Hagen/Wiesbaden. Im ersten Halbjahr ist die Feierlaune wohl gestiegen: Viele Deutsche Brauereien melden ein Plus. Ab jetzt steigt die Sorge vor Gaslieferstopps.
Das Bierbarometer ist in den ersten Monaten des Jahres nach zwei miesen Coronajahren endlich wieder gestiegen. Durchatmen zumindest bei einigen großen Brauereien ist angesagt. Die These: Mehr Menschen haben im Frühjahr länger und häufiger Feste besucht und so dem zuletzt tröpfelenden Bierabsatz wieder Schwung verpasst. Die Lust am Feiern scheint zurück.
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Manche Brauereien sprechen sogar vom ersten Schritt zurück zur Normalität und meinen vor allem den gestiegenen Fassbierabsatz seit Jahresbeginn. Daran haben auch die Schützen ihren Anteil, deren Feste nach der Pandemiepause wieder gut besucht werden. Belegt wird der Trend durch Zahlen des statistischen Bundesamtes (Destatis): In den ersten sechs Monaten wuchs der Absatz der deutschen Brauereien gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent auf 4,3 Milliarden Liter Gerstensaft – Alkoholfreies und Malzbiere nicht mit eingerechnet, deren Anteil im vergangenen Jahrzehnt stark wuchs (siehe Infobox).
Allzeithoch bei Veltins
„Die Menschen in Deutschland haben die Aufholjagd der deutschen Brauwirtschaft mit viel Lust aufs Bier begleitet. Immerhin 1,57 Millionen Hektoliter hat sich die deutsche Brauwirtschaft in den ersten Monaten zurückgeholt, das meiste davon als Fassbier“, jubiliert der Veltins-Chef Michael Huber. Mehr als eine Million Hektoliter gingen übrigens auf das Konto der Brauereien in Nordrhein-Westfalen.
Der Chef der Grevensteiner Privatbrauerei hat noch gut Lachen, weil Veltins für die ersten sechs Monate sogar ein Allzeithoch mit mehr als 10 Prozent plus beim Ausstoß vermeldet hatte (wir berichteten), obwohl der Fassbierabsatz erst bei knapp 80 Prozent des Jahres 2019 liegt, aber immerhin. Fassbier auf Festen und Events sei wieder ein Garant für Begegnung und Lebensfreude. „Dieses Gefühl haben sich die Menschen im Land zurückgeholt“, sagt Huber. Es herrsche wieder richtig Leben in Gastronomien und auf den Festplätzen der Republik – und nicht zuletzt bei den großen Festivals.
Ein Trend, den auch die Krombacher-Brauerei bestätigt. Die Siegerländer hatten vergangenes Jahr gerade beim Pils – immer noch die stärkste deutsche Marke – einiges an Hektolitern verloren. Jetzt hat sich auch hier Stimmung deutlich aufgehellt: „Ich kann sagen, dass wir insgesamt ein wirklich tolles erstes Halbjahr hatten. Auch wir spüren den Drang der Menschen sich wieder in der Gastronomie treffen zu können, Festivals zu besuchen oder auch Schützenfeste zu feiern. Dazu kommt auch ein sehr sonniger Sommer. Es gibt hier offensichtlich einen gewissen Nachholeffekt“, vermutet Krombacher-Sprecher Peter Lemm.
Krombacher erstmals in Wacken
Das spiegele sich dann natürlich auch im Fassbierabsatz entsprechend wider. Hier liege die Krombacher aktuell sehr deutlich über den beiden Vorjahren, aber noch nicht ganz auf dem Niveau von 2019. Vielleicht trägt das neue Engagement bei Großevents noch mehr Zählbares bei. Krombacher ist als Sponsor nicht nur bei KulturPur am Giller in Hilchenbach und beim Biggesee Open Air vertreten, sondern in diesem Jahr auch erstmals bei dem deutschen Heavy-Metal-Festival in Wacken. An den 50 Ausschankstellen auf dem Festivalgelände wird am kommenden Wochenende wohl noch der ein oder andere Liter Krombacher Pils fließen und die Statistik aufbessern.
Spannend wird sein, wie sich die Preise aufgrund der extrem gestiegenen Produktionskosten entwickeln werden. „Noch nie war Brauen in Deutschland so teuer wie heute“, sagt Veltins-Chef Huber, der dennoch daran festhält, mindestens bis Ende des Jahres die Preise nicht erhöhen zu wollen.
Angesichts der hohen Inflation und zunehmender Kaufzurückhaltung bei gerade nicht lebensnotwendigen, hochwertigen Gütern (und als solche sind Sauer- und Siegerländer Biere wohl anzusehen) könnten die Grevensteiner mit dieser Haltung Marktanteile gewinnen. Immer vorausgesetzt, es kommt nicht zu Produktionseinschränkungen für die Branche, die so sehr auf Gas angewiesen ist, aber wohl kaum mit Systemrelevanz bei Wirtschaftsminister Habeck wird punkten können. Ob sich der Aufschwung des ersten Halbjahres also fortsetzen lässt, ist höchst ungewiss.
Alkoholfreies und Mixgetränke erfolgreich
Alkoholfreies Bier erfreut sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit: Binnen zehn Jahren ist die Produktion von Pils, Weizen und Kölsch ohne Alkohol um 74 Prozent gestiegen, wie Destatis meldet.
Demnach lag die Menge 2011 bei gut 236 Millionen Litern, 2021 waren es schon gut 411 Millionen Liter. Der Wert lag bei 358 Millionen Euro.
Bei den Biermischgetränken mit wenig Alkohol, etwa Radler, gab es ebenfalls einen Zuwachs. Er fiel mit 23,6 Prozent jedoch geringer aus. Wurden 2011 noch gut 326 Millionen Liter Biermischgetränke produziert, waren es im vergangenen Jahr knapp 403 Millionen Liter.