Witten. .
Immer wieder geraten junge Menschen in rechtsextreme Gruppen, weil sie dort Freunde, Anerkennung und Gleichgesinnte finden. Das ist auch in Witten so. Ein junger Mann hat den Absprung geschafft und seine Geschichte erzählt.
Rechtsextremismus ist auch in Witten ein aktuelles Thema. Besonders junge Menschen geraten immer wieder in Gruppen mit entsprechender Gesinnung. Ein junger Mann hat den Absprung geschafft und uns am Donnerstag über die städtische Aussteigerberaterin Silvia Eilhardt seine Geschichte erzählt.
Seinen richtigen Namen möchte er nicht veröffentlichen, wir nennen ihn deshalb Max. Heute ist er Mitte 20. Seine „Karriere“ in der rechten Szene begann, als er 14 Jahre alt war. „Ich wurde damals in der Schule gemobbt und habe mir starke Freunde und Anerkennung gewünscht“, sagt Max. Die Schuld an seiner Situation suchte er hauptsächlich bei ausländischen Mitschülern. Er fing an, Musik mit rechtsextremistischen Inhalten zu hören und besuchte Konzerte, wo er gezielt den Kontakt zur Szene suchte.
Schnell in Schwierigkeiten geraten
Schon bald fand Max dort Freunde, Anerkennung und Gleichgesinnte. „Ich fühlte mich dort aufgehoben, die Leute waren fast so etwas wie eine Familie für mich“, erinnert er sich. Sein äußeres änderte sich radikal, schon bald hatte der damals 16-Jährige den Ruf eines Schlägers und Säufers in der Schule.
Max geriet durch seine neuen Freunde auch schnell in Schwierigkeiten. Wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Volksverhetzung kam er mit der Polizei in Konflikt. Gleichzeitig wurde er immer stärker in Gruppeninterna eingeweiht, schaffte es sogar zum „Gruppenleiter“ für jüngere Mitglieder. „Ich hatte dort eine Position, in der mich andere anerkennen und respektieren, das war ein tolles Gefühl“, erinnert sich Max.
Gleichzeitig hatte er aber kaum Perspektiven - keinen Job nach der Schule, die Mutter war krank. Er verbrachte fast seine gesamte Zeit mit Gleichgesinnten, bis ihm Anna (Name geändert) begegnete. Die junge Frau war Max sofort sympathisch. Doch je näher sich die beiden kamen, umso mehr merkte Anna, dass etwas nicht stimmte. „Sie sagte mir, dass zwischen uns nie etwas sein könnte, wenn ich weiterhin in der Szene bleibe“, sagt Max. Anna kannte Silvia Eilhardt von der Wittener Aussteigerberatung und brachte ihren Freund dorthin.
Der Ausstieg war schwierig
Anfangs sträubte sich der junge Mann gegen die Gespräche. Eilhardt konfrontierte ihn offen und ehrlich mit der Realität. „Sie sagte, dass ich mich nicht über Arbeitslose aufregen könnte, denn eigentlich sei ich ja selbst einer. Das war ziemlich hart, aber eigentlich auch wahr“, gibt er heute unumwunden zu.
Doch der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene wurde alles andere als einfach. Anfangs konnte sich der Wittener noch herausreden, er müsse arbeiten und hätte keine Zeit. Dann folgten immer öfter Anrufe, spontane Besuche und Einladungen. Da Max keine anderen Freunde hatte und sich einsam fühlte, war die Verlockung groß, wieder in seinen alten Freundeskreis zurückzukehren.
Schließlich suchte er sich eine neue Wohnung. Gerade dort eingezogen, fuhr Anna für ein paar Tage weg. Max war nun ganz allein. „Silvia Eilhardt hat mich in diesen Tagen immer wieder angerufen. Irgendwann fragte sie, ob ich an eine Rückkehr in die Szene denke. Ich sagte „Nein“ und sie sagte: ‘Ich bin stolz auf dich’. Das war das erste Mal, dass ich auch richtig stolz auf mich war“, erinnert sich Max.
Eher über die psychologische Schiene
Doch zur Ruhe kam er immer noch nicht. Den freundlichen Einladungen der „Kameraden“ folgten bestimmtere Aufforderungen. „Mir drohte niemand, das ging eher über die psychologische Schiene“, berichtet der junge Wittener. Aber Max hatte zu diesem Zeitpunkt bereits neue Freundschaften geknüpft, seine eigene Wohnung eingerichtet, einen Job gefunden. „Ich hatte etwas erreicht und wenn ich mit jemandem reden musste, war Silvia da. Sie hat an mich geglaubt und das hat mir Selbstvertrauen gegeben.“
Nach insgesamt zwei Jahren Beratungsarbeit hatte Max schließlich den Ausstieg geschafft. Zurück möchte er nie wieder: „Früher hatte ich nie Probleme, das haben meine Freunde für mich erledigt. Aber ich durfte auch keine eigene Meinung haben.“