Dortmund. Sie war die größte Brauerei der einstigen Bierstadt: Dortmunder Union wird 150 Jahre alt. Auch der pfiffige Braumeister Brinkhoff wird gefeiert.
Alles begann wie beim Rumpelstilzchen. „Heute back’ ich, morgen brau’ ich.“ Brot und Bier sind von jeher eng verwandt, schon wegen der Hefe, also setzte Wilhelm Struck auf dem Dortmunder Westenhellweg schon seit 1812 auf ein westfälisches Dreierlei: Backhaus, Brauhaus, Gasthaus. „Zum weißen Ross“ aber konnte ein halbes Jahrhundert später den wachsenden Bierdurst nicht mehr stillen; es gab mehr Geld zu verdienen als mit einer Schankwirtschaft, und es wurde für einen Neubau am Westentor auch gebraucht. Am 30. Januar 1873 also wurde aus „Struck & Companie“ die „Dortmunder Union-Brauerei Aktiengesellschaft“. Diese Woche feiert die (oder das) DUB 150. Geburtstag.
So recht allerdings feiert niemand mehr mit. Die einst größte Brauerei in „Europas Bierstadt Nummer 1“ ist längst eine unter vielen, gehörte ab 1988 zu „Brau und Brunnen“, ist seit 2004 Teil der Radeberger Gruppe. Das „Union Export“ gibt es noch, das „Union Siegel Pils“, über allen aber steht inzwischen die Marke, die auch der „Brauerei Brinkhoff“ ihren Namen gibt: benannt nach dem ersten Braumeister der DUB, Fritz Brinkhoff. Dessen Geburtstag gilt dem Haus als der festlichere Anlass, am 8. Februar wäre Dortmunds eigener „Alter Fritz“, geboren in Bochum in eine Mälzer-Familie, später abgeworben von der Löwenbrauerei, 175 Jahre alt geworden.
„Wir laden Sie zum Bezuge der weltbekannten Biersorten ganz ergebenst ein“
Es war die Zeit, als Brauer Westen trugen und aus Krügen tranken, als Bierkutscher Pferdewagen fuhren und schwere Holzfässer rollten. Es gibt noch Bilder aus dem 19. Jahrhundert im Brauerei-Museum Dortmund und jenes Werbeblatt, in dem die „Größte Brauerei Westfalens“ ihre Produkte anpreist: „Wir beehren uns, Ihre Aufmerksamkeit auf die von uns producirten drei hochfeinen, allgemein beliebten und weltbekannten Biersorten zu lenken, und laden Sie zum Bezuge derselben ganz ergebenst ein.“
Unter Punkt 1 wirbt Union mit „hellem Dortmunder Export-Lagerbier als unsere Specialität, von feurigem Glanze, vollmundigem und prickelndem Geschmacke und vorzüglicher Bekömmlichkeit“. Das muss dann wohl Fritz Brinkhoffs Bestes gewesen sein. Die Firmengeschichte erzählt von einem Fehlsud aus hellem Malz, den der Braumeister in den 1880er-Jahren nach Aachen verkaufte und der dort reißenden Absatz fand. So soll der Chef das Dortmunder Helle erfunden haben, das seit 1977 seinen Namen trägt und wohl das bekannteste Bier ist aus dem Hause Union. Weshalb es mehrdeutig so heißt: „Brinkhoff’s No.1“.
Kein Bier für die Alliierten
Es gehört indes auch zur Historie der Union-Brauerei, dass ihre Geldgeber und Direktoren vor 150 Jahren vor allem Juden waren. Und dass ihre Namen in den 30er-Jahren aus dem Aufsichtsrat verschwanden. Damals stand der neue Gär- und Lagerkeller schon, Dortmunds erstes Hochhaus, 1927 erbaut und 70 Meter hoch. Man erzählt sich in der Stadt, dass Briten und Amerikaner im Zweiten Weltkrieg zwar das „Union-Viertel“ rund ums Westentor in Schutt und Asche legten, den heutigen „U-Turm“ aber verschonten: Man habe ihnen nahegelegt, es gebe sonst kein Bier mehr für die Alliierten.
Deshalb wohl ging der Wiederaufbau rasend schnell, zuerst aber, das entdeckte Leiterin Corinna Schirmer in den Archiven des Museums, sollen die Nazis „mit Hammern vom Hof gejagt“ worden sein. Schon ab Juli 1945 wurde wieder gebraut, allerdings erst vier Jahre später mit voller Stammwürze von 11 bis 14 Prozent. Zu Kriegszeiten wurde wegen der fehlenden Rohstoffe mit ordentlich Wasser verdünnt, die Stammwürze durfte die zwei Prozent nicht übersteigen; es gab in Dortmund damals, man kann es nicht anders sagen, Plörre.
