Essen. Den 16-jährigen Essener, der ein Massaker an seinem Gymnasium plante, hat die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat angeklagt.

Der 16-jährige Schüler, der am 13. Mai einen Bombenanschlag auf sein Gymnasium in Essen-Borbeck verüben wollte, sah sich als "patriotischer Streiter der reinen weißen Rasse", der mit einem "Massaker Aufsehen, Angst und Schrecken" verbreiten wollte. Das geht aus den vielen Pamphleten hervor, die er über Monate verfasst hatte. Der Generalbundesanwalt hat jetzt Anklage gegen ihn erhoben. Der heute 17-Jährige soll sich ab Ende des Jahres vor dem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes verantworten.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft wirft dem Essener in der Hauptsache die Vorbereitung einer "schweren staatsgefährdenden Gewalttat" vor. Die von ihm geplanten Tötungsdelikte seien geeignet, "die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen", so der Gesetzestext des Paragrafen 89a des Strafgesetzbuches.

Verhandelt wird ohne Öffentlichkeit

Im Erwachsenenstrafrecht liegt die Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Wegen seines Alters wird der Schüler aber zwingend in einem nichtöffentlichen Verfahren nach dem Jugendstrafrecht beurteilt. Es kennt keinen festen Strafrahmen.

Der Borbecker Jugendliche ist bisher strafrechtlich nie aufgefallen. Nur durch den Hinweis eines Mitschülers hatte die Polizei einen Tag vor der geplanten Tat einen blutigen Anschlag verhindert. Bei einer Hausdurchsuchung in der elterlichen Wohnung des Beschuldigten fanden die Ermittler in seinem Zimmer ein ganzes Waffenarsenal: 26 selbstgefertigte Rohrbomben, zum Teil funktionstüchtig, drei Armbrüste, zahlreiche Messer, Schreckschusswaffen und Messer.

Geschärfte Macheten im Flur

Im Schlafzimmer der Eltern lagen weitere Schreckschusswaffen, im Flur hingen vier Macheten, deren geschärfte Klingen nicht an Wandschmuck denken ließen.

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Der Schüler, der leicht überdurchschnittlich intelligent sein soll, hatte ganz normal Kindergarten und Grundschule sowie eine Realschule in Borbeck besucht. Weil er gute Noten hatte, wechselte er nach Abschluss der Realschule im Sommer 2021 zum katholischen Don-Bosco-Gymnasium über.

"Weltoffene Art" seiner Schule störte ihn

Schon da, so zeigten seine im Computer gespeicherten Aufzeichnungen, hatte er einen Anschlag auf die Realschule geplant. Jetzt musste er die Planung ändern und nahm das Gymnasium ins Visier. Nach eigenen Aufzeichnungen störten ihn dort die "weltoffene Art" und die "links/grüne Art", mit der die Lehrer ihren Schülern angeblich eine Gehirnwäsche verpassten.

Geplant, auch das ist bekannt, hatte er, mit Rohrbomben, Armbrüsten und Messern bewaffnet in einen Klassenraum zu stürzen, um dort einen Lehrer zu töten, der seiner Ansicht nach den Schülern "ein verdrehtes Weltbild" vermittelte. Dann wollte er möglichst viele Schüler und Lehrer töten. Auch an Nahkampf mit Messern dachte der eher schmächtige Schüler. Immerhin hatte er mal im Verein Judo gelernt und es vor zwei Jahren zum braunen Gürtel gebracht.

Den Tod durch Polizeikugeln erwartet

Seine Erwartung bei dieser Tat hatte er auch formuliert: Er wollte durch Kugeln der Polizei sein Leben beenden. "Suicide by cop" nennt sich dieser Wunsch: Selbstmord durch Polizisten.

Was treibt einen Jugendlichen zu solchen Gedankengängen? Auf Anfrage der WAZ glaubt sein Verteidiger, der Essener Rechtsanwalt Andreas Wieser, eher an eine zeitweise Persönlichkeitsstörung seines in der Pubertät befindlichen Mandanten. Bestritten wird die detaillierte Planung von diesem nicht. Er sei aber nicht der rechtsextreme Terrorist, als den ihn die Bundesanwaltschaft beschreibe. Selbstmordgedanken hätten im Vordergrund gestanden.

Bundesgerichtshof vermisst Reue

Wieser erinnert daran, dass der Schüler sich im Sommer freiwillig in eine psychiatrische Klinik begeben und dort gute Fortschritte gemacht habe, nachdem der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof den Haftbefehl aufgehoben hatte. Allerdings nahm ein Senat des BGH ihn wieder in U-Haft. Der Schüler zeige keine Reue, hatten die Richter begründet, und habe über eine sehr lange Zeit verstanden, Außenstehenden das Bild eines harmlosen Menschen vorzuspiegeln.

So ganz trifft auch das nicht zu. Denn an seiner neuen Schule galt er Mitschülern bereits als "Jahrgangsstufen-Nazi", erzählten sie der Polizei. Von seinen Allmachtsfantasien ahnten aber auch sie nichts. Da gibt sein Computer Auskunft. Die darin abgelegten Pamphlete sind mit "Manifest", "DBG-Massaker" oder "Abschiedsbrief" betitelt, einer mit "Sieg Heil!" unterzeichnet. Hitler nennt er "unseren Führer".

Untergang der "weißen Rasse" befürchtet

Und immer spricht er vom drohenden Untergang der "weißen Rasse" durch "Juden, Muslime und N..." (man möchte das Wort gar nicht ausschreiben), auf die sich sein Hass konzentriert. Ausdrücklich sieht er sich in der Tradition rechtsextremer Anschläge wie in Halle, Hanau oder auf die Columbine High School 1999 in den USA. Da stört ihn aber, dass die Attentäter "nur 12 Gegner" getötet hatten.

Bekennervideos drehte er, hinterließ Schriften für Nachahmer und testete eine Helmkamera, mit der er seinen Anschlag ins Netz setzen wollte.

Senat muss Persönlichkeit erhellen

Aufgabe des Düsseldorfer Senates wird es sein, die Persönlichkeit des 17-Jährigen zu erhellen: Verfestigter Terrorist oder fehlgeleiteter Jugendlicher? NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte diese Problematik bereits kurz nach der Festnahme im Mai angesprochen: "Die Aufzeichnungen können auch als dringender Hilferuf eines verzweifelten jungen Mannes gelesen werden. Es gibt Hinweise auf massive psychische Probleme und Suizidgedanken."

Verteidiger Wieser sieht das ähnlich: "Ich bin zuversichtlich, dass die Verhandlung vor dem OLG genau das herausarbeiten wird."

Hinweis der Redaktion:

  • Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.