Dortmund. Mit Kältemaschinen zur Bierstadt: Eine neue Ausstellung im Biermuseum Dortmund widmet sich dem Aufstieg von „Stadionwurst und Dortmunder Hellem“.

Der Ingenieur und Kältetechnik-Pionier Carl Linde baute persönlich 1881 eine seiner ersten Kühlmaschinen in Dortmund auf, und fortan explodierte die Produktion es Biers, das sie „Dortmunder Helles“ nannten. Ein solches Bier in untergäriger Brauweise setzte konstant kühle Temperaturen zwischen 4 und 9 Grad Celsius voraus, wie sie bis dahin nur Winterhalbjahr in Bayern als gesichert gelten konnten. Weiter nördlich war man da auf Natureis-Blöcke angewiesen, die in Kellern gelagert wurden – und in milden Wintern kaum zur Verfügung standen.

Das „Dortmunder Helle“, auch Lager- oder Export-Bier genannt, das dank Lindes Kühlung ganzjährig gebraut werden konnte, wurde in der Folge aber vielleicht auch deshalb so ein Ausfuhr-Schlager, weil es einen höheren Stammwürze-Gehalt hatte als das „normale“ Bier: „Das sollte dann eigentlich am Bestimmungsort noch mal mit frischen Wasser gemischt werden, damit es nicht schal schmeckt“, schmunzelt Corinna Schirmer, „aber das mit dem Wasser hat man gern mal sein gelassen, zumal der Alkoholgehalt etwas höher war...“ Der Hektoliter-Ausstoß der Bierstadt Dortmund stieg bis 1959 auf 1 Million – und die „Fresswelle“ im Nachkriegsdeutschland ließ auch den Wurstkonsum explodieren.

Wurst wurde zum industriell hergestellten Massenprodukt

Die Kultur-Anthropologin Schirmer leitet seit dem vergangenen Herbst das Dortmunder Bier-Museum und zeigt nun hier ihre erste eigene Ausstellung, eine übersichtliche, die in eine Handvoll Vitrinenschränke passt. Aber sie hat einen hohen Nährwert, es geht auch um die Wurst. Die nämlich wurde, wie das Bier, nicht zuletzt durch die zunehmende Kühltechnik zu einem industriell hergestellten Massenprodukt. Und das in Dortmund zu lesende Rezept für „Großmutters Würstchen“ sieht „ein großes Glas Dortmunder Helles“ für die Zubereitung vor, neben einem Pfund Schweinenacken aus dem Fleischwolf, Knoblauch, sechs rohen Kartoffeln, zwei geschälten Tomaten und – zwei Esslöffeln Butter. „Fett“, sagt da Corinne Schirmer, „hat immer eine besondere Bedeutung – in Mangelzeiten begehrt, in Wohlstandszeiten wie unseren etwas, das man gern vermeidet.“

Frikadellen und hartgekochte Eier im Fußballstadion

In den Dortmunder Vitrinen finden sich Haribo-Tüten mit „Stadionwurst“ zum Lutschen und die „Fleischer-Hit-Parade“ von 1976, eine LP zum 100-Jährigen der Dortmunder Fleischer-Innung, die gute Laune beim Wursten machen sollte. Ein rostiges, aber funktionstüchtiges Bolzenschussgerät und ein angsteinflößender „Rohrbahnhaken“ aus der Fleischfabrik erinnern an die unschöne Seite der Wurst. Die machte mit dem Anstieg der Imbisskultur auch im Fußballstadion der Nachkriegszeit Karriere, wo man sich früher vielleicht noch, wie bei anderen Ausflügen, eher mit eigenem Proviant wie Frikadelle und hartgekochtem Ei verpflegt haben mag, wie Corinna Schirmer mutmaßt. Dass Wurst – wie früher – auch Arbeit, Resteverwertung und Haltbarmachung bedeutet, gerate mit dem „Essen to go“ etwas in Vergessenheit.