Tegtmeier macht Werbung: „Daß die Kehle am Jubeln fängt“
Vor- und nachher gab es Medaillen und Plaketten für das DUB, das 1873 mit zunächst 16.000 Hektolitern pro Jahr in den Markt gekommen war. Knapp 20 Jahre später wurden bereits 135.000 Hektoliter jährlich gebraut. Union schluckte kleinere Mitbewerber wie Viktoria oder Germania – und wuchs und wuchs. „Was der Löwe unter den Tieren“, reimte die Werbung in den 1920er-Jahren, „ist das Union unter den Bieren.“ Zwischen und nach zwei Dellen in Kriegszeiten erreichte das Dortmunder Union 1929 und 1956 einen Rekord-Ausstoß von einer Million Hektolitern, es erinnern noch Bierdeckel daran. Ein weiteres Jahrzehnt später, inzwischen vereint mit denen der Schultheiß-Brauerei, schafften die Braukessel knappe drei Millionen. In den 60ern betextete „Tegtmeier“ Jürgen von Manger Bierdeckel: „Sie, also Dortmunder Union-Bier, dat hat einen Geschmack, daß die Kehle, also – richtig am Jubeln fängt, ährlich!“
Es war ein Wettlauf mit dem großen Konkurrenten in der Stadt, der Dortmunder Actien-Brauerei, wie so vieles Rivalität war zwischen diesen beiden: DUB und DAB, eine Identitätsfrage auch für Horst Duffe (85), der seit 1959 für Actien das Bier ausfuhr und sich bis heute im Museum engagiert. „Es hat mich immer gewurmt, dass wir 300.000 Hektoliter weniger hatten, aber heute haben wir sie doch gepackt.“ Allerdings, 300.000 Hektoliter, das sei damals „ein Klacks“ gewesen, eine Pfütze.
Das „U“ prägt bis heute das Dortmunder Stadtbild
Mit dem Niedergang von Kohle und Stahl schwanden auch die Eck-Kneipen mit ihren Tresen, an denen die Männer knobelten und Kurze kippten zum Bier. Horst Duffe sagt: „Das Schönste hat man uns genommen“, dafür bekamen die Menschen alkoholfreie und Mix-Getränke. Vorbei die Zeiten, da ganze Hausfassaden sich schmückten mit dem Schriftzug von Union, da die Brauerei eigene Wirtschaften betrieb. Die Vision einer Literflasche als Standard-Gebinde, die Ahnung einer Jahresleistung von 14 Millionen Hektolitern, blieben Hoffnung, der Ausstoß ging zurück.
Dortmund muss inzwischen ohne die Union-Brauerei auskommen, aber die Stadt kann nicht ohne das „U“ – es ist ihr Wahrzeichen geworden. Der riesige biergelbe Buchstabe prangt auf dem Dach der Westfalenhalle wie seit 55 Jahren auf dem des U-Turms, das inzwischen Kunst-Museum ist; dort sind es sogar vier Lettern. Angeblich ist das U-Gelb in Wirklichkeit Blattgold, aber das kann Horst Duffe nicht glauben: „Soll keiner eine Leiter holen und anfangen zu kratzen!“ Flüssiges Gold aber passt allemal hinein: Tüftler haben einst ausgerechnet, dass jeder Buchstabe 279,75 Hektoliter Bier fassen könnte, fast 112.000 Liter also insgesamt. Kenner wie Duffe können da nur den Kopf schütteln: „Dann trinke ich lieber selbst.“
>>INFO: SO WIRD DAS JUBILÄUM GEFEIERT
Mit einer knallroten 175, dem Slogan „Happy Birthday, Fritz! Wir feiern dich“ und einer Reihe von Verlosungen feiert die Brauerei Brinkhoff, früher Dortmunder Union-Brauerei, den Geburtstag des ersten DUB-Braumeisters Fritz Brinkhoff. Der kam schon 1870, drei Jahre vor Gründung der Aktiengesellschaft, in den Betrieb. Seine Arbeit ließ er sich geschickt bezahlen: mit einer Umsatzbeteiligung von 25 Pfennig pro Hektoliter. Sogar Reichskanzler Bismarck soll etwas neidisch gewesen sein: Er „verdiene ja nicht einmal so viel wie ein Dortmunder Braumeister“.
Das Brauereimuseum in Dortmund bietet zu den Jubiläen besondere Führungen an, die monatlich samstags stattfinden sollen. „150 Jahre DUB“ – Führung zur Dortmunder Union-Brauerei, ab Samstag, 25. Februar, 15 Uhr. „Brinkhoffs No. 1“ – Führung zu Friedrich „Fritz“ Brinkhoff“, erstmals und ausnahmsweise am Mittwoch (!), 8. Februar, 15.30 Uhr. Beide Touren kosten 3 Euro pro Person. Kontakt: Tel. 0231 84 00 200.
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