Essen./Düsseldorf. Weil er ein Schul-Massaker plante, steht ein 17-Jähriger vor Gericht. Was zum Prozessauftakt zu sehen ist, erinnert an einen normalen Teenager.

Der 17-jährige Essener Schüler, der im Frühjahr ein Massaker mit Messern und Rohrbomben an seinem Gymnasium geplant haben soll, muss sich seit Freitag vor dem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm die "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" vor.

So sieht er also aus, der "patriotische Streiter der reinen weißen Rasse", wie er sich in seinen vielen Pamphleten selbst genannt hatte. Als sich im Gerichtssaal das öffentliche Interesse, vertreten durch viele Kameraleute, auf ihn richtet, will der Streiter sich gar nicht zeigen. Er verbirgt sein Gesicht hinter einem Aktenordner.

Zunächst öffentlich verhandelt

Schlank ist er, trägt wie so viele seiner Altersklasse Jeans und ein schwarzes Kaputzensweatshirt. Als die Kameras verschwinden, ist ein nicht besonders auffälliges Gesicht zu sehen. Dichte, schwarze Haare hat er, leicht gewellt.

Andere Angeklagte in seinem Alter hätten sich nicht dem Blick der Öffentlichkeit aussetzen müssen. Denn Verhandlungen vor den Jugendstrafgerichten gegen Jugendliche sind immer nichtöffentlich. Nur: Ein Staatsschutzsenat ist eben kein Jugendgericht, und so muss Verteidiger Andreas Wieser direkt nach Beginn der Verhandlung den Antrag stellen, die Zuschauer wie bei Jugendstrafverfahren zwingend vorgeschrieben, auch vor dem Senat auszuschließen.

Richter hofft auf "ungetrübte Kommunikation"

Der Senat folgt dem Antrag, und Richter Jan van Lessen fügt hinzu, das der Ausschluss der Öffentlichkeit zum Abbau der Hemmungen des Angeklagten beitrage: "Das sorgt für eine ungetrübte Kommunikation und dient so der Wahrheitsfindung."

Unter einer ungetrübten Kommunikation dürfte der angeklagte Schüler bisher die ohne Gesprächspartner verstanden haben. Denn allein mit sich am Computer im Kinderzimmer der elterlichen Wohnung entwarf er sein krudes Weltbild, faselte von der Verschwörung und Herrschaft von "Muslimen, Juden und N...", verehrte Hitler und plante den Anschlag auf seine Schule. Alles Themen, die er offen nicht diskutieren wollte.

Hass auf Mitschüler und Lehrer

Erst im Sommer vergangenen Jahres war er von der Realschule zur Oberstufe des katholischen Don-Bosco-Gymnasiums im Essener Stadtteil Borbeck gewechselt. Der Hass auf Lehrer und Mitschüler wechselte mit, denn einen Anschlag hatte er grob auch schon an seiner früheren Schule geplant. An den Lehrern missfiel ihm ihre angeblich "links/grüne Art". Er befürchtete, sie wollten den Schülern eine Gehirnwäsche verabreichen.

Ein wenig muss er doch erzählt haben, denn auf dem Gymnasium hatten sie ihm schon das Etikett "Jahrgangsstufen-Nazi" verpasst. Und ein Mitschüler war es, der noch rechtzeitig den entscheidenden Tipp gab und so den für den 13. Mai geplanten Anschlag verhinderte.

Waffenarsenal entdeckt

Bei rechtsradikal angesiedelten Verdächtigen neigen viele dazu, sie als Spinner zu bagatellisieren. Das ist jetzt wieder bei Heinrich XIII. Prinz Reuß zu beobachten. Die Anschläge von Hanau und Halle, aber auch der Mord an Walter Lübcke warnen vor jeder Verharmlosung. Auch bei dem Essener Schüler, der sich selbst in einer Reihe mit diesen Attentätern sah, fand die Polizei bei der Hausdurchsuchung nicht nur dessen unsägliche, menschenverachtende Pamphlete, sondern auch ein Waffenarsenal.

26 selbstgefertigte Rohrbomben stellten sie sicher, dazu Messer, drei Armbrüste und Schreckschusswaffen. An der Wand im Flur hingen vier Macheten, im Schlafzimmer der Eltern weitere Waffen und eine Hitler-Medaille unter dem Bett. Auch nach seiner Festnahme soll der Schüler ohne jede Reue von seiner Planung erzählt haben, erzählen Mitarbeiter des Gefängnisses.

Zeitweise auf freiem Fuß

So hat er es sich selbst zuzuschreiben, dass auch die Bundesanwaltschaft bildlich gesprochen zu den schweren Waffen greift. Sie hätte den 17-Jährigen auch eine Instanz tiefer vor der Jugendstrafkammer am Landgericht Essen anklagen können, aber das reichte ihr nicht. Und als der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof den Schüler im Sommer aus der Untersuchungshaft entließ, legten die Ankläger umgehend Beschwerde ein. Seitdem sitzt er wieder ein.

Dennoch ist der Staatsschutzsenat um eine entspannte Atmosphäre bemüht. Unter den drei Richtern ist übrigens mit Astrid Rohrschneider eine Frau, die ihre ersten Erfahrungen als Strafjuristin am Landgericht Essen gesammelt hat.

Eltern sitzen neben dem Sohn

Für die Kameras steht der Angeklagte in einem durch Plexiglaswände besonderes gesicherten Bereich. Nach den Aufnahmen darf er aber weiter vorne sitzen, näher am Senat und ohne jede Sicherung. Als die Öffentlichkeit, es sind eigentlich nur Journalisten, gehen muss, holt Verteidiger Wieser die Eltern seines Mandanten in den Saal, die sich vor den Medien verborgen gehalten hatten. Sie dürfen sich neben ihren Sohn setzen.

Am ersten Prozesstag wird nur die Anklage verlesen. Wieser kündigt ein Geständnis an, aber das will der Senat noch nicht hören. Denn der psychiatrische Gutachter, Christoph Arning, fehlt und kommt erst am nächsten Tag.

Der Verteidiger gibt noch eine Erklärung ab. Er hat schon früher von einer zeitweise aufgetretenen Persönlichkeitsstörung des Mandanten gesprochen. Deshalb bittet er den Senat um ein Urteil, das dem Jugendlichen eine Perspektive lasse. Bewährung meint er.