte er sich und verehrte Adolf Hitler. Er sah sich auch in einer Linie mit den rechten Attentätern von Hanau und Halle.

Weitere Texte belegten, dass er ein Massaker mit vielen Toten an seiner Schule konkret geplant hatte. Sein ursprüngliches Ziel war die Realschule, die er bis zum Sommer 2021 besucht hatte. Dann wechselte er aber in die Oberstufe des katholischen Don-Bosco-Gymnasiums. Der Anschlag dort stand kurz bevor. In seinem Zimmer sicherte die Polizei Material für 26 Rohrbomben, die er selbst gefertigt hatte. Dazu fanden die Beamten Messer, drei Armbrüste und Schreckschußwaffen.

Hiferuf eines psychisch gestörten Menschen?

Nach der Festnahme hatte Innenminister Herbert Reul (CDU) betont, dass ein schrecklicher Anschlag nur um einen Tag verhindert worden sei dank des Hinweises eines mutigen Mitschülers. Er schränkte damals schon ein, dass die Pamphlete auch als Hilferuf eines psychisch gestörten jungen Menschen verstanden werden könnten.

Die Ermittlungen ergaben keine Hinweise auf ein rechtsradikales Netzwerk. Offenbar agierte der Schüler als Einzelgänger. Bis zu Beginn der Corona-Isolation hatte der leicht überdurchschnittlich intelligente Jugendliche zwar noch im Sportverein Judo trainiert und es bis zum braunen Gürtel gebracht, saß dann aber hauptsächlich im Kinderzimmer vor dem Computer.

Staatsschutzsenat als Jugendgericht

In nichtöffentlicher Sitzung musste der als Jugendgericht tagende Staatsschutzsenat prüfen, ob der junge Essener bereits ein verfestigter Terrorist ist oder doch nur ein pubertierender Jugendlicher. Breiten Raum nahmen dabei die Aussagen der kinder- und jugendpsychiatrischen Mediziner ein.

Dabei konnten sie auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Denn im Sommer hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes den Angeklagten aus der Haft entlassen und in eine Klinik bringen lassen. Dort soll er in der Therapie bereits gute Fortschritte gemacht haben. Auf Beschwerde der Bundesanwaltschaft setzte der Bundesgerichtshof allerdings den Haftbefehl wieder in Vollzug.

Anklage forderte drei Jahre Jugendstrafe

Am Freitag im Plädoyer hatte die Bundesanwaltschaft weiterhin mehr Härte gefordert. Sie wollte den 16-Jährigen für drei Jahre in Haft sehen und meinte, eine Therapie sei auch in einem Jugendgefängnis möglich.

Verteidiger Andreas Wieser hatte sich dagegen ausgesprochen. Er hatte schon früh darauf hingewiesen, dass es sich bei der Tatplanung seines Mandanten eher um eine pubertäre Verirrung, verstärkt durch die Corona-Isolation, gehandelt habe. Deshalb forderte er eine Bewährungsstrafe. Der Angeklagte, der sich im gesamten Verfahren geständig gezeigt hatte, betonte im letzten Wort, dass es ihm leid tue.

Vor Gericht Reue gezeigt

Der Senat beurteilte den Fall ähnlich wie der Verteidiger. Er glaubt wohl auch, dass eine psychotherapeutische Behandlung besser sei als drei Jahre in einem Jugendgefängnis. Richter Jan van Lessen erinnerte strafmildernd an das Geständnis des Angeklagten und seine Bereitschaft, sich behandeln zu lassen: "Er hat auch glaubwürdig Reue gezeigt."

Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht. Die Bundesanwaltschaft hat noch die Möglichkeit, Revision einzulegen. Verteidiger Wieser zeigte sich zufrieden: "Ich hoffe, das jetzt endlich die therapeutische Aufarbeitung beginnen kann."

